Bericht vom 20. Prozesstag (28.01.09)

Vernehmung des Zeugen Polizeikommissar Bendt, LKA Berlin oder "das große Nichts!!!"
Kurz nach 9:00 Uhr begann der 20. Verhandlungstag mit der Vernehmung des Zeugen Gunnar Bendt, 38, Polizeikommissar, LKA 62 Berlin. Auch dieser Beamte erschien, wie seine Vorgänger des MEKs, zur Vernehmung mit Perücke und angeklebtem Bart. Bendt war mit der Observation am 31.07.07 betraut und war auch bei der Festnahme in Brandenburg vor Ort. An den genauen Auftrag an diesem Tag konnte der Zeuge sich nicht erinnern, es ging jedoch darum Kontakte von Personen feststellen. Ob es zu Beginn der Observation bereits einen Verhaftungsauftrag gegeben hat, wusste er nicht mehr.

Die Observation am 31.07.07
Auf Nachfrage des Vorsitzenden Hoch schilderte der Beamte was sich an diesem Tag ereignete. Er beschrieb das ziellose Umhergehen von Personen zu Beginn der Observation. Auf Nachfrage der Staatsanwaltschaft sagte der Zeuge, er könne sich nicht mehr erinnern, ob er in Berlin eine Zweier- oder Dreiergruppe beobachtet habe. Es kam, laut seiner Aussage, zu keiner Identifikation der Personen in Berlin. Zu der Fahrt nach Brandenburg an diesem Tag konnte er wenig aussagen. Er konnte sich nicht mehr erinnern, wann und wie er das Fahrzeug genau gesehen habe bzw. ob die Observation lückenlos verlief. Auf das MAN-Gelände in Brandenburg hatte er von seinem Beobachterstandpunkt aus keine Einsicht und konnte demnach keine Aussagen treffen. Die Brandsätze habe er nicht gesehen. Er sagte aus, zu dem Bericht über die Observation und die Festnahme nichts beigesteuert zu haben und dazu auch nicht befragt worden sein. Der Bericht wurde von seinem Kollegen Weiß verfasst.
Der Zeuge hatte bereits an einer früheren Observation eines der Angeklagten teilgenommen. An den genauen Zeitpunkt konnte er sich jedoch nicht erinnern. Es sei bei der Observation zu keinen Auffälligkeiten gekommen.

Die Festnahme
Der Zeuge sagte aus, dass er bei der Festnahme in Brandenburg anwesend war. Er sei mit den Kollegen Kroll und Alevisios in einem Fahrzeug zum Festnahmeort gekommen. Er wisse aber nicht mehr, ob ihr Fahrzeug als erstes dort angekommen sei. Ob der observierte PKW zu diesem Zeitpunkt schon stand bzw. ob er durch das Fahrzeug der Polizisten überholt wurde, wisse er auch nicht mehr. Der Zeuge beschrieb den ersten Blick auf den Festnahmeort als "fließende Bewegung". Er befand sich auf der Fahrerseite des PKWs, sicherte die Situation ab, nahm aber selbst keine Person fest. Er schilderte die Festnahme wie folgt: Sein Kollege Kroll, MEK LKA Berlin, entglaste die beiden Scheiben auf der Fahrerseite des PKWs. Der Fahrer des Wagens wurde durch die Fahrertür auf den Boden gebracht und ihm wurden Handfesseln angelegt. Welche Kollegen welche Personen festgenommen hätten und was genau auf der Beifahrerseite passiert sei, wisse er nicht. Auch bei den Vorbereitungen auf die Verhandlung habe er darüber mit seinen Kollegen nicht gesprochen. Die Personen hätten sich nicht gewehrt und Gewalt gegen sie habe er nicht feststellen können. Die Beantwortung der Frage nach der Gesamtanzahl der Beamten bei der Verhaftung verweigerte er mit dem Hinweis dafür keine Aussagegenehmigung zu haben.
Der Zeuge gab an, dass er auf dem Fahrersitz im Nachhinein, einen der Angeklagten erkannt hätte. Auch die anderen beiden Angeklagten erkenne er von der Verhaftung her wieder.
Zu der Frage, ob Waffen bei der Festnahme benutzt worden sind, machte der Zeuge unterschiedliche Angaben. Auf Nachfrage Hochs gab er zuerst an, dass keine Waffen benutzt worden seien. Zu einem späteren Zeitpunkt, bei der zweiten Nachfrage, diesmal durch die Verteidigung, ob Waffen vorhanden gewesen seien bzw. ob eine Waffe ins Auto gerichtet worden sei, gab der Zeuge an, sich nicht mehr erinnern zu können. Ob alle Festgenommenen mit Schlafbrillen und Handfesseln ausgestattet wurden, wusste Bendt nicht mehr. Weiterhin sagte der Zeuge, er habe im Nachhinein nichts von Verletzungen eines der Festgenommen erfahren. Auch über eventuelle Verfahren gegen Kollegen in diesem Zusammenhang habe er nichts gehört.
Die Nachfrage der Verteidigung, wie häufig er Verhaftungen durchführe, verweigerte er mit dem Hinweis dies betreffe den Bereich Taktik. Die Verteidigung ließ sich daraufhin seine Aussagegenehmigung kopieren.
Fragen der Verteidigung, welcher Kollege die Festgenommen durchsucht habe, wann dies geschehen sei, ob ihnen sofort Dinge abgenommen wurden und wie lange er selbst noch am Festnahmeort geblieben sei, wusste er nicht zu beantworten oder konnte sich nicht erinnern.
Bundesanwalt Weingarten erzählte abschließend zu diesem Themenkomplex von einem Beamten, der ihm einmal privat gesagt hätte, er könne sich nicht an einzelne Festnahmen erinnern, da sie sein Alltagsgeschäft wären, und fragte, ob dies bei dem Zeugen ähnlich sei. Der Zeuge antwortete, Festnahmen gehörten zwar zu seinen Aufgaben, aber sie seien kein Alltagsgeschäft.

Identifikation von Personen
Im Verlauf der Vernehmung ging es immer wieder um die Identifikation der Personen. Der Zeuge gab an, vor Ort wären Lichtbilder zur Identifikation gewesen. Er könne sich aber nicht an die Identifikation der Personen erinnern. Auch habe er sich mit seinen Kollegen nie über eine Identifikation von Personen unterhalten und auch nicht darüber, wer eine solche vorgenommen hätte bzw. warum dies so spärlich festgehalten wurde in den Berichten. Auf Nachfrage der Verteidigung räumte er ein, die Angeklagten von den Lichtbildern her wiedererkannt zu haben. Er wusste jedoch nicht mehr, wann er das Bild eines der Angeklagten gesehen hatte.

Die Tatortbegehung am 29.12.08
An der bereits in vergangenen Prozessberichten mehrmals erwähnten Tatortbegehung, am 29.12.08, hatte auch der Zeuge Bendt teilgenommen. Es seien fünf Personen, in zwei Fahrzeugen, bei der Begehung dabei gewesen. Der Tatort und der Verhaftungsort waren Ziel des Ausflugs. An dieser Stelle der Vernehmung wurde, wie bereits mehrmals, nach Unstimmigkeiten bezüglich des genauen Verhaftungsortes gefragt. Der Zeuge sagte aus, es habe sich nicht der Verhaftungsort geändert, sondern es sei lediglich zu einer Verwechslung der Straßennamen gekommen.

Organisatorisches bei der Polizei und jede Menge Anträge der Verteidigung
Eine Reihe von Fragen der Verteidigung beschäftigte sich mit organisatorischen Verfahren auf der Dienststelle. Auf Nachfrage sagte der Zeuge Bendt, es werden Observationsakten geführt, die auch an die Staatsanwaltschaft übergeben werden. Ob Lichtbilder darin enthalten seien, konnte der Zeuge nicht sagen. Es seien darin eher Bewegungen von Personen beschrieben, so der Zeuge. Die Frage, was "Einsatzunterlagen" sind, wollte der Zeuge mangels Aussagegenehmigung nicht beantworten. Diese Frage falle in den Bereich Taktik und Logistik und er dürfe sie somit nicht beantworten. Jeder Kollege, der sich auf den Prozess vorbereiten wolle, könne diese Einsatzunterlagen jedoch einsehen. Was überhaupt in eine solche Einsatzunterlage aufgenommen wird und ob auch Observationsberichte ein Teil davon sind, wollte der Zeuge nicht beantworten. Der Vorsitzende und die Bundesanwaltschaft griffen an dieser Stelle ein und erklärten die Frage als beantwortet. Daraufhin stellte die Verteidigung einen Antrag auf Protokollierung . Der Vorsitzende entsprach diesem Antrag.
Die Verteidigung legte die Frage nach, ob es Vermerke von Kollegen über ihre Aussagen vor Gericht gebe. Auch hierzu verweigerte der Zeuge Bendt die Aussage. Daraufhin beantragte die Verteidigung eine weitere Protokollierung. Auch diesem Antrag kam der Vorsitzende nach. Nachdem Bundesanwalt Weingarten diese Frage nochmals, etwas anders formuliert stellte, äußerte der Zeuge, er habe nichts Schriftliches von Kollegen über deren Zeugenaussage gelesen, er lese nur die Einstellungen im Internet.
Zu einem späteren Zeitpunkt der Vernehmung beantragte die Verteidigung die Frage zu protokollieren, ob sich in den Einsatzunterlagen ein handschriftlich dokumentierter Observationsbericht befindet, nachdem der Zeuge erneut die Aussage hierzu verweigerte.

In einem weiteren Fragenkomplex der Verteidigung, ging es um den Umgang mit den Aussagegenehmigungen unter den Kollegen. Bendt sagte, er habe sich nie mit Kollegen darüber unterhalten. Auch nicht darüber, wie das Gericht damit umgehen würde.
Zum Aussageverhalten des Zeugen erklärte die Verteidigung abschließend, der Zeuge interpretiere seine Aussagegenehmigung willkürlich, so habe er beispielsweise über die Schlafbrillen bei der Befragung durch den Vorsitzenden ausgesagt, obwohl dies den Bereich Taktik und Technik betrifft, Fragen der Verteidigung dazu mit Hinweis auf seine Aussagegenehmigung aber nicht beantwortet.

Dann stellte die Verteidigung einen Antrag auf Beiziehung der fehlenden Aktenbestandteile zur Ursprungsakte. Dies sei wichtig, da bei dem Verfahren ein Organisationsdelikt verhandelt würde.
Die Bundesanwältin Greger insistierte sofort und beantragte den Antrag abzulehnen, da alle relevanten Aktenbestandteile vorhanden seien um die Rechts- bzw. Schuldfrage zu klären. Informationen über Personen aus früheren mg-Ermittlungen spielten dabei keine Rolle.
Die Verteidigung widersprach an dieser Stelle und machte deutlich, dass der BGH sagt, dass alles was verdeckt ermittelt wurde, auch ins Verfahren eingebracht werden kann, da es sich hierbei um Beweismittel handeln kann, die dann auch der Verteidigung zur Verfügung stehen müssen. Über den Antrag der Verteidigung wurde heute noch nicht entschieden.

"Kleiner Lauschangriff"
Nach einer kurzen Pause wurden die Tonbandmitschnitte eines kleinen Lauschangriffes vom 19.04.07 vorgespielt. Mitgeschnitten ist darin ein Kneipenbesuch eines der Angeklagten. Das mehrmalige Anhören des Mitschnitts in verschiedenen Tonformaten konnte kein Ergebnis erzielen. Außer Musik und Stimmengewirr konnte nichts verstanden werden. Das Thema wurde kurzerhand fallen gelassen, ohne es weiter zu vertiefen.

Vernehmung des Zeugen KOK Stolzenfels, BKA
Um 13:00 Uhr nach der Mittagspause wurde die Verhandlung mit der Zeugenvernehmung von KOK Mark Stolzenfels; BKA fortgesetzt. Der Zeuge wurde bereits am 19. Prozesstag (22.01.09) vernommen.
Zu Beginn der Befragung ging es der Verteidigung um den Verbleib eines Faxes vom BKA an die Bundesanwaltschaft, welches durch ein anderes Fax in Bezug auf Verbindungsdaten ersetzt worden war. Der Zeuge sagte aus, dass das ersetzte Fax sich wahrscheinlich nicht mehr in den Akten befinden wird. Grund dafür sei, dass wahrscheinlich etwas falsch im Text gewesen sei.

Die Verteidigung fragte nach, ob e-mailadressen dem Zeugen dienstlich bekannt geworden waren. Der Zeuge sagt aus, dass sie zwar dienstlich, aber nicht polizeilich bekannt geworden wären, aber er darüber keine Aussagegenehmigung habe. Dazu, ob sie ihm durch das Bundesamt für Verfassungsschutz bekannt geworden wären, machte er ebenfalls keine Angaben. Weiterhin habe er nachgefragt und dürfe auch nichts dazu aussagen, was es heißen würde, einer der Angeklagten verfüge über eine Telefonnummer, Handynummer und e-mailadresse. Ob diese Informationen verfahrensrelevant seien, dürfe er ebenfalls nicht sagen.

Weiterhin wurde der Zeuge zu einer Observation einer Person am 09.05.07 befragt. Er selbst habe an der Observation nicht teilgenommen, ihm lag lediglich ein zusammengefasster Bericht vor. Es geht in dem Bericht vermeintlich um einen der Angeklagten, der sich "konspirativ" mit einer anderen Person getroffen hat. Erstaunlich ist, dass die zweite Person nachträglich ermittelt wurde, weil sie während des Treffens Geld am Automaten abhob. Die Verteidigung fragte nach, wie es komme, dass es hierzu erst am 06.11.07 erstmalig einen Aktenvermerk gegeben habe, mit der Information, dass es ein konspiratives Treffen gewesen wäre. Stolzenfels konnte nicht mehr sagen, woher er diese Information genommen habe.

Dann wurde der Zeuge gefragt, wie viele Verfahrenskomplexe es zur mg gibt. Es gebe zwei Komplexe: mg1 -- meint das 2008 eingestellte Verfahren und mg2 -- meint das aktuelle Verfahren mit den sieben Beschuldigten. Die Struktur der mg stellen sich die Polizeibehörden mit einer Ausführungsebene bzw. mit einer Bezugsperson zur Ausführungsebene vor. Das sei die Ebene, die die Anschläge verüben würde. Es würde auch eine Planungsebene geben.

Zum Ende der Vernehmung wurde Stolzenfels zu seiner Arbeit am Ermittlungsverfahren befragt. Er sei April 2007 zu den mg-Ermittlungen gekommen und sei von KHKin Alles, BKA (Ermittlungsführerin) und anderen Kollegen in die Ermittlungen eingeführt worden. Ihm sei auch kein Zusammenhang zwischen dem mg1-Komplex und dem aktuellen Verfahren bekannt und er wisse auch nicht, ob ein Zusammenhang einmal im Gespräch war. Es sei immer von einer mg ausgegangen worden und ihm sei erklärt worden, dass man bei den Personen aus dem mg1-Komplex "auf dem Holzweg" gewesen sei.
Weiter fragte die Verteidigung, ob die wöchentlichen Teamsitzungen verfahrensübergreifend sind. Die Bundesanwaltschaft beanstandete die Frage. Die Verteidigung konkretisierte ihre Frage, ob die Ermittlungsergebnisse der einzelnen Anschlagsverfahren in den Teamsitzungen besprochen werden. Das bejahte der Zeuge.
Ob die 7 Personen aus dem mg2-Komplex vorher schon bekannt gewesen waren, bevor sie beschuldigt wurden, konnte der Zeuge nicht sagen. Auch darüber, ob sie im Zusammenhang mit der radikal bekannt geworden sind und wie das Verhältnis von der mg zur radikal sei, ist ihm nicht bekannt. Seines Wissens gibt es auch keine Ermittlungen gegen Personen, die erst der mg und später der radikal zugerechnet wurden. Er konnte sich auch nicht daran erinnern, ob Papiere der mg bei Personen gefunden wurden, die nicht der mg zugerechnet wurden.
Mit diesen Fragen endete die heutige Vernehmung des Zeugen Stolzenfels

Nächster Verhandlungstag: Donnerstag 29.01.09 um 9 Uhr/ 9 Uhr Zeugenvernehmung KOK Kaebelmann, LKA Berlin / 13 Uhr Zeugenvernehmung KOK Puppel, LKA Berlin

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