"Wir grüßen Euch zu Silvester am Knast!" von Axel, Olli und Florian

Vom 1. August bis zum 29. November saßen wir, Axel, Olli und Florian in der JVA Moabit in Untersuchungshaft.

Seit 1881 wird dieser Knast betrieben, um zu überwachen und zu strafen. Schon ab 1800 begann in Europa der Bau von unzähligen Gefängnissen, die die düsteren Verliese ablösten. Ab 1840 lief es in den Gefängnissen wie heute: Pflichtarbeit, Disziplinarmaßnahmen, Überwachung, Begutachtung und Entwicklung des Gefangenen zum Objekt. Der Staat schuf nach und nach um das Gefängnis herum spezialisierte Einrichtungen, die dem Gefängnis verblüffend ähneln: Ziel dieser Einrichtungen wie Psychiatrien, Kliniken, Maßregelvollzug ist es, mit der Ausgrenzung einen kriminellen Delinquenten zu erschaffen und ihn als abartig, krank, verrückt oder persönlichkeitsgestört abzustempeln.

Im Knast können wir den Zustand der Gesellschaft allgemein ablesen. Und dieser Zustand ist eine Katastrophe. Die Gewaltstrukturen wie Rassismus, Ausbeutung und Unterdrückung wirken auch hier. Die versuchte Disziplinierung zum Staatsbürger findet hinter Gittern wie in einem Mikrokosmos statt.

Die sogenannten Sonderhaftbedingungen, besonders die Isolierung, gelten für alle Häftlinge. Im Kontext des 129a fanden unsere Anwaltsbesuche mit einer Trennscheibe statt, die Besuche der Angehörigen/Freunde wurden vom BKA überwacht und handschriftlich dokumentiert.

Aufgrund rassistischer und sozialer Ausgrenzung und kriminalisierter Aneignung befinden sich viele Migranten in der JVA Moabit (etwa 80 % der gesamten Gefangenen). Das Gefängnis ist total überbelegt. Eigentlich ist die JVA Moabit ein Untersuchungsgefängnis, aber wegen Platzmangels gibt es auch viele Strafer, die nach dem Urteil ihre Strafe absitzen müssen.

Untersuchungshäftlinge und Strafer werden in die alltägliche Gefängnisdisziplin eingepresst. Die Strafer arbeiten und haben zusätzlichen Einschluss mit einem Mitgefangenen.

Morgens 5.30 beginnt der Tag mit der Müllrunde. Das heißt die Hausarbeiter sammeln den Müll ein.
6.20 wird das Frühstück ausgeteilt. 3 Scheiben Schwarzbrot. Einmal pro Woche gibt es Marmelade +Butter.
11.20 gibt es Mittagessen: Der Gefangene bekommt sein Essen in einer Plastikschale serviert.
14.30 wird das Abendbrot ausgegeben, 3 Scheiben Schwarzbrot und ein Stück Käse oder Wurst.

Es gab eine Stunde Freigang für uns in einer Kleingruppe. Zweimal pro Woche Duschen. Nur kaltes Wasser auf der Zelle und Toilette, Bett, Spind, Schreibtisch auf 6qm versifften Deutschlands. Die meisten Gefangenen bekommen kaum Post, viele können weder lesen und schreiben und werden von ihren Botschaften/Anwälten kaum oder schlecht vertreten. Sie werden oft von ihren Anwälten/innen abgezogen, die sinnlose Anträge stellen+ sich diese gut bezahlen lassen. In der Gefängnisbibliothek gibt es wenig fremdsprachige Literatur.

Die Gefangenen kommen meistens aus armen Verhältnissen und haben zu wenig auf dem Haftkonto, um sich über den Gefangeneneinkauf etwas zu gönnen.
Viele bräuchten mehr soziale+ psychologische Unterstützung. Die meisten sind nervlich schon total runter, wenn sie einfahren. Es gibt eine Psychologin auf 400 Häftlinge und zu wenige Sozialarbeiter/innen.

Die Krankenversorgung orientiert sich nur an einer schulmedizinischen Grundversorgung, die oft nicht funktioniert. Es dauert manchmal Wochen, bis man ins Krankenhaus zur Untersuchung gebracht wird, auch wenn man starke Schmerzen hat.

Einige Gefangene haben chronische Kopfschmerzen oder andere Leiden, die nur rudimentär versorgt werden. Viele haben Schlafstörungen, Depressionen oder organische Beschwerden, die verschleppend behandelt werden, wenn überhaupt.
Es gibt etliche Suizide und noch mehr Suizidversuche, wie wir mitbekommen haben, die von der Gefängnisverwaltung verheimlicht werden.

Das kapitalistische System der Konkurrenz und des brutalen Individualismus wirkt auch im Knast weiter. Solidarität funktioniert oft nur in kleinen Dosen. Grundsätzlich herrscht Misstrauen. Nur wenige Gefangene bauen eine Gefangenensolidarität auf. Diese Solidarität, die alltägliche Unterstützung haben wir von einigen Gefangenen erfahren. Wir sind dafür sehr dankbar!

Im Grunde genommen waren wir als politische Gefangene im Knast privilegiert. Wir bekamen viel Unterstützung, Post und unser Haftkonto war voll. Trotzdem wirkt die Isolierung brutal auf die Seele und den Körper, auch nach der Haft. Der strafrechtlich verordnete Freiheitsentzug ist ein äußerster Angriff auf die Würde des Menschen.

Mumia Abu-Jamal nennt das Gefängnis eine Hölle. Er hat recht!
Trotzdem kämpfen + überleben Menschen in ihr und bewahren sich ihre moralische Integrität. Besonders wichtig ist die Unterstützung von draußen, die schon einen wichtigen Schritt zum Einreißen der Mauern bedeutet.

Es ist absolut notwendig im Knast eine Gefangenensolidarität in Form einer organisierten Gruppe aufzubauen und draußen eine Knastgruppe zu gründen, die kontinuierlich zum Thema arbeitet!

Wir grüßen alle Gefangenen und rufen:
Es lebe die Freiheit!
Weg mit dem Knastsystem!