Sicherheitsverfügung

aus dem Buch "Das zarte Pflänzchen der Solidarität gegossen. Zu den Verfahren und dem Prozess wegen Mitgliedschaft in der militanten gruppe (mg)", S. 60, ISBN 978-3-942885-00-3, edition assemblage, März 2011.

Die vom Gericht erlassene Sicherheitsverfügung sah „mindestens 3 Justizwachtmeister“ und „bis zu 6 Polizeibeamte“, die „verdeckt“ Waffen tragen durften, im Gerichtssaal vor. Außerdem erlaubte Richter Josef Hoch dem BKA zu jedem Prozesstag für „Aus- und Fortbildungszwecke“ zwei Personen im Gerichtssaal, die der „Unterrichtung der Leitung des BKA und der politischen Entscheidungsträger“ dienten, um „Lageerkenntnisse (z. B. Resonanz des Umfelds der Beschuldigten)“ zu gewinnen. Die beiden auf den Pressebänken sitzenden BKAler protokollierten fleißig die Verhandlung. Gegen Prozessende kamen die überwiegend jungen Männer und Frauen des BKA auch mal allein oder gar nicht.

Die Zuschauer_innen mussten sich peniblen Kontrollen unterziehen: Personalausweis abgeben (der wurde kopiert), abtasten, Schuhe ausziehen. Nach und nach erkämpften sich die Zuhörer_innen, mehrere Stifte, Blätter und Papiertaschentücher mit in den Gerichtssaal nehmen zu dürfen. Die Anwält_innen sahen durch die Sicherheitsverfügung die Öffentlichkeit im Prozess eingeschränkt. Menschen wurden tatsächlich abgeschreckt, in den Prozess zu kommen, weil sie nicht vom BKA überwacht und ihre Daten kopiert sehen wollten. Andererseits sahen wir auch mangelndes Interesse daran, sich anzueignen, wie derzeit so ein längerer §129-Prozess gegen Linke abläuft. Leider kam es während der 63 Prozesstage kein einziges Mal, auch nicht bei der Urteilsverkündung, beispielsweise zu einem Summen eines Liedes oder gar zu Tumulten im Gerichtssaal. Wir haben nichts dergleichen organisiert und auch vorhandene Ideen (beispielsweise die eines Prozess-Bingos mit Preisen für die teilnehmenden Zuhörer_innen) nicht weiter diskutiert. Wenigstens eine Räumung anlässlich der Verurteilung wäre angemessen gewesen. Wir waren ein (zu) braves Publikum. Unsere Fragen bleiben: Woran lag es? Warum wurden die Spielräume nicht ausgenutzt?