Einstellungsbündnis zur NATO-Sicherheitskonferenz 2010
Redebeitrag für die SIKO 2010
Wir grüßen alle, die sich auch dieses Jahr wieder zum Protest gegen die NATO-Sicherheitskonferenz in München zusammengefunden haben - antimilitaristischer Widerstand braucht einen langen Atem und viel Solidarität!
Wie das Massaker von Kundus der Öffentlichkeit vor Augen geführt hat, betreibt die deutsche Außenpolitik in Afghanistan die gezielte Ermordung politischer Gegner und betrachtet die Tötung von Teilen der Bevölkerung dabei als Kollateralschaden. Der Angriff auf Afghanistan hat die Situation im Land verschlimmert - steigende Armut, tausende Tote und Verletzte zeugen davon, dass der Krieg selbst der brutalste Angriff auf die Menschenrechte ist.
- Doch während die herrschenden kriegführenden Staaten auf der Afghanistan-Konferenz versuchen, mehr Zustimmung für diesen Krieg zu erlangen, und gleichzeitig die Eskalation durch Truppenaufstockung vorprogrammieren,
- während Deutschland versucht, sein Image bei der kriegskritischen Bevölkerung aufzupolieren, indem der zivile Aufbau und der Entwicklungsaspekt wieder propagandistisch in den Vordergrund gerückt wird,
- während der Entwicklungshilfeminister Niebel den NGOs in Afghanistan gleichzeitig droht, den Geldhahn zuzudrehen, wenn sie die zivil-militärische Zusammenarbeit nicht akzeptieren …
- und während das deutsche Militär weiter in Afghanistan Zivilisten tötet ...
soll unbedingt verhindert werden, dass „an der Heimatfront“ aktive Abrüstung betrieben wird und sich die Anti-Kriegsstimmung in deutliche praktische Aktionen umsetzt.
Im Oktober 2009 wurden Axel, Florian und Oliver für ihren aktiven Widerstand gegen die deutsche Kriegspolitik verurteilt: für eine versuchte Brandstiftung an Bundeswehr-LKWs und als vermeintliche Mitglieder der "militanten gruppe". Verurteilt zu Knast, zu einer Strafe von 3,5 bzw. 3 Jahren Haft. Nach über 60 Verhandlungstagen haben sie den Gerichtssaal ohne jegliche Einlassungen hinter sich gelassen. Revision gegen das Urteil wurde eingelegt.
Die kontinuierliche Solidaritätsarbeit des Einstellungsbündnisses hat zwar nicht verhindern können, dass das Gericht eine Knaststrafe verhängt hat, mit der künftiger Widerstand abgeschreckt werden soll. Doch konnten wir die öffentliche Wahrnehmung des Staatsschutzprozesses stärken, der Auseinandersetzung mit dem Ausforschungsparagrafen §129a mehr Raum verschaffen, der Solidarität gehör verschaffen und nicht zuletzt die Thematisierung von aktiven Interventionen gegen Militarismus und Krieg stärken.
Die Kritik an Krieg und Militarisierung hat während des Prozesses mehr Aufmerksamkeit und Präsenz bekommen. Der Widerstand gegen den Krieg, wie auch hier beim Protest gegen die Siko, ist deutlicher geworden.
Doch auch Repression und Kriminalisierung von antimilitaristischem Widerstand hat zugenommen. Der § 129 (a) war schon immer ein Mittel, um widerständige Praxis intensiv auszuforschen und als kriminell oder terroristisch zu diffamieren. Dem gemeinsam zu begegnen und sich nicht gegeneinander ausspielen zu lassen, war auch im Prozess gegen Axel, Olli und Florian eine wichtige – und erfolgreiche - Auseinandersetzung.
Dass die Grenzen zwischen friedlichem Protest und nicht gesetzeskonformem Widerstand fließend sind, zeigt allein schon die Behandlung von Blockaden, die ein absolut legitimes Mittel zivilen Ungehorsams sind, in Dresden aber schon als illegal behandelt werden. Lassen wir uns nicht gegeneinander ausspielen!
Prozesse wie der mg-Pozess sollten uns allen Anstoß sein, uns um so mehr mit dem zu solidarisieren, worum es eigentlich politisch geht. Bereits kurz nach den Verhaftungen haben FriedensaktivistInnen nicht nur aus dem Einstellungsbündnis die versuchte Brandstiftung an Bundeswehrfahrzeugen, für die sich Axel, Florian und Oliver vor dem Kammergericht verantworten mussten, als konkrete Abrüstungsinitiative begrüßt. „Kriegsgerät interessiert uns brennend“ oder auch „Es gibt zu viele Bundeswehrfahrzeuge“ lauteten die Slogans auf Plakaten, auf denen brennende Militärfahrzeuge abgebildet waren.
Während die Militarisierung im Inneren zur Selbstverständlichkeit in den Köpfen werden soll, müssen die Herrschenden von verschiedensten Seiten mit Gegenwind rechnen. Um ein paar Beispiele der letzten Jahre zu nennen:
- So wird die Präsenz der Bundeswehr im öffentlichen Raum immer wieder deutlich Infrage gestellt.
- Dem neuen Bundeswehrdenkmal in Berlin wurde gleich zu Beginn ein skandalträchtiges öffentliches Happening verpasst
- Rekrutierungsveranstaltungen der Bundeswehr in Arbeitsämtern, Schulen oder auf Ausbildungsmessen wurden so häufig behindert, so dass sie nur noch selten ohne Polizeischutz stattfinden können.
- An Ostern 2009 rüstete die „Initiative für ein neues blaues Wunder“ auf dem Gelände der Offiziersschule des Heeres in Dresden 42 Militärfahrzeuge aktiv ab und verursachte einen Sachschaden von über drei Millionen Euro. (Weiter so!)
- Im Sommer mussten sich Militärs bei einer feierlichen Ausstellungseröffnung im Bundestag mit rosa Badelatschen bewerfen lassen.
- Nach langjährigem hartnäckigem und breitem Widerstand wurde letztes Jahr das Aus fürs Bombodrom in der Kyritz-Ruppiner Heide besiegelt.
- Eine Veranstaltungen von Militärs in einer Kirche wurde mit einer Besetzung der Kirche beantwort.
- DHL wurde als „Deutscher Heeres Logistiker“ aufs Korn genommen - eine Kampagne zielte darauf ab, DHL das Image zu versauen, weil es sich als Kriegslogistiker für die Bundeswehr anzudienen versuchte – inzwischen hat sich DHL offenbar von seinem Ansinnen zurückgezogen.
- In Berlin hat ein Aufruf zum Sekttrinken am Bundeswehrdenkmal, wenn ein deutscher Soldat fällt, zu großer Aufregung geführt. Das Ziel, das Ansehen der Bundeswehr in der Öffentlichkeit zu beschädigen, wurde durchaus verstanden.
Das konkrete praktische Eingreifen gegen die zunehmende Militarisierung von Politik und Gesellschaft ist notwendig und legitim. Für uns als Einstellungsbündnis ist es auch einer der besten Beiträge, um sich in politischen Prozessen solidarisch zu zeigen.
Ob aktiv gegen das Gelöbnis oder die Bundeswehr im Arbeitsamt, ob friedlich oder militant: Wichtig ist und bleibt der Widerstand!
Einstellungsbündnis, Februar 2010