Freiheit statt Angst-Demo 12.9.2009: Redebeitrag der Angeklagten und des Einstellungsbündnisses

Redebeitrag des Einstellungsbündnisses

Hallo,

als Einstellungsbündnis haben wir gerne mit zur Demonstration "Freiheit statt Angst" aufgerufen. Alles, wogegen hier auf die Straße gegangen wird, nimmt auch uns die Luft zum Leben.

Gegründet hat sich das Einstellungsbündnis im Sommer 2007 nach der Verhaftung von Andrej, Axel, Florian und Oliver. Letzteren wurde vorgeworfen, auf frischer Tat dabei ertappt worden zu sein, Bundeswehrfahrzeuge anzzuzünden, also Kriegsmaterial unschädlich gemacht haben zu wollen. Ersterer hätte dieses und andere Aktionen mit ihnen gemeinsam in der militanten gruppe (mg) ausgeheckt.

Zwei Jahre sind seitdem ins Land gegangen, aktuell sitzt niemand wegen Mitgliedschaft in der mg im Gefängnis und all die politischen und juristischen Entwicklungen aufzuzählen, die sich seitdem ergeben haben, geht gar nicht in einem Redebeitrag. Wichtig für uns ist, euch hier auf der Demo mitzuteilen, dass der Prozess gegen Axel, Florian und Oliver kurz vor seinem Ende steht. Für Ende September oder Anfang Oktober erwarten wir die Urteile in diesem Prozess, der sich auch im Horizont der real existierenden freiheitlich-demokratischen Grundordnung getrost als Justizskandal bezeichnen lässt. Angefangen beim Vorenthalten von Beweismaterial und längst nicht beendet bei der Zusammenarbeit von Verfassungsschutz und Polizei - die Liste der Ungeheuerlichkeiten ist lang und beweist deutlich, dass von einem fairen Prozess keine Rede sein kann.

Um am Tag X, dem Tag der Urteilsverkündung, nicht der Justiz und den Medien die Deutungshoheit zu überlassen, rufen wir zu einem bundesweiten dezentralen Aktionstag auf. Wir wollen ein deutliches Zeichen setzen gegen die beständigen Verschärfungen der sozialen und politischen Verhältnisse in diesem Land, gegen die damit einhergehende Militarisierung nach Innen und Außen, gegen Kontrolle, Überwachung und Repression. Dass auch militanter Widerstand zwar nicht gesetzeskonform, aber notwendig und legitim sein kann, dass Militarismus ein gesellschaftliches Problem ist, dessen sich der Staat nicht durch seine Justizorgane entledigen kann, dies gilt es zu zeigen.

Wenn der Staat auf Aktionen, die sich gegen seine militaristische Politik richten, mit Repression reagiert, ist das unangenehm, aber wenig verwunderlich. Wichtig scheint es uns, sich darauf einzustellen und unsere politischen Taten und Aktionsformen dennoch völlig selbst zu bestimmen, ohne Schere im Kopf. Freiheit statt Angst, das Motto der heutigen Demo, kann noch eine ganz andere Bedeutung bekommen, wenn es uns besser gelingt, mit der unausweichlichen Repression einen angemessenen Umgang zu finden, möglichst kollektiv und solidarisch.

Je mehr sich die politischen und sozialen Verhältnisse zuspitzen, umso mehr muss der Staat versuchen, den Spielraum für jedweden Widerstand dagegen einzuschränken. Hier gilt es wachsam zu sein und auch auf Rechten zu bestehen, die uns manchmal längst verloren scheinen. In unserer zweijährigen Zeit als Einstellungsbündnis haben wir manche Rechtsverletzung angeprangert. In den Ermittlungsakten aller mg-Verfahren zeigt sich deutlich, wie wenig der Schutz von Persönlichkeitsrechten schon vor den letzten Gesetzesverschärfungen gezählt hat. Die jahrelange Dauerüberwachung von Post, Telefon und Internetverkehr sich immer weiter ausweitender Personenkreise, die willkürlich in phantastische Ermittlungskonstrukte von Geheimdiensten und Polizei einbezogen wurden, sind nur die Spitze des Eisberges. Wo immer wir als Einstellungsbündnis aufgetreten sind, hat die Dimension der Schnüffelei und Datensammelwut sowie das völlige Versagen der auch in der neuen Grundrechtsabbaurunde viel gepriesenen Gewaltenteilung Empörung und Wut ausgelöst. Daran gilt es anzuknüpfen und Bündnisse zu schmieden mit allen, die zu Recht und mit gutem Grund auf dem Schutz ihrer Privatsphäre bestehen.

Es ist mittlerweile fast eine Binsenweisheit, dass Überwachungskameras keine Raubüberfälle verhindern, dass Internetzensur nicht gegen Kinderpornographie hilft. Schon die eigenen Statistiken strafen die PropagandistInnen des Grundrechtabbaus lügen. Was für die Bekämpfung von Verbrechen so gut wie gar nicht hilft, beschneidet aber nicht nur unsere Grundrechte, sondern engt auch unseren Raum für Protest und Widerstand immer weiter ein. Je mehr sich die soziale Frage zuspitzt, desto mehr mutiert der einstige Sozialstaat zum Kontroll- und Überwachungsstaat.

Strafen wir die ÜberwachungsfanatikerInnen lügen! Wer Kontrolle und Repression sät, soll List und Widerstand ernten. So sehr ein überzogener Prozess wie der gegen Axel, Florian und Oliver die Angst vor Repression schüren soll, so wenig konnte er den aktuellen Aufwind für militanten Antimilitarismus verhindern. Es tut sich was im Antimiltarismus. Nach der Verhaftung von Axel, Florian und Oliver behaupteten die Anklagebehörden, das Anschlagsziel - also die Bundeswehr-Fahrzeuge auf dem Gelände der Rüstungsfirma MAN - sei typisch allein für die militante gruppe. Eine Vielzahl von Aktionen in den letzten beiden Jahren hat aber bewiesen, dass es auf das Thema aktive Abrüstung von unten kein Monopol einer Gruppe gibt. Ein Beispiel dafür sind brennende DHL-Transporter in mehreren Städten, da sich die Firma als Kriegslogistikerin der Bundeswehr andient. An Ostern 2009 rüstet die "Initiative für ein neues blaues Wunder" auf dem Gelände der Offiziersschule des Heeres in Dresden 42 Militärfahrzeuge aktiv ab und verursacht einen Sachschaden von über drei Millionen Euro. Kurz vor dem Natogipfel in Strassburg konnte die Polizei einen offensichtlich geplanten Brandanschlag auf ein Militärgelände bei Karlruhe nur knapp verhindern, bleibt aber trotz Großaufgebot erfolglos in der Fahndung nach den TäterInnen. Nicht verhindert werden konnten Brandanschläge auf Militärfahrzeuge in Ulm, Heilbronn, Berlin, Bremen und Burg bei Magdeburg.

Es gibt viel zu tun. Gegen den Überwachungswahn und gegen einen Staat, der immer mehr auf Repression und Kontrolle statt sozialen Ausgleich setzt. Der seine Knäste schon seit langem mit Menschen füllt, die ihre Tickets für den öffentlichen Nahverkehr nicht bezahlen können und neuerdings auch wieder die dazupackt, die für ihre Rechte auf die Straße gehen. Noch immer sitzen eine Reihe Menschen in Berliner Gefängnissen, die am ersten Mai ihrer Wut Luft gemacht haben sollen. Völlig offen gibt die Berliner Justiz zu, Alexandra nicht aus der U-Haft entlassen zu wollen, da an ihr ein Exempel gegen das allnächtliche Anzünden von Yuppie-Autos statuiert werden soll.

Freiheit statt Angst soll unsere trotzige Antwort auf alle diese Entwicklungen heißen. Break out of control unsere Handlungsmaxime. Wir lassen uns nicht einschüchtern und tragen weiter unseren Protest und Widerstand auf die Straße und in die Nacht. Heute, am Tag X und sowieso!


 

Grussbotschaft der 3 Angeklagten aus dem mg- Verfahren

 

Das bisschen Krieg....

Wir sind nicht im Krieg, sagt das Bundesverteidigungsministerium und verteilt gleichzeitig Tapferkeitsmedaillen und baut Ehrenmale. Die neue Heldenmentalität nimmt afghanische Tote in Kauf und versucht diese terroristische Politik zu legitimieren. Durch die Bombardierung zweier von den sogenannten Taliban entführter Tanklaster sind nach afghanischen Angaben über 90 Menschen umgekommen. Das regionale Aufbauteam der Bundeswehr in Kundus forderte die Kampfflugzeuge an. Im Krieg unterscheidet die Bundeswehr schon lange nicht mehr zwischen Kämpfern und Zivilisten in Afghanistan, wenn sie das Ziel verfolgt, die militärisch-soziale Kontrolle und den Zugriff auf ökonomische Ressourcen zu sichern, wie es weltweit ihr Auftrag ist. Im Orwellschen Neudeutsch nennt das Bundesverteidigungsministerium diese Kriegseinsätze "Robuste Stabilisierungseinsätze", vom Mandat des Bundestag getragen.

Währendessen sitzen wir und nicht die Kriegstreiber/innen seit über 50 Prozesstagen vor dem Kammergericht. Wir sind angeklagt wegen versuchter Brandstiftung an Bundeswehr-LKWs und wegen Mitgliedschaft in der mg (militante gruppe). Wir müssen einen Strafsenat ertragen, der keinerlei wirkliches Aufklärungsinteresse verfolgt, die Verteidigung behindert und uns nur verurteilen will. Die spekulative Arbeit des BKA und des BfV, die Überwachung und Ausforschung im Kontext des §129a wird legitimiert und geschützt. Die Bundesstaatsanwältin Greger sagte treffend, im Gegensatz zur Verteidigung hätten ihre Spekulationen über die sogenannten Straftatbestände Erfolg. Wir sind die Angeklagten. Dies nennt die Geschichte Klassenjustiz.

Das Ziel ist klar: Wir sind alle Terroristen oder zumindest Kriminelle!

Es geht im Prozess um die Sichtbarmachung von Staatsfeinden, um sie dann als kriminell zu verurteilen, um sie in Gefängnisse stecken zu können. Die Kenntlichmachung des Feindes erfolgt mit Hilfe der entsprechenden Paragraphen der Strafprozessordnung. Die Diener der Staatsräson wollen damit jegliche Konzepte zur Befreiung von Kapitalismus und Krieg delegitimieren. Wenn der Strafsenat versucht, uns für antimilitaristische Politik und sozial-revolutionäre Haltung zu bestrafen, richtet sich diese Anklage im Grunde genommen gegen alle linken Kräfte, die sich gegen einen Staat wenden, der für den sogenannten "Krieg gegen Terror" einerseits Krieg führt, tötet und foltert, andererseits viele Mittel gesellschaftlicher Auseinanderstzung vom Farbbeutelanschlag bis zum Strassenriot zur Gewalt erklärt und bestraft.

Widerstand ist und bleibt notwendig. Der globalisierte Kapitalismus wird selbst zum Krieg. Auf der einen Seite steht ein immenses wirtschaftliches, technisches und industrielles Potential, auf der anderen Seite geht die Umverteilung nach oben weiter, mit sozialen Kürzungen, Massenentlassungen, Armut. Dies alles trifft zuerst diejenigen, die sowieso an den sozialen Rand gedrängt sind. Diese gesellschaftlichen Entwicklungen werden durch einen Sicherheitswahn abgesichert, der heute im Zentrum der Kritik unserer Demonstration steht. Der neue Sicherheitsdiskurs benutzt die hergestellten Ängste und Gefahren, um ohne nennenswerten Widerstand "Überwachen Und Strafen" zu können. Alle werden verdächtig.

In den Knästen sitzen gerade wieder einige sogenannte Missetäter/innen der emanzipatorischen Linken. Die Strafe der Untersuchungshaft soll diejenigen einschüchtern, die mit der bezichtigten sogenannten Untat gar nichts zu tun haben. Aber es funktioniert nicht:

Denn die Solidarität ist unsere Antwort...

Sie bleibt für uns ein ganz grundlegender Wert, politisch und moralisch. Wir lassen uns nicht vereinzeln und demoralisieren. Wir organisieren uns weiter gegen den Kriegskapitalismus.

Deshalb arbeiten wir weiter an der Idee einer gewaltfreien Gesellschaft, ohne Klassen, ohne Rassismus und ohne patriarchale Strukturen.

Das Ende unserer Dienstfahrt ist noch lange nicht erreicht...


 

Redebeitrag von Anne Roth auf YouTube

 

Siehe auch: http://annalist.noblogs.org/post/2009/09/13/freiheit-statt-angst-die-red...

Tags: überwachung | demo