Mitteilung an die Presse im Fall Andrej H.

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Mitteilung an die Presse im Fall Andrej H.

Der Berliner Soziologe Andrej H. saß im August unter dem Verdacht der Mitgliedschaft in einer terroristischen Vereinigung (§ 129 a Abs. 2 Nr. 2 StGB) für drei Wochen in Untersuchungshaft. Danach wurde er von dem Vollzug der Untersuchungshaft verschont. In seinem am 24. Oktober veröffentlichten Beschluss hat der Bundesgerichtshof nun festgestellt, dass die Voraussetzungen für den Erlass eines Haftbefehls fehlten, die „aufgedeckten Indizien“ sprächen nicht hinreichend deutlich für eine Einbindung in die „militante gruppe“, sondern ließen sich ebenso gut in anderer Weise interpretieren. Es bestehe lediglich ein Anfangsverdacht.

Der RAV erklärt zu diesem Vorgang:

So erfreulich die Entscheidung des Bundesgerichtshofes ist, so erschreckend ist die Tatsache, dass Herr H. aufgrund eines „Anfangsverdachts“ drei Wochen in Haft gehalten wurde. Der „Anfangsverdacht“ ist gegeben, wenn die Möglichkeit einer strafbaren Handlung besteht. Ein Haftbefehl darf nur erlassen werden, wenn eine hohe Wahrscheinlichkeit der Täterschaft oder Teilnahme besteht („dringender Tatverdacht“).

Die das Verfahren betreibende Generalbundesanwältin Harms – immerhin seit 33 Jahren in der Justiz tätig und selbst sieben Jahre Vorsitzende am Bundesgerichtshof – behauptete Ende August angesichts der Presseveröffentlichungen (z.B. FR v. 31.8.2007 „Neun Worte – ein Terrorverdacht“), der Ermittlungsrichter beim Bundesgerichtshof erlasse keine Haftbefehle nur aufgrund von wissenschaftlichen Veröffentlichungen. Der Beschluss des BGH hat diese Behauptung widerlegt.

Das Erfassen des Unterschieds zwischen einem „Anfangsverdacht“ und einem „dringenden Verdacht“ gehört zu den einfachen Dingen der Rechtswissenschaft. Um den Verdacht gegen Herrn H. zu erhärten, wurde fast ein Jahr sein Telefon abgehört, sein Handy geortet, seine E-Mails gelesen und die Eingänge seines Wohnhauses gefilmt. Herausgekommen ist für den BGH ein „Anfangsverdacht“. Wenn gleichwohl mit dem schärfsten strafprozessual zur Verfügung stehenden Mittel vorgegangen worden ist, wenn – wie man jetzt sagen muss – der dringende Verdacht eine schlichte Erfindung des BKA und der Generalbundesanwaltschaft war, ist dies Willkür. Es ist die Konstruktion von Verdacht aufgrund der Gesinnung.

Der RAV sieht sich ferner zu folgendem Hinweis veranlasst:

Die Ermittlungen wurden im Fall Andrej H. vom Bundeskriminalamt geführt. Im Zuge der 2006 verabschiedeten „Föderalismusreform“ sind dem Bundeskriminalamt neue Kompetenzen bei der „Terrorismusbekämpfung“ zugewachsen (Art. 73 Abs.1 Ziff. 9a GG). Zur Ausgestaltung dieser Kompetenzen hat Bundesinnenminister Schäuble im Juli den „Entwurf eines Gesetzes zur Abwehr von Gefahren des Internationalen Terrorismus durch das BKA“ vorgelegt, der massiv gegen das 1949 von den Alliierten vorgegebene Trennungsgebot verstößt. Die strikte Trennung zwischen präventiver geheimdienstlicher und verfolgender Polizeitätigkeit ist eine Lehre aus der Zeit des deutschen Faschismus und soll verhindern, dass jemals wieder Menschen wegen eines vagen, unbewiesenen Verdachts der Geheimpolizei festgehalten und verfolgt werden.

Es drängt sich der Verdacht auf, dass im Fall Andrej H. - in Vorwegnahme der im Gesetzesentwurf neu definierten Begehrlichkeiten - genau dies passiert ist.

Berlin, den 25. Oktober 2007