Wir sind alle 129a
In den Monaten rund um den G8-Gipfel gab es nun die dritte Welle von Hausdurchsuchungen gegen Linke, die mit dem Gummiparagraphen 129 begründet werden. Wieder einmal ist das Eis dünn, auf dem der Vorwurf des Terrorismus konstruiert wird. Am 31.7. wurden Axel, Florian, Oliver und Andrej verhaftet, mit dem Hubschrauber nach Karlruhe geflogen und dort dem Haftrichter vorgeführt, nun sitzen sie in U-Haft in Moabit. Der Vorwurf, der die Haftbefehle rechfertigen soll, lautet Bildung einer terroristischen Vereinigung mit dem Namen „militante gruppe“. Drei der Beschuldigten seien auf frischer Tat beim Anzünden von Bundeswehrfahrzeugen auf dem Gelände der auch als Rüstungsfirma bekannten MAN-AG in Brandenburg erwischt worden, der vierte habe einen der drei anderen gekannt...
Seit Jahren sucht das BKA nach Mitgliedern der mg, die seit 2001 mit einer Reihe von militanten Aktionen Aufsehen erregen. Die Themen, nach denen die Angriffsziele bestimmt werden, sind unsere Themen: sozialer Angriff in Zeiten von Hartz IV, Ausbau des Kontroll- und Überwachungsstaates, die neoliberale Enteignung weltweiter Ressourcen und eng damit verbunden Krieg und Militarisierung. Zugegeben: Die von den GenossInnen der mg in der Interim ins Leben gerufene Militanzdebatte stockt und der Stil ihrer Erklärungen blieb vielen von uns fremd. Doch auch wenn der strategische Ansatz der mg als z.B. avantgardistisch kritisiert wird, so sind sie doch Teil unserer Bewegung der Bewegungen, die sich nicht zuletzt im solidarischen Streit um Ziele und Mittel konstituiert.
Es ist daher nicht nur juristisch absurd, sondern auch eine politische Dreistigkeit, wenn der Generalbundesanwalt die Haftbefehle damit begründet, der versuchte Brandanschlag weise "hinsichtlich des Anschlagsziels [...] eine Vielzahl von Parallelen zu Anschlägen der terroristischen Vereinigung militante gruppe (...) auf." Dass gerade die Bundeswehr und damit die Kriegspolitik der BRD, das Anschlagsziel in diesem Falle, von vielen als legitimes Aktionsziel gesehen wird, zeigen eine Reihe von Ereignissen der jüngsten Zeit: Die Aktionstage gegen Krieg und Militarisierung waren ein wichtiger Teil der Protestereignisse in Heiligendamm. Die Kampagne „Bundeswehr wegtreten!“ erfreut sich zunehmender Beliebtheit, in immer mehr Städten heißt es „Bundeswehr raus aus den Arbeitsämtern“, denn groß ist die Empörung, dass der wachsende soziale Druck zur Rekrutierung von SoldatInnen genutzt wird. Für den 15. September ist eine bundesweite Großdemo geplant, denn die Bundeswehr soll endlich raus aus Afghanistan!
Krieg dem Krieg nach innen und außen!
Auf diese Parole gibt’s kein Monopol, und das ist auch gut so. Auch der aktuelle Repressionsschlag zeigt, wie dringend wir sie im Gegenteil verbreitern und uns zu eigen machen müssen. Das Kriegführen draußen braucht die Mobilmachung nach innen. Das gilt besonders in einer Situation, in der die allabendliche Tagesschau mit Afghanistaneinsatz, Entführungsopfern und kaum vermittelbaren Kollateralschäden aufmacht. Reiner Zufall, dass diese Terrorhetze läuft, während die Bundesregierung mit ihrer Kriegspolitik ins Schlingern gerät?
Immer schneller geraten abweichende Meinungen unter Terrorverdacht. Die Logik der BAW ist so einfältig wie absurd wie gefährlich: Das Anschlagsthema, die Bundeswehr, sei besetzt von einer terroristischen Vereinigung, ebenso die Ausführung und die Tatzeit – um Himmels willen, es war Nacht. Juristisch haltlos, hanebüchen und eine deutliche Kampfansage des Schäubleschen Terrorstaates: Wir treffen wenige, doch gemeint seid ihr alle.
Auch die zweite juristische Begründungslinie für den Haftbefehl gegen den 4. Genossen – er habe in seinen wissenschaftlichen Texten Begriffe und Ausdrücke verwendet, die in Anschlagserklärungen der mg auftauchen, beinhaltet eine klare Botschaft: Kritische Köpfe, aufgepasst: Hütet euch davor, anderes als verwertbare Mainstreamwissenschaft zu produzieren. Als kriminelle, vielleicht auch gleich terroristische VordenkerInnen könnten ins Visier geraten, die sich auseinandersetzen mit Militarisierung und Gentrifizierung. Vielleicht auch mit Prekarität, Kolonialismus oder neoliberalen Think-Tanks, vielleicht auch mit globalen Betreuungsketten oder Imperialismus.
Wir hätten noch manch anderen Vorschlag, worüber dringend kritisch nachgedacht und gehandelt werden muss, gegen den Krieg nach innen und außen. Zunächst aber mal müssen Axel, Florian, Oliver und Andrej raus aus der U-Haft. Einen versuchten Brandanschlag als Terrorismus zu bezeichnen, die TäterInnen per Hubschrauber durch die Gegend zu fliegen, nur durch Trennscheiben mit ihren AnwältInnen sprechen zu lassen usw. ist gnadenlos überzogen.
Für einen breiten antimilitaristischen Widerstand!
Weg mit dem Paragraphen 129a!
Für eine Gesellschaft ohne Knäste, Kontroll- und Überwachungswahn!
Freiheit für Axel, Florian, Oliver und Andrej!
Kundgebung am 3.8., 18:00 vor der JVA Moabit