The Weather Underground

"Die Aneignung von linker Widerstandsgeschichte und ihre genaue Kenntnis stellt fuer uns die Voraussetzung dar, um zu einer (Neu)Definition revolutionaerer Politik zu gelangen" (mg)

Nachdem es nun schon einige Zeit ruhig geworden ist um die in der Interim und der Radikal geführte Militanzdebatte, wollen wir diese mit dem folgenden Beitrag wiederbeleben. Unser Papier knüpft dabei an das von der Militanten Gruppe (mg) angestoßene Geschichtsprojekt („Bewaffneter Kampf- Aufstand- Revolution bei den KlassikerInnen des Frühsozialismus, Kommunismus und Anarchismus“ und „(Stadt)Guerilla oder Miliz“) an. Ausdrücklich beziehen wollen wir uns auch auf die „Internationale Debatte“ vom Oktober 2007 (...)
In beiden Beiträgen ging es um die notwendige Klärung von Begrifflichkeiten sowie um die historische Darstellung von Konzepten der revolutionären Linken, angefangen bei Aufstandskonzepten der FrühsozialistInnen bis hin zu Guerillastrategien der Tupamaros u.a. .
In unserem Beitrag wird es um die konkrete Umsetzung einer Stadtguerillakonzeption in den Metropolen (USA, Europa, Japan), um die Darstellung einer authentischen Stadtguerillagruppe, deren Stärken und Grenzen gehen. Unser Fokus liegt dabei auf der organisatorischen - weniger auf der ideologisch-inhaltlichen - Entwicklung. Auch die Dialektik von Revolution und Konterrevolution findet wenig Beachtung. Dies hätte den Rahmen des Beitrages gesprengt und muss in weiteren Veröffentlichungen nachgeholt werden. Doch nun machen wir einen zeitlichen Sprung in die Sechziger und Siebziger des vorigen Jahrhunderts und begeben uns in die USA.
Die USA hat eine reichhaltige Geschichte revolutionärer Kämpfe, die auch bewaffnet geführt wurden. Angefangen bei den revolutionären Gewerkschaften im 19. Jahrhundert reicht sie bis zu den Stadtguerillakonzepten, die auch heute noch ihre Anwendung finden. Um eine dieser Guerillagruppen soll es im Folgenden gehen.
Die Stadtguerillaorganisationen der USA sind ähnlich wie in Europa vor dem Hintergrund des weltweiten Aufschwungs der revolutionären Bewegungen der Sechziger entstanden. Sie verstanden sich als Teil eben dieser internationalen revolutionären Bewegung.
Die Guerilla-Kräfte in den USA lassen sich grob in 2 Gruppen unterteilen (auch wenn es Mischformen wie die SLA gibt), die auf Grund ihrer ethnischen und sozialen Herkunft unterschiedliche Ansätze und Praxen hervorbrachten. Die eine Gruppe sind die „people of color“. Sie sahen ihre Aktionen unter dem moralischen Imperativ der ausgebeuteten Völker und betrachteten sich als Teil der so genannten „3. Welt“ im imperialistischen Mutterland selbst. (Auch heute noch eine interessante These für antirassistische Politik) So richteten sich ihre Aktionen hauptsächlich gegen den Unterdrückungsapparat. Die meisten Angriffe auf Knäste, Gerichte, Bullen u.ä. gehen auf ihr Konto. Die aktivste Gruppe dieser Fraktion war sicherlich die Black Liberation Army (BLA).
Die andere Gruppe setzt sich zum größten Teil aus weißen StudentInnen zusammen. Sie verstanden sich ähnlich der RAF als der bewaffnete Arm der vom Imperialismus ausgebeuteten Massen, welcher im „Herz der Bestie“ kämpft. Ihre Primärziele waren dementsprechend das Militär und die Wirtschaft. Die bedeutendste Gruppe dieser Fraktion war Weather, um die es im Folgenden gehen wird.

„Unser Ziel ist, einen Untergrund aufzubauen, eine klandestine politische Organisation, die den Kampf auf allen Ebenen führt, dem Einblick des Staates entzogen, eine Basis gegen die Repression.
Der einzige Weg zur Niederlage des Imperialismus und zur Herausbildung einer neuen menschlichen Gesellschaft ist der revolutionäre Krieg“ (Weather 1974)

Auch in den USA beginnt es in den sechziger Jahren zu brodeln. Besonders die untersten Schichten, das Proletariat und das Subproletariat, gerieten in Bewegung. Die Massenunruhen in den Ghettos der Farbigen, z.B. Watts 1965, waren explosive Ausdrücke davon. Die ethnischen Minderheiten, welche nicht nur die untersten Schichten der USA stellten und bis heute stellen, sondern darüber hinaus einer zusätzlichen rassistischen Diskriminierung ausgesetzt sind, nahmen in diesem Prozess die Vorreiterrolle ein. Sie begannen sich zu organisieren und offensiver für ihre Bedürfnisse und Rechte zu kämpfen. Dabei spielt die „Black Power Bewegung“ eine ganz besondere Rolle. Aus dieser entstand auch die erste revolutionäre Organisation neuen Typs in den USA, die für große Teile der revolutionären Linken zum direkten Vorbild werden sollte. In Folge der Kämpfe der „Black Panther Party“ entstanden eine Vielzahl von revolutionären Organisationen der verschiedenen Ethnien, welche ihre Politik zunehmend auf eine antiimperialistische und sozialrevolutionäre Grundlage stellten.
Vor dem Hintergrund der Erstarkung der sozialen Kämpfe ethnischer Minderheiten, sowie dem Vormarsch der revolutionären Bewegung, entwickelte sich zusätzlich eine dynamische StudentInnenbewegung, die wiederum etliche revolutionäre Gruppen hervorbrachte. 1968 erlebte diese vielfältige „Neue Linke“, welche sich hauptsächlich um den (US-)SDS gruppierte, neuen Zuwachs und radikalisierte sich stark. Hintergrund dieser Entwicklung war der Vietnamkrieg und die Einschätzung der Entstehung eines (US-)“Neuen Faschismus“ (Ruf nach Law and Order, immer brutalere Übergriffe und Repression gegen die schwarze Bürgerrechtsbewegung ...). Immer größere Teile des SDS, wie der Neuen Linken im Allgemeinen, verstanden sich zunehmend als revolutionäre Bewegung und entwickelten Vorstellungen von Gegenmacht. Konkret bedeutete dies, dass der Kapitalismus/ Imperialismus nicht reformierbar ist. Dass es ganz im Gegenteil darauf ankommt, das System als Ganzes umzuwälzen und das es nötig ist vom Protest zum Widerstand zu kommen.
Am 18. Juni 1969 fand in Chicago ein nationaler Kongress des SDS statt. Neben den Diskussionen um schwarzen Nationalismus, der Frage der (weißen) ArbeiterInnenklasse und Imperialismus (welche zur Spaltung des SDS führten), intensivierte sich schon zu dieser Zeit die Auseinandersetzung um die Möglichkeit des bewaffneten Kampfes in den USA. Im Mittelpunkt der Diskussionen in Chicago stand ein Papier mit dem Titel „you don’t need a weatherman to know which way the wind blows“. Dieses Dokument kann als Gründungspapier von Weather (Anfangs noch Weatherman) betrachtet werden. Das Papier war eine Aufforderung an die (weiße) Neue Linke eine antiimperialistische und antirassistische Widerstandsbewegung aufzubauen, die den Kampf der „people of color“ in den USA, sowie die weltweiten nationalen Befreiungsbewegungen unterstützt und sich mit diesen verbündet. Der US- Imperialismus sollte von innen zerschlagen und an seine Stelle der Sozialismus aufgebaut werden. Weather betrachtete die Ghettos der „people of color“ (vor allem die schwarzen Communities) als Kolonien innerhalb der USA, was sich weitgehend mit den Positionen der Black Panther deckte. Dementsprechend betrachtete Weather die weiße ArbeiterInnenklasse lange als rassistisch, militaristisch und somit als Feind der antiimperialistischen Sache. Hoffnungen setzten sie diesbezüglich ausschließlich auf die Jugend(-bewegung).
Auf dem Kongress in Chicago entstand Weather als Organisation. Die erste größere Aktion sollte die Beteiligung an einer auf der Konferenz beschlossenen Protestwoche im Herbst (69) in Chicago werden. Die von Weather unter dem Label „Tage des Zorn“ initiierte Mobilisierung schöpfte die Organisation voll aus. Angestrebt wurden breite (massen-) militante Kämpfe und die Gruppe erwartete mehrere Tausend Jugendliche in Chicago, die sich mit den Repressionsorganen massive Auseinandersetzungen liefern würden. Dementsprechend propagierte Weather offensiv militante Aktionsformen. Die lokalen Kollektive organisierten Trainings von Straßenkampf, Selbstverteidigung, Erste Hilfe u.ä. und beschafften Schutzbekleidungen (z.B. Polster, Helme).
Von 1969 bis Anfang 1970 kann mensch Weather als (halb-)legale Gruppe betrachten. Sie war immer noch im SDS (dominierte diesen sogar), organisierte und beteiligte sich an Massenaktionen (Demos u.ä.), wenn auch schon auf (massen-)militanter Ebene. Strukturiert war Weather zu diesem Zeitpunkt in ein „Leitungsbüro“, welches die politischen Richtlinien erarbeitete, und in lokale Kollektive. Zur Propagierung der eigenen Linie wurde die Zeitschrift „Fire!“ herausgegeben. Mensch könnte Weather zu dieser Zeit durchaus als milizähnliches Modell erfassen. Ein fester Bestandteil der legalen Bewegung, welcher die gesetzlichen Grenzen bewusst übertritt und damit bestimmte Aufgaben übernimmt. Lokale Kollektive existierten in New York, Boston, Seattle, in der San Francisco Bay-Area, sowie in dutzend weiteren Städten und Universitätsstandorten.
Schon vor den „Tagen des Zorn“ spitzte sich die Konfrontation zwischen der Gruppe und den Bullen zu. So beschossen die Cops in Seattle Fahrzeuge von Weather mit dem Ziel der Einschüchterung. Die Organisation reagierte wiederum mit der Verwüstung von Büros an der Uni, in denen Cops untergebracht waren.
Zu den „Tagen des Zorn“ kamen dann nur einige Hundert (ca. 1000) AktivistInnen. Dennoch kam es am ersten Tag zu so heftigen, stundenlangen Straßenschlachten, dass die Bullen Schusswaffen einsetzen „mussten“. Und auch in den Folgetagen entstanden immer wieder kleinere Scharmützel.
Schon in der Aktionswoche entwickelte sich in den Diskussionen unter den Weather-AktivistInnen erste Selbstkritik, welche die offenen Auseinandersetzungen mit völlig überlegenen Bullenkräften thematisierte. Erstmals wurde über die so genannte „Tupamaro-Linie“, also eine klassische Stadtguerillakonzeption (siehe dazu „(Stadt)Guerilla oder Miliz“ von mg, „Internationale Debatte“ Abschnitt „Stadtguerilla: Strategie oder Taktik“) nachgedacht, wenn diese auch vorerst verworfen wurde.
Die „Tage des Zorn“ wurden trotz aller Kritik als positiv gewertet. Neben den beträchtlichen materiellen Schaden, sei es Weather gelungen sich zu einer relativ starken Widerstandsgruppe zu entwickeln, die durch die Erfahrungen in Chicago an Schlagkraft gewonnen hat. Es sei ein fester Kader- Kern entstanden, mit einer hohen Bereitschaft zu selbstlosen Engagement.
Nach der Aktionswoche erhöhten die Repressionsorgane den Druck auf die Organisation. Durch Dauerobservationen, Kriminalisierung mit zum Teil fingierten Anklagen und das Überziehen der AktivistInnen mit Prozessen sollten weitere Aktivitäten der Gruppe unterbunden werden. Doch auch die Weather- Kollektive radikalisierten sich und die eigenen Aktionsformen. Sie vertraten den Standpunkt, dass eine revolutionäre Umwälzung nur gewaltsam möglich ist und es die Aufgabe der revolutionären Linken wäre, diese zu organisieren. Es gehe nicht mehr darum zu zeigen, dass mensch auf der richtigen Seite steht, sondern darum das Gewaltmonopol des Staates zu brechen, die Macht militärisch zu erobern. Mit dieser Meinung stand Weather nicht alleine da, revolutionäre Gewalt wurde zu dieser Zeit breit in der radikalen Linken diskutiert.

Der Weg in den Untergrund

Ende 1969 mobilisierte Weather zu einem treffen in Flint, dem so genannten „Kriegsrat“, um dort über gemeinsame Perspektiven, sowie theoretische und praktische Stoßrichtungen zu diskutieren. Hervorgehoben wurde die Notwendigkeit und Möglichkeit des bewaffneten Kampfes in den USA. Am Ende des Treffens stand für Weather die Entscheidung in den Untergrund zu gehen.
In der Folgezeit unternahm Weather die notwendigen Schritte in die Illegalität und begann mit der „bewaffneten Propaganda“. Das Weatherbuereau (nationale Leitung) organisierte Treffen mit den lokalen Weather- Kollektiven, um zu klären, welche MitgliederInnen für den Untergrund geeignet sind (den Übrigen wurde nahe gelegt die Organisation zu verlassen). Von den ehemals mehreren Hundert blieben 100- 200 (unterschiedliche Angaben).
Kontakte zu FreundInnen und Familie wurden abgebrochen und die Kollektive in Zellen umstrukturiert. Die politischen Ziele wurden von einer zentralisierten Leitung (Weatherbuereau) umrissen. Die Zellen sollten autonom vor Ort agieren, wobei die AktivistInnen nur Informationen über die eigene Zelle haben sollten (zum Schutz vor Unterwanderung). Dieser Umstrukturierungsprozess war bis Februar 1970 abgeschlossen.
„Weather“ verstand sich nun als Kern einer aufzubauenden revolutionären Armee. Orientiert wurde sich an der Fokus-Theorie (siehe dazu „Internationale Debatte“ Abschnitt „Focustheorie“), welche die bewaffneten Kräfte zum Kern der revolutionären Strategie macht, den sich alle Formen des revolutionären Kampfes unterzuordnen haben. Natürlich isolierte sich „Weather“ mit dieser avantgardistischen Haltung von weiten Teilen der Linken.
Am 6. März 1970 explodierte eine Bombe ungewollt in einer konspirativen Wohnung in New York und tötete 3 Mitglieder von „Weather“ sofort. 2 entkamen verletzt. Als die Polizei die Leichen identifizierte war sie alarmiert, denn viele „Weather“-Mitglieder waren ihnen bekannt, jedoch befand sich die gesamte Organisation zu diesem Zeitpunkt schon im Untergrund. Auf der Liste der 10 meistgesuchten Personen des FBI (von 1970) befanden sich allein 6 „Weather“ AktivistInnen. Zu diesem Zeitpunkt fahndet das FBI nach 18 Personen im Zusammenhang mit Aktionen von „Weather“.
Im ersten Jahr der Illegalität (1970) konzentrierte Weather die Angriffe auf Strukturen des Militärs und der Verfolgungsbehörden als Reaktion auf die militärische Zuspitzung im Vietnam-Krieg (Bombardierung Kambodscha) und die Faschisierung in den USA. Die inhaltliche Bestimmung der Aktionen sollte den Zusammenhang zwischen Repression gegen die schwarze Befreiungsbewegung vor Ort, der Faschisierung der US-Gesellschaft und den weltweiten antiimperialistischen Kämpfen thematisieren.
Ende Mai griff „Weather“ das Hauptquartier der Nationalgarde in Washington D.C. mit Sprengsätzen an. Am 9. Juni explodieren im 2. Stock des New Yorker Polizeihauptquartier Sprengsätze. Am 26. Juli erfolgt ein Angriff auf die „Presidio Army Base“ in San Francisco. Im September leistet „Weather“ Fluchthilfe für einen Gefangenen. Im Oktober attackiert die Organisation mehrere Gerichtsgebäude in Marin Country, Chicago, Cambridge und Long Island. Die konsequente Praxis erzeugte einige Sympathie und Unterstützung in vielen Teilen der radikalen Linken, was sich in dem zur Verfügung stellen von Verstecken, Geld und Papieren, im Abdruck von Kommuniques der Organisation in der linken Lokalpresse, im Tragen von „Soli-Transpis“ auf Demos und Kundgebungen und vielem mehr äußerte.
Im Dezember 1970 erfolgte mit dem Kommunique „New Morning“ eine selbstkritische Reflexion der bisherigen Praxis durch „Weather“. Das Papier beschäftigte sich unter anderem mit der Frauenfrage, welche in der zukünftigen Politik mehr Gewicht bekommen sollte und thematisierte die Rolle der „Gegenkultur“ wieder mehr. Darüber hinaus stellte „Weather“ die Strukturen von Zellen auf so genannte „Families“ um. Diese sollten eine Vertiefung kollektiver Lebensformen innerhalb der Organisation gewährleisten.
Ein weiteres Ergebnis war das Infragestellen der avantgardistischen Fokus-Theorie und ein Anerkennen der Wichtigkeit auch anderer Aktionsformen. Auf Grund dieser veränderten Linie und Praxis der Organisation kam es ab 1971 zu einer weiteren (Wieder-) Annäherung weiter Teile der radikalen Linken.
Auch 1971 konzentriert „Weather“ die militanten Angriffe auf Institutionen des Militärs und der Repressionsorgane. Im März explodieren mehrere Sprengkörper im Capitol in Washington D.C. . „Weather“ reagierte damit auf die Bombardierung Laos durch die U.S. Luftwaffe. Ende August griff die Organisation mehrere Gebäude der Gefängnisverwaltung in Kalifornien an. Hintergrund war die Ermordung des gefangenen Revolutionärs und Panther-Aktivisten George Jackson.
Ende September erfolgten Angriffe auf Büros des Polizeipräsidenten in Albany (New York) und Ende Oktober auf das Büro des Vietnam-Strategen George Bundy.
Im Jahr 1972 beschränkte sich Weathers militärische Aktivität auf eine Aktion, die eine der wirksamsten ihrer Geschichte werden sollte. Am 19. Mai 1972 (Ho Chi Mins Geburtstag) detonierte auf dem Flügel der Luftwaffe des Pentagon auf einer Damentoilette im 4. Stock ein Sprengsatz. Diese verwüstete die Toilettenanlage, riss ein 10 m großes Loch, zerstörte Scheiben und das Abflusssystem. Das ausströmende Wasser legte Rechner im ersten Stock lahm, welche an das globale Kommunikationsnetzwerks des Militärs angeschlossen waren. Weather hatte das Herz der Kriegsmaschine getroffen. Diese Aktion, die als ein Beitrag zu den breiten Aktivitäten der Antikriegsbewegung gegen die Bombardierung Nord-Vietnams gedacht war, wurde von dieser überwiegend sehr positiv aufgenommen.
Zwischen dem Angriff auf das Pentagon im Mai 72 und der nächst größeren Aktion im September 73 (Angriff auf ITT, gegen deren Beteiligung am Putsch in Chile) setzt bei Weather erneut eine Phase der Selbstreflexion und politisch-inhaltlichen Neubestimmung ein.

Vom Avantgarde-Konzept zur widerstandsebenenübergreifenden Organisierung

Nach über 12 Monaten intensiver Diskussionen verbreitete die Organisation 1974 ein 188 Seiten starkes „Buch“ mit dem Titel „Prairie Fire: The Politics Of Revolutionary Antiimperialism“ in einer Auflage von 40.000 Exemplaren. In dem Buch setzt sich Weather selbstkritisch mit der eigenen Geschichte auseinander. Analysiert wird auch die us-amerikanische Linke und die globalen Entwicklungen. Es wurde versucht eine Perspektive für die Siebziger und konkrete Pläne für die nahe Zukunft zu formulieren. Die Organisation öffnete sich zunehmend marxistisch-leninistischen Theorien und sozialrevolutionären Ansätzen, was zu einer Orientierung auch an den Kämpfen der Arbeiterklasse in den USA führte. Weather gelangte darüber hinaus zu der Einsicht, dass eine Untergrundarmee nicht ohne die Unterstützung der Massen auskommt und gab ihre Orientierung an der Fokus-Theorie endgültig auf. Eine Massenorganisation müsse aufgebaut werden. Es gehe um das Entwickeln einer Gesamtstrategie, welche die (offenen) Massenkämpfe mit den (verdeckten) militanten / bewaffneten Kämpfen verbindet. Beide Ebenen sind dabei als gleichwertig zu betrachten. Weather selbst sollte dabei weiterhin bewaffnet agieren, um das Volk auf kommende Kämpfe vorzubereiten.
Zum Zeitpunkt des Erscheinens von „Prairie Fire“ befand sich die US- Linke schon im Zerfallsprozess und auch Weather verfügte nur noch über ca. 50 AktivistInnen. Dennoch wurde das Buch in weiten Teilen der revolutionären Linken als richtungweisend aufgenommen.
Nach der Veröffentlichung von „Prairie Fire“ begann Weather mit dem zielstrebigen Aufbau einer legalen Unterstützungsstruktur, dem „Prairie Fire Organizing Committee“ (PFOC) und nahm auch die militärischen Aktivitäten, auf sozialrevolutionärer und antiimperialistischer Grundlage wieder auf.
Im Jahr 1974 erfolgten Angriffe auf „Gulf Oil“ in Pittsburgh zur Unterstützung des antiimperialistischen Befreiungskampf in Angola, sowie auf das Ministerium für Gesundheit, Erziehung und Soziales durch eine „womans brigade“ der Organisation, mit dem Ziel auf die Armut in den USA hinzuweisen. Am 23. Januar 1975 griff die Organisation Büros des Außenministeriums in Washington D.C. und des Verteidigungsministerium in Oakland an. Das Kommunique endet mit der Aufforderung an die Regierung die Friedensverträge mit Vietnam endlich zu befolgen.
Am 16. Juni 1975 wurde die „Banco de Ponce“ im Rockefellercenter in New York mit Sprengsätzen flambiert. Die Bank trug direkte Verantwortung an der Armut in Puerto Rico. Darüber hinaus sollte mit der Aktion ein Streik von Bauarbeitern in den USA unterstützt werden, an deren Firma die Bank Anteile hatte. Am 10. Oktober erfolgte eine Attacke mit Sprengsätzen auf den Hauptsitz von „Kennwcott Corporation“ in Salt Lake City, wegen deren Beteiligung am Putsch in Chile.
Das Jahr 1976 sollte ganz im Zeichen des Versuches stehen, die (Reste der) revolutionäre Linke zu organisieren. Das PFOC organisierte zusammen mit „Puerto Rican Socialist Party“, „United Black Workers“, „Youth against war and fascism“, „CASA“ (mexikanische Arbeiterorganisation) und anderen kleineren linken Gruppe Anfang 1976 die Hardtimes- Konferenz. Zwar besuchten 4000- 5000 TeilnehmerInnen die Konferenz, der vom PFOC angestrebte Aufbau einer nationalen Struktur misslang jedoch. Viel mehr kam es während der Konferenz zwischen den Mitorganisatoren zum Bruch.
In der Folgezeit (1976) kam es innerhalb von Weather und dem PFOC zur Spaltung. Auf der einen Seite stand das „Central Committee“ (PFOC New York), welches sich an einer sozialrevolutionären Linie orientierte und Reformen auf dem Weg zur Revolution nicht ablehnte. Dieser Teil von Weather hört schon bald auf zu existieren. Auf der anderen Seite stand das „Revolutionary Committee“ (PFOC – Bay Area), das sich wieder auf die ursprüngliche antiimperialistische und antirassistische Linie berief und Reformen strikt ablehnte. Diese Strömung nannte sich fortan „Weather Underground Organisation“ (WUO). Obwohl die WUO auf einen kleinen Kern von nicht mehr als 15 AktivistInnen zusammengeschrumpft war, nahm sie die militärische Aktivität 1977 erneut auf. Am 2. Februar erfolgte ein Angriff auf Büros des „Immigration and Naturalization Service“, mit dem auf die Ausbeutung und Unterdrückung von MigrantInnen in den USA aufmerksam gemacht werden sollte. Im Sommer erfolgte ein Angriff auf die Büros des kalifornischen Senators Briggs, wegen seiner rassistischen und reaktionären Politik.
Die Festnahme von 5 Kadern der WUO im November 1977 markiert das endgültige Aus von Weather. Ende der Siebziger und im Verlauf der Achtziger stellten sich viele der Illegalen, andere wurden verhaftet. Ein kleiner Teil gründete oder beteiligte sich an neuen Gruppen, die allerdings nicht die Bedeutung von Weather erlangten. Wieder andere unterstützten die Black Liberation Army (BLA).
PFOC entwickelte eine eigene, von Weather unabhängige Identität und Praxis, gab die Zeitschrift „Breakthrough“ heraus und arbeitete bis in die Neunziger weiter. Die letzte Ausgabe der Zeitschrift erschien 1991.

Abschließend

Fassen wir noch einmal grob die Entwicklung der Organisation zusammen und versuchen, wenn auch nur oberflächlich, einige Schlüsse zu ziehen. In weiteren Veröffentlichungen werden wir diese vertiefen. Durch die Beschäftigung mit weiteren Stadtguerilla-Gruppen sollen darüber hinaus Parallelen in deren Entwicklung aufgezeigt und sich wiederholende Erfahrungen verallgemeinert werden.
Weather durchlief in der eigenen Geschichte mehrere (Entwicklungs-) Phasen. Die erste Phase (von 69 bis Anfang 70) ist dabei eine Ausnahme in der Geschichte von Stadtguerilla-Gruppen, in dem Sinne, dass Weather am Anfang als (halb-) legale Organisation auftrat und der Weg in die Klandestinität erst in einer 2. Phase erfolgte. Dies hatte sicherlich den Vorteil die Linke (und Teile der Bevölkerung) schon vor der Aufnahme des bewaffneten Kampfes mit der eigenen politisch-ideologischen Linie bekannt zu machen. Der große Nachteil allerdings ist, dass viele AktivistInnen den Repressionsbehörden bekannt waren und dies die Arbeit im Untergrund natürlich enorm erschwerte.
Die 2. Phase könnte mensch als Phase der „Propaganda der Tat“ bezeichnen, welche von 1970 bis 74/75 andauerte und 2 Etappen durchlief. Eine Etappe mit dem Beginn der bewaffneten Aktionen, der eine weitere folgte (Ende 70), gekennzeichnet durch Selbstreflexion („New Morning“ Erklärung) und Weiterentwicklung der eigenen Praxis. Diese Phase der „Propaganda der Tat erzielte folgende Ergebnisse:
Weather zeigte auf, dass bewaffneter Widerstand auch in den USA, „Im Herzen der Bestie“, möglich ist, dass das System eben nicht allmächtig, sondern angreifbar ist. Die konsequente Praxis erzeugte Sympathien im radikalsten Teil der Linken und in weiten Teilen der (farbigen) Klasse. Dabei konnte Weather bei einigen Aktionen die Ebene der Symbolik überwinden und z.B. den reibungslosen Ablauf der Kriegsmaschinerie konkret behindern.

Die dritte und letzte Phase der Organisation war gekennzeichnet durch den Versuch der organisatorischen Festigung. Ausgangspunkt war das Papier „Prairie Fire: The Politics Of Revolutionary Antiimperialism“, welches eine Reflektion der bisherigen Politik beinhaltete. Ein zu militärisches Denken und das Vernachlässigen der eigenen politischen und organisatorischen Entwicklung wurde darin heftig kritisiert. Die Fokus-Theorie wurde endgültig fallen gelassen und die Gleichwertigkeit der verschiedenen Aktionsformen anerkannt. Eine Interaktion mit der legalen Linken und ein Wirken in die Masse sollte gewährleistet sein. Angestrebt wurde ein widerstandsebenenübergreifenden Netz, welches eine Gesamtstrategie auf antiimperialistischer und sozialrevolutionärer Grundlage umsetzen sollte. Zu diesem Zweck baute Weather auch eigene legale (Unterstützungs-) Strukturen auf.
Zu einer Umsetzung dieser Weiterentwicklung kam es dann leider kaum noch. Die Organisation spaltete sich, was für (Stadt-)Guerilla-Gruppen in vielen Fällen das Ende bedeutet. Die Reste der Organisation wurden schon bald zerschlagen.
Wir hoffen wir konnten mit unserem Beitrag dem anvisierten Geschichtsprojekt neuen Schwung einhauchen. Wir werden uns mit weiteren Beiträgen zu Wort melden.

Aus der Geschichte lernen, heißt Siegen lernen!
Für einen revolutionären Aufbauprozess!
Für den Kommunismus!

Revolutionäre Linke [RL]

Quelle: radikal 161, Sommer 2009, Seite 23-27
http://home.arcor.de/radi161/texte/weather.html

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