Interview mit der Juso-Vorsitzenden: "Ich kritisiere die Gleichmacherei"
Franziska Drohsel wehrt sich gegen die Gleichsetzung von Rechts- und Linksextremismus: Der eine spricht Menschen das Recht auf Leben ab, der andere strebt nach freiem Leben.
taz: Frau Drohsel, finden Sie etwas sympathisch an Schwarzgelb?
Franziska Drohsel: Nee. Ich möchte, dass es eine linke Mehrheit im Parlament gibt und eine progressive Regierung. Ich bin der Meinung, dass es für die Gesellschaft katastrophale Konsequenzen hat, wenn so eine konservative Regierung die Gesellschaft gestaltet.
Wünschen Sie der Regierung, dass sie möglichst viele Fehler macht und dadurch die Legislaturperiode vorzeitig beendet wird?
Natürlich fände ich es gut, wenn diese Regierung frühzeitig zum Beenden gezwungen wird und es eine andere Mehrheit gibt.
Das Kabinett steht. Sehen Sie krasse Fehlbesetzungen?
Das sind alles Menschen, die politische Positionen vertreten, die ich nicht richtig finde.
Wird Schwarz-Gelb die Leute öfter auf die Straße treiben?
Ich gehe davon aus, dass Schwarz-Gelb eine Politik machen wird, die die soziale Spaltung verstärkt. Und ich hoffe, dass es da Gegenwehr gibt.
Wann waren Sie das letzte Mal auf einer Demo?
Natürlich war ich auf der Anti-Atomkraft-Demo. Und bei der mg-Soli-Demo.
Wie bitte, Sie waren auf einer Solidaritätsveranstaltung für die linksradikale "militante gruppe"?
Ja, ich finde es juristisch nicht okay, wie das Verfahren gelaufen ist. Darauf möchte ich öffentlich aufmerksam machen.
Haben Demonstrationen denn überhaupt noch einen Sinn?
Auf jeden Fall ist Demonstrieren sinnvoll. Einmal habe ich die Möglichkeit, mit vielen anderen Menschen auf ein Anliegen aufmerksam zumachen. Außerdem kann man auch Blockaden organisieren, zum Beispiel von Nazi-Aufmärschen. Und so etwas wie Heiligendamm war in vielerlei Hinsicht eine großartige, kreative Aktion.
Gilt das auch für Flashmobs?
Flashmobs finde ich grundsätzlich auch gut. Das ist eine sehr spontane Demonstrationsform.
Wo sind für Sie die Grenzen des Protestes?
Die Grenze in dieser Gesellschaft ist das Strafgesetzbuch. In dem Moment, in dem du dagegen verstößt, machst du dich strafbar und kassierst ein Verfahren.
Sollte man das nicht manchmal in Kauf nehmen?
Dass Legalität und Legitimität nicht immer übereinstimmen müssen, kann man aus unserer Geschichte lernen. Das Verhältnis von Freiheit und Sicherheit ist ein schwieriges. Natürlich sind Regeln für gesellschaftliches Zusammenleben notwendig, aber manche würde ich hier deutlich kritisieren. Gerade den Paragraf 129a finde ich problematisch. Er hat dazu geführt, dass linke Strukturen ausspioniert und eingeschüchtert wurden. Ich finde es ebenfalls problematisch, wie das Verfahren gegen die "militante gruppe" gelaufen ist. Ich bin gespannt, was die Revision ergeben wird.
Die Bundesregierung will die Fördermittel für den Kampf gegen rechts auch gegen links einsetzen. Gibt es einen Unterschied zwischen Links- und Rechtsextremismus?
2005 hat die SPD dieselben Pläne in der großen Koalition verhindert. Eine Zusammenlegung der Mittel würde bedeuten, dass man Geld aus Anti-rechts-Programmen rauszieht und stattdessen gegen linke Strukturen verwendet. Ich kritisiere die Gleichmacherei. Rechtsextremismus spricht Menschen das Recht auf Leben ab. Grundlage linker Politik ist das Streben nach einem freien und selbstbestimmten Leben für alle.
Das Interview führten Philipp Schossau, Feras Al-Hasaki, Luisa Klauser und Ernesto Loll, vier Teilnehmer der taz-Akademie für Nachwuchsjournalisten.