Geheimdienst bleibt inkognito
Im Verfahren gegen die »militante gruppe« lehnt Gericht Vernehmung von Mitarbeitern des Verfassungsschutzes ab
Im Strafverfahren gegen drei Berliner Linke, denen versuchte Brandstiftung sowie die Mitgliedschaft in der »militanten gruppe« (mg) vorgeworfen wird, hat das Gericht am Donnerstag weitere Beweisanträge der Verteidiger abgelehnt. Damit folgten die fünf Richter am Berliner Kammergericht einer Stellungnahme der Bundesanwaltschaft (BAW). Die Anklagebehörde wirft Oliver R., Axel H. und Florian L. vor, am 31. Juli 2007 versucht zu haben, auf einem Gelände der Firma MAN in Brandenburg (Havel) mehrere Bundeswehrfahrzeuge anzuzünden. Außerdem sollen die drei der »mg« angehören, der etwa 30 Anschläge auf öffentliche Einrichtungen und private Firmen zugerechnet werden und die deshalb als »kriminelle Vereinigung« gilt.
Im Falle des Anschlags auf die Armeefahrzeuge sprechen bislang lediglich Indizien gegen die Angeklagten. Der zweite Vorwurf, die Zugehörigkeit zur »mg«, basiert unter anderem auf den Aussagen eines V-Manns, den das Bundesamt für Verfassungsschutz (BfV) ins Umfeld der Angeklagten eingeschleust haben will. Doch der – das mußte der Nachrichtendienst später einräumen – bezog seine Einschätzungen nur »vom Hörensagen«.
Die Verteidiger wollten nun zwei weitere Verfassungsschützer als Zeugen laden lassen. Die hatten seit 1995 Bekennerschreiben zu mehreren Anschlägen ausgewertet und konstatiert, daß sämtliche Aktionen auf das Konto von ein und derselben Gruppe gehen. Doch die unter den Decknamen »Ochsenbrücher« und »Ganser« agierenden BfV-Mitarbeiter verfügten über keine sprachwissenschaftliche Ausbildung, die ihnen ein qualifiziertes Urteil erlaube, so der Vorwurf der Rechtsanwälte. Linguistische Gutachten vom Bundeskriminalamt (BKA) seien teilweise zu vollkommen anderen Ergebnissen gelangt. Zudem werfen die Strafverteidiger dem Geheimdienst vor, ein Treffen ehemaliger taz-Mitarbeiter im März 2000 gezielt zu einem konspirativen »Runden Tisch der Militanten« stilisiert zu haben. Der Verfassungsschutz, so die Anwälte, nutzte die »mg« als Vorwand, um dem BKA einen Anlaß zur Ausforschung der linken Szene zu liefern.
Als »grenzwertige Thesen zur Arbeit der Behörden« bezeichnete Bundesstaatsanwalt Jochen Weingarten diese Argumentation. Das Verfahren beruhe nicht auf Erkenntnissen des BfV, sondern auf »erheblichen Indizien«, so Weingarten. Dem folgte auch der Vorsitzende Richter. »Die Anträge sind ohne Bedeutung«, begründete Josef Hoch am gestrigen 54. Verhandlungstag die Ablehnung. Drei weitere Anträge der Verteidigung wies das Gericht ebenfalls ab. So wird dem BfV-Präsidenten Heinz Fromm eine Zeugenaussage ebenso erspart bleiben wie BKA-Chef Jörg Ziercke und der Leiterin des Berliner Landesamtes für Verfassungsschutz, Claudia Schmid. Richter Hoch sicherte lediglich zu, sogenannte Behördenzeugnisse – also amtliche Mitteilungen über bestimmte Erkenntnisse – bei den drei Institutionen anzufordern.
Offen blieb weiterhin, wie die Bundesanwaltschaft die neueste Erklärung der »mg« bewertet. In einem am 7. Juli im Szeneblatt Radikal veröffentlichten Schreiben hatte die linksradikale Gruppe aufgrund interner Querelen ihre Auflösung angekündigt und gleichzeitig bestritten, daß die drei Angeklagten zu ihrer Truppe gehörten (siehe jW vom 8.Juli). Am 2. September wird das Verfahren fortgesetzt.