Verfassungsschutz zum Prozess, zur Soli-Arbeit und zur mg

Sechs Auszüge aus dem Verfassungsschutzbericht 2008 des Landes Berlin (erschienen im Mai 2009):

(1) Seite 89: "Im September begann der Prozess beim Berliner Kammergericht gegen drei mutmaßliche Mitglieder der „militanten gruppe“ (mg), die im Sommer 2007 festgenommen worden waren. Gegen sie wird wegen Bildung einer kriminellen Vereinigung ermittelt. Bis zur Inhaftierung der drei Angeklagten hatte sich die mg des Verübens von insgesamt 25 Brandanschlägen im Raum Berlin bezichtigt. Im Zusammenhang mit der Inhaftierung bildete sich eine von extremistischen und nicht-extremistischen Gruppierungen getragene Solidaritätsbewegung. Seit den Festnahmen gab es keinen weiteren Anschlag der mg und keine Wiederaufnahme der seit acht Jahren in der linksextremistischen Szene geführten Militanzdebatte."

(2) Seite 87: "Die Fallzahlen im Deliktbereich Terrorismus für das Jahr 2006 enthalten acht Anschläge der „militanten gruppe“ (mg). Nach dem Urteil des BGH vom 28.11.2007 (Az.: BGH StB 43/07), nachdem die mg nicht als terroristische sondern als kriminelle Vereinigung zu betrachten ist, wurden ihre Anschläge im Jahr 2008 nicht mehr zum Deliktbereich Terrorismus gezählt."

(3) Seite 97: "Bundesweite „Antimilitarismuskampagne“
Vor dem Hintergrund des Prozesses gegen drei mutmaßliche Mitglieder der „militanten gruppe“ in Berlin und im Zusammenhang mit dem Beschluss zur Verlängerung des Bundeswehrmandats für Afghanistan durch den Deutschen Bundestag im September begann stattdessen im Spätsommer des Jahres eine bundesweite „Antimilitarismuskampagne“, an der sich neben zahlreichen nicht-extremistischen Akteuren auch weite Teile des linksextremistischen autonomen Spektrums beteiligten. Die Kampagne richtete sich zunächst gegen den Einsatz der Bundeswehr in Krisengebieten. Weitere Ziele der Kampagne waren die Proteste gegen die „Münchner Sicherheitskonferenz“ am 6. und 7. Februar 2009 sowie die Feierlichkeiten zum 60. NATO-Jubiläum am 3. und 4. April 2009 in Straßburg (Frankreich), Baden-Baden und Kehl (Baden-Württemberg)."

(4) Seite 99-102: "Prozess gegen mutmaßliche Mitglieder der „militanten gruppe“
Im Jahr 2007 wurden drei mutmaßliche Mitglieder der „militanten gruppe“ (mg) festgenommen. Im September 2008 hat der Prozess gegen die drei Angeklagten wegen Bildung einer kriminellen Vereinigung vor dem Berliner Kammergericht begonnen. Im Zusammenhang mit den Inhaftierungen hatte sich eine Solidaritätsbewegung gebildet, die sowohl von extremistischen Gruppierungen wie nicht-extremistischen Akteuren getragen wurde. Auch der Prozess wurde zunächst von Solidaritätsaktionen begleitet, die jedoch im weiteren Verlauf abnahmen. Seit den Festnahmen sind weitere Anschläge der mg und die Wiederaufnahme der seit 2001 in der linksextremistischen Szene geführten Militanzdebatte ausgeblieben. Ein Ende des Verfahrens ist noch nicht abzusehen.

Die mg hatte sich seit 2001 selbst bezichtigt, 25 Brandanschläge im Raum Berlin mit den Begründungszusammenhängen Zwangsarbeiterentschädigung, Sozialabbau und Antiimperialismus verübt zu haben. Die Taten hatten sich zumeist gegen Gebäude und Fahrzeuge staatlicher Stellen gerichtet. Am 21. Juni erhob die Generalbundesanwaltschaft (GBA) Anklage gegen drei mutmaßliche Mitglieder der mg. Sie sollen als Mitglieder einer kriminellen Vereinigung in den frühen Morgenstunden des 31. Juli 2007 versucht haben, drei Lastkraftwagen der Bundeswehr auf einem Firmengelände in Brandenburg in Brand zu setzen.

In einer Erklärung zum Prozessbeginn am 25. September bezeichneten die Beschuldigten die Brandanschläge als legitimen Widerstand ohne sich zu ihrer Tatbeteiligung zu äußern. Sie behaupteten, es säßen die Falschen auf der Anklagebank:

„Auf die Anklagebank gehören Kriegstreiber, Kriegsbefürworter und Rüstungskonzerne. Sie sind die kriminellen Vereinigungen. Sie sind anzuklagen. [...] Viele Formen des Widerstands sind legitim! Für eine kommunistische Weltgesellschaft!“

Solidaritätsaktionen
Durch das Ermittlungsverfahren gegen die mg und die Inhaftierung der drei Beschuldigten erhielt das Thema „Antimilitarismus“ in der linksextremistischen Szene einen neuen Stellenwert. Der Prozessauftakt wurde von einer Demonstration vor dem Gerichtsgebäude mit ca. 30 Teilnehmern unter dem Motto „Linke Politik verteidigen. Solidarität mit allen AntimilitaristInnen“ begleitet. In einem Aufruf wurden die Brandanschläge als „konkrete Abrüstungsinitiative“ bezeichnet:

„Gegen die stetige Militarisierung der Gesellschaft setzen wir auf praktischen Antimilitarismus von unten. [...] Diese Situation fordert einen Antimilitarismus auf allen Ebenen: als kritische Stimme vor Parlamentsdebatten, als alltäglichen Widerstand gegen sozialen Angriff, als praktische Intervention gegen militärische Infrastruktur und Rüstungsprofiteure ...“

Auf weiteren Mobilisierungsaufrufen waren brennende Militärfahrzeuge abgebildet.

In der Folge ließen die Solidaritätsaktionen spürbar nach. Im Internet stellten Prozessbeobachter eine ausführliche Darstellung der 16 Verhandlungstage im Jahr 2008 zur Verfügung. Im Rahmen der „Europäischen Aktionstage gegen militärische Infrastruktur und Militarismus“ fand am 13. November eine „antimilitaristische Tatortinspektion“ mit ca. 50 Personen statt. Vom Gericht aus suchten sie mit einem Reisebus „militärische Tatorte“ auf. Ziel war auch das Firmengelände in Brandenburg, auf dem die drei Angeklagten versucht haben sollen, Brandanschläge zu begehen.

Als solidarischen Akt verbrannten einige Teilnehmer vor Ort symbolische Darstellungen von Militärfahrzeugen.

Am Vorabend des „Aktionstags gegen staatliche Repression“ versammelten sich am 12. Dezember bis zu ca. 700 Personen in Berlin-Kreuzberg. Die Versammlung, zu der mehrere Gruppierungen aus der linksextremistischen Szene wie die ALB oder die „Antifaschistische Revolutionäre Aktion Berlin“ (ARAB) aufriefen, war durch eine aggressive Stimmung geprägt, verlief jedoch weitgehend friedlich. In dem Mobilisierungsaufruf wurde die Solidarität mit „politischen Gefangenen“ betont. Ziel des Kampfes sei eine andere Gesellschaftsordnung:

„Als radikale Linke bekämpfen wir ein System, das immer wieder Krisen produziert und innerhalb der kapitalistischen Logik außer durch Krieg und Zerstörung auch keine wirklichen Auswege aus seinen Krisen finden kann. [...] Deshalb richtet sich unser Kampf nicht allein gegen die Angriffe der Repression, sondern ist vor allem auf die Perspektive einer solidarischen und klassenlosen Gesellschaftsordnung ausgerichtet. In diesem Kampf spielt die Solidarität mit den politischen Gefangenen und allen von Repression Betroffenen allerdings eine wichtige Rolle. Nur gemeinsam und international können wir uns den Repressionsschlägen effektiv entgegensetzen! [...]
Kapitalismus zerschlagen – Solidarität aufbauen!“"

(5) Seite 106: "Einstellung des Ermittlungsverfahrens gegen Globalisierungsgegner
Im Mai 2007 hatte die Bundesanwaltschaft im Rahmen zweier Ermittlungsverfahren zahlreiche Objekte in mehreren Bundesländern, unter anderem in Berlin, durchsuchen lassen. Die Durchsuchungen standen im Zusammenhang sowohl mit den Anschlägen der „militanten gruppe“ (mg) wie der „Militanten Kampagne gegen den G 8-Gipfel“ 2007 in Heiligendamm.

Hintergrund der Maßnahmen waren zwölf gewalttätige Aktionen, die der „Militanten Kampagne“ zugerechnet wurden. Ihr Ziel sei es, durch Brandanschläge und Sachbeschädigungen gewaltbereite Gesinnungsgenossen zu mobilisieren, um den Weltwirtschaftsgipfel in Heiligendamm erheblich zu stören oder zu verhindern. Zunächst hatte die Generalbundesanwaltschaft ein Ermittlungsverfahren gegen mehrere Personen wegen des Verdachts der Beteiligung an einer terroristischen Vereinigung (§ 129 a StGB) geführt. Bereits im Dezember 2007 hatte der Bundesgerichtshof (BGH) auf Grund der fehlenden besonderen Bedeutung der Straftaten die Bundeszuständigkeit abgelehnt und die Strafverfolgung in den Bereich der Länder verwiesen. Am 24. September stellte nunmehr die zuständige Staatsanwaltschaft Hamburg das Ermittlungsverfahren wegen Bildung einer kriminellen Vereinigung (§ 129 StGB) ein."

(6) Seite 218-219: „militante gruppe”
Entstehung / Gründung: Vor 2001

Die „militante gruppe“ (mg) ist eine klandestine Gruppe, die – ähnlich den „Revolutionären Zellen“ (RZ) in den 80er Jahren – in Berlin und Umgebung Anschläge verübt. Erstmals trat die mg im Sommer 2001 in Erscheinung, als sie Patronen an den damaligen Regierungsbeauftragten für die Entschädigung der Zwangsarbeiter Otto Graf Lambsdorff und an zwei Mitglieder der Stiftungsinitiative der deutschen Wirtschaft schickte. Ihre militanten Aktionen richteten sich seitdem vornehmlich gegen Kraftfahrzeuge und Gebäude staatlicher Einrichtungen, aber auch von Unternehmen und Privatpersonen sowie sonstigen nichtstaatlichen Stellen. Begründet hat die mg ihre Anschläge bisher vor allem mit den Themengebieten Zwangsarbeiterentschädigung, Sozialabbau, Antiimperialismus und Repression. Bis zum Mai 2007 bezichtigte sie sich, insgesamt 25 Brandanschläge begangen zu haben.

Am 31. Juli 2007 wurden nach einem versuchten Brandanschlag auf Fahrzeuge der Bundeswehr in Brandenburg drei mutmaßliche Mitglieder der mg festgenommen. Am 25. September 2008 begann vor dem Kammergericht Berlin der Prozess gegen die drei Angeklagten. Ihnen wird die Mitgliedschaft in einer kriminellen Vereinigung (§ 129 StGB) sowie versuchte Brandstiftung vorgeworfen. Im Zusammenhang mit den Festnahmen entwickelte sich eine breite Solidaritätsbewegung. Das Verfahren wird von Beginn an von zahlreichen Solidaritätsaktionen begleitet."

Zwei Auszüge aus dem Verfassungsschutzbericht 2008 vom Bundesministerium des Innern

(1) Seite 146-147: Prozess gegen mutmaßliche Mitglieder der „militanten gruppe (mg)“

Vor dem Kammergericht Berlin begann am 25. September 2008 die Hauptverhandlung gegen drei mutmaßliche Mitglieder der linksextremistischen „militanten gruppe (mg)“. Den Angeklagten wird Mitgliedschaft in einer kriminellen Vereinigung vorgeworfen. Zudem sollen sie in der Nacht zum 31. Juli 2007 in Brandenburg an der Havel versucht haben, drei Lkw der Bundeswehr in Brand zu setzen. Die Polizei konnte die an den Fahrzeugen abgelegten Brandvorrichtungen entfernen, bevor diese zündeten, und die Angeklagten in Tatortnähe festnehmen.

Die „militante gruppe (mg)“ hat sich seit 2001 zu einer Vielzahl von Brandanschlägen, überwiegend in Berlin und Brandenburg, bekannt. Der Sachschaden beläuft sich auf insgesamt etwa 840.000 Euro. Die Gruppe hatte sich darüber hinaus seit Jahren um eine Vernetzung militanter Gruppenstrukturen bemüht und im Rahmen der so genannten Militanzdebatte die Diskussion über die Legitimität „weitergehender“, über Sachbeschädigungen hinausreichender Aktionsformen vorangetrieben. Seit den Festnahmen von Ende Juli 2007 sind Aktivitäten der „militanten gruppe (mg)“ bislang ausgeblieben.

Solidaritätsgruppen aus der linksextremistischen Szene begleiten den Prozess mit vielfältigen Aktionen wie Prozessbeobachtung, Info-Veranstaltungen und Demonstrationen. So fanden am 12. und 13. Dezember 2008 in Berlin, Bremen und Hamburg Demonstrationen mit insgesamt etwa 1.500 Personen statt.

(2) Seite 170: Militante Perspektive
Auch einzelne – im Verborgenen operierende – militante Zusammenhänge greifen das Aktionsfeld „Antirepression“ für ihre Ziele auf. Unter der Überschrift „G8-Gipfel und Militanz, Repression und Solidarität“ heißt es im Hinblick auf die „militante Kampagne“ anlässlich des G8-Treffens 2007 in Heiligendamm (Mecklenburg-Vorpommern) und die Verfahren nach § 129a StGB gegen drei mutmaßliche Mitglieder der „militanten gruppe (mg)“:

„Wer wie die G8-Kritiker/innen für eine andere, bessere Welt streitet, muss sich auch über die möglichen Mittel und Wege dorthin verständigen. Wer Herrschaft abschaffen will, muss die Bundeswehr bekämpfen, weil sie ein Herrschaftsinstrument ist. Genau das zu verteidigen und aufzugreifen, was die staatliche Repression ins Visier nimmt, für die Notwendigkeit militanter Praxen zu werben und einzutreten, ist eine konsequente, entschlossene und offensive, das heißt: militante Form der politischen Solidaritätsarbeit.“
(„INTERIM“ Nr. 676 vom 30. Mai 2008, S. 21 ff.)

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