Neues vom mg-Prozess
In der letzten Ausgabe der 18.-März-Zeitung gab es einen Bericht einiger ex-Gefangener zu Ihren Erfahrungen seit ihrer Festnahme. Das ist jetzt ein Jahr her. Seit dem 25. September 2008 findet in Berlin der Prozess gegen Axel, Oliver und Florian statt. Zeit für ein kleines Resümee.
Axel, Oliver und Florian sollen laut Anklage als Mitglieder einer kriminellen Vereinigung, der seit 2001 agierenden militanten gruppe (mg), einen Brandanschlag auf drei Bundeswehr-Lkw in Brandenburg an der Havel begangen haben. Dem Prozess vorangegangen waren Untersuchungshaft für insgesamt vier Beschuldigte, Hausdurchsuchungen am 31. Juli 2007 bei sieben Verdächtigen und Ermittlungen gegen zahlreiche weitere Aktivisten – bis heute.
Zum Prozessbeginn verlas Axel im Namen der Drei eine Prozesserklärung: „Auf die Anklagebank gehören Kriegstreiber, Kriegsbefürworter und Rüstungskonzerne. Sie sind die kriminellen Vereinigungen. Sie sind anzuklagen.“ Sabotage sei Teil eines Rechtes auf Widerstand, das im besten Fall Schlimmeres, nämlich Kriegseinsätze, verhindern helfe. Zur Bedeutung ihres Prozesses führen die Drei aus: „Das Verfahren gegen uns kann (…) zu einem exemplarischen Verfahren werden, um zukünftig mit dem Paragrafen 129 vom Farbbeutelwurf bis zum Straßenriot viele Mittel gesellschaftlicher Auseinandersetzung zu kriminalisieren und mit einem Feindstrafrecht zu bestrafen, das vom normalen Strafrecht abgespalten wird.“ Gemeint sind wir alle. Nach dieser Erklärung haben sich die drei Angeklagten nicht weiter geäußert.
Während die Angeklagten von ihrem Recht auf Aussageverweigerung Gebrauch machen, zeigen sich auf der anderen Seite die ZeugInnen auch nicht gesprächig. Richter und Staatsanwaltschaft scheint das nicht zu stören, sie haben sich in den bisher fast 20 Gerichtstagen nicht besonders durch Nachfragen hervorgetan. Die Befragungen der ZeugInnen, mehrheitlich MitarbeiterInnen des BKA und LKA, die teilweise vorher durch die Maske gegangen sind, vor Gericht erschienen, finden dann auch in erster Linie durch die Verteidigung statt. Häufig verweigern die BeamtInnen die Aussage und beziehen sich dabei auf ihre eingeschränkte „Aussagegenehmigung“. Gegen die von Behörden ausgestellten Formblätter, in denen als nicht aussagefähige Bereiche z.B. ganz allgemein „polizeitaktische Maßnahmen“ genannt werden, protestierte die Verteidigung vor Gericht erfolglos und versucht nun mit Eilanträgen beim Verwaltungsgericht die Eckpunkte der Aussagegenehmigungen klären zu lassen. Es ist eine Farce. Zum Lachen ist es trotzdem nicht.
Zusammenarbeit von Geheimdienst und Polizei
Eine weiteres Thema, das sich im Laufe des Prozesses immer weiter verdichtet, ist für die Verteidigung und auch für das Einstellungsbündnis die offensichtliche Zusammenarbeit zwischen Geheimdienst und Polizei. Hier gibt es – trotz Trennungsgebot – einen regen Austausch zwischen dem Bundesamt für Verfassungsschutz (BfV), dem BKA als Polizeibehörde und der Bundesanwaltschaft (BAW). Diesen Austausch bereits im Zuge der Ermittlungen bestätigte Bundesanwalt Herbert Diemer in einem Interview zum Prozessbeginn in der RBB-Abendschau: So gab es ein „Vorbereitungstreffen“ von MitarbeiterInnen des BKA, bei dem Unterlagen des BfV übergeben wurden. Während der Verhandlung wurde bekannt, dass das BfV, das BKA und die BAW die Ermittlungen betreffenden relevanten Unterlagen untereinander hin und hergeschoben haben. Dabei hat die BAW direkten Einfluss darauf, welche Informationen vom BfV in das Verfahren/ die Ermittlungen einfließen und welche nicht.
Gleichzeitig ist es skandalöserweise möglich, dass das BfV die Aussage einer unbekannten „nachrichtenehrlichen Quelle“ (Spitzel) einfach in die Verhandlung einführen kann, ohne dass vonseiten der BAW die Aussage dieser Quelle überprüft wird. In der Anklageschrift sieht das so aus: „Mit Behördenzeugnis vom 25. Februar 2008 teilt das BfV mit, dass nach dort vorliegenden, vertraulichen, allerdings noch unbestätigten Informationen die Angeschuldigten ... der ›militante(n) gruppe (mg)‹ angehören sollen. Die Quelle wird seitens des BfV als im Allgemeinen zuverlässig berichtend und nachrichtenehrlich eingestuft.“ Die Quelle wird so zwar in das Verfahren eingeführt. Es ist aber nicht geplant, diese Person als Zeugen zu laden. Die Verteidigung kann den Spitzel nicht danach befragen, woher seine Kenntnisse stammen. Sie kann nicht einmal prüfen, ob diese Person überhaupt existiert.
„Manche halten das Trennungsgebot zwischen Polizei und Nachrichtendiensten ja für einen Verfassungsgrundsatz“, erklärte der Bundesinnenminister auf einem BND-Symposium am 1.November 2007 in Berlin. Die logische Fortsetzung dieses Satzes – „ich nicht“ – hat sich Wolfgang Schäuble verkniffen. Die Auseinandersetzung über das Trennungsgebot ist seit den neunziger Jahren eingeschlafen, es ist höchste Zeit, sie wiederzubeleben.
Zurück zur juristischen Bühne: Dieser Prozess ist gekennzeichnet von schweren Verstöße gegen den Grundsatz der Waffengleichheit zwischen Anklagebehörde und Verteidigung. Mit einem fairen Verfahren hat das nichts zu tun. Ein Prozess auf dieser Grundlage muss konsequenterweise eingestellt werden.