Ganz großes Kino im Gerichtssaal

Prozess wegen Mitgliedschaft in der »militanten gruppe« noch bis Februar 2009

Seit September stehen in Berlin drei Aktivisten der linken Szene vor Gericht. Der Vorwurf: Sie versuchten Bundeswehr-Lkw anzuzünden und sollen Mitglieder der sogenannten militanten gruppe sein. Der Prozess wird sich noch bis Februar 2009 hinziehen.

»Wir sind hier nicht im Fernsehgericht« stellte der Vorsitzende Richter Josef Hoch gleich am ersten Prozesstag im September 2008 fest, als eine Zuschauerin eine Bemerkung des Bundesanwalts Herbert Diemer mit einem Lachen bedachte. In diesem Fall hatte der Richter recht: Es ist kein Fernsehgericht, es ist ganz großes Kino, was seit September mittwochs und donnerstags im Hochsicherheitssaal des Kammergerichtes Moabit geboten wird. Im Gerichtssaal thront, drei Treppenstufen erhöht, hinter einer dunklen Holzvertäfelung der fünfköpfige Staatsschutzsenat des Berliner Kammergerichts; zwei bis drei Stufen tiefer sitzen die Angeklagten mit ihren Anwälten.

Zuschauer unter Generalverdacht

Angeklagt sind drei politische Aktivisten aus Berlin, die Ende Juli 2007 bei Brandenburg an der Havel Bundeswehr-Lkw in Brand setzen wollten und danach verhaftet wurden. In ihrer Prozesserklärung griffen sie die deutsche Kriegspolitik an und begründeten, warum Widerstand legitim ist, der das Ziel hat, die Gewalt des Krieges, die Kriegswirtschaft sowie das Militär anzugreifen: »Sabotage ist ein Teil dieses Rechtes auf Widerstand und soll im besten Fall Schlimmeres, nämlich Kriegseinsätze, verhindern helfen.«

Die Soli-Gruppe für die drei Angeklagten wies wiederholt darauf hin, dass in anderen europäischen Ländern Friedensaktivisten vor Geschworenenjurys freigesprochen wurden, weil sie mit ihrer Tat Schlimmeres, nämlich Kriegshandlungen, verhindert hatten. Allein bei einer solchen Aktion gegen ein US-Kriegsflugzeug in Irland sei dreimal mehr Sachschaden entstanden als die »militante gruppe« mit insgesamt 24 Brand- und Farbbeutelanschlägen verursacht habe.

Penible Sicherheitskontrollen verhindern nach Ansicht der Verteidigung das, was eigentlich für einen Film unerlässlich ist: Öffentlichkeit. Viele bleiben deshalb weg, berichten Prozessteilnehmer und Anwälte. Sie wollen nicht, dass ihre Personalausweise kopiert werden und befürchten, dass die Kopien an Polizeibehörden weitergereicht werden.

Während der bisherigen 15 Verhandlungstage wurden überwiegend Polizeizeugen vernommen. Darunter waren auch Observationskräfte, die vor ihrem Auftritt einen Maskenbildner besuchten und mit Perücke vor dem Richter erscheinen. Sie berichten, wie sie die Fahrt von drei Personen von Berlin zum Gelände des Rüstungskonzerns MAN in Brandenburg an der Havel observiert hätten. Dort seien zwei dunkel gekleidete Gestalten zum Gelände gelaufen und bald danach wieder zurückgekommen. Kurze Zeit darauf seien auf dem Firmenparkplatz unter mehreren Bundeswehr-Lkw Brandsätze gesichtet worden. Die glühenden Zünder wurden vom Berliner Landeskriminalamt (LKA) entfernt, Sachschaden entstand nicht. An den Resten sollen Gen-Spuren von einem der Angeklagten gefunden worden sein. Auf ihrer Heimfahrt wurden die drei Berliner filmreif gestoppt, Autoscheiben eingeschlagen, einer wurde durch das Fahrerfenster aus dem Wagen gezogen, ein anderer, der noch angeschnall war, von den Polizeibeamten derart traktiert, dass er in einem Krankenhaus auf innere Verletzungen untersucht werden musste. Gegen die beteiligten LKA-Beamten läuft ein Ermittlungsverfahren, entsprechend wortkarg antworteten die Beamten auf Fragen zur Verhaftungssituation.

Falschinformation des Verfassungsschutzes

Die Zeugenvernehmungen brachten auch die Verstrickungen der Geheimdienste in das Verfahren zu Tage. So liefert das Bundesamt für Verfassungsschutz Akten an die Ermittlungsbehörden. Dass sich darunter auch nachweislich falsche Informationen befinden könnten, darauf weist ein 2001 eingeleitetes, zwischenzeitlich eingestelltes Ermittlungsverfahren nach Paragraph 129a hin, ebenfalls wegen Mitgliedschaft in der »militanten gruppe«. Auf die gelieferten Akten des Verfassungsschutzes haben lediglich BKA und Bundesanwaltschaft Zugriff. Letztere kann auf den Verfassungsschutz einwirken, Aktenteile für das Verfahren freizugeben. Der Verteidigung bleibt diese Möglichkeit und damit die Einsicht in diese Aktenbestände jedoch verschlossen.

Zuschauer, die vor Kontrollen und Überwachung nicht zurückschrecken, erhalten in den nächsten zwei Monaten weitere Gelegenheit an dem Schauspiel teilzunehmen. Dieser Tage wurden bis in den Februar neue Verhandlungstage terminiert. Danach werden die Plädoyers und das Urteil erwartet.

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