Vermummt im Zeugenstand
Nach elf Prozesstagen: Nur dürftige Beweise für »mg«-Mitgliedschaft
Verkleidet mit Langhaar-Perücken, Silikonnasen und ausgestopften Uniformen treten Beamte des BKA und des LKA Berlin in den Zeugenstand. Mitglieder des Mobilen Einsatzkommandos (MEK), einer Spezialeinheit des LKA, haben im letzten Jahr die Angeklagten observiert, gegen die seit September das Berliner Kammergericht wegen vermeintlicher Mitgliedschaft in der »militanten gruppe« (mg) verhandelt. Vor einer Woche berichtete ein MEK-Beamter, wie er die drei Angeklagten am späten Abend des 30. Juli 2007 zum Anwesen der MAN AG in Brandenburg an der Havel verfolgt hat. Dort stehen Militärtransporter der Bundeswehr zur Inventur. Vor Ort habe er zwei Gestalten die Straße zum Firmengelände gehen und nach fünf Minuten zurückkommen sehen. Auf dem Parkplatz des Unternehmens habe er danach mit seinem Kollegen Brandsätze unter zwei Bundeswehrfahrzeugen entdeckt und entfernt. Ein Sachschaden entstand nicht. Das MEK stoppte die drei Auto-Insassen danach auf ihrer Rückfahrt nach Berlin und verhaftete sie mit – so der Zeuge – »übermäßiger Gewaltanwendung«.
In den ersten 11 von bisher 17 terminierten Prozesstagen wurden mehrere Zeugen gehört und Unterlagen aus den Akten in das Verfahren eingeführt – darunter die Erklärungen der seit 2001 existierenden »militanten gruppe« zu ihren 24 Brand- und Farbbeutelanschlägen. Ein immer wiederkehrendes Thema ist die vom Vorsitzenden Richter Josef Hoch erlassene Sicherheitsverfügung, die penible Besucherkontrollen und -überwachung sowie bewaffnete Polizeibeamte im Gerichtsaal vorsieht. Die Verteidigung sieht darin eine Einschüchterung und Einschränkung der Öffentlichkeit. Hoch hält jedoch an diesen Maßnahmen fest.
In der Gerichtsverhandlung ergab die Befragung der Beamten, dass BKA und Bundesanwaltschaft Informationen des Verfassungsschutzes besitzen, die nicht in die Verfahrensakten eingeführt wurden. Bundesanwalt Jochen Weingarten weigerte sich, handschriftliche Notizen der Ermittlungsführerin im BKA heranzuziehen und erklärte, dass er sich nicht in seine »Schubladen« schauen lassen wolle. So ist für die Verteidigung nicht ersichtlich, welche möglicherweise auch entlastenden Unterlagen noch existieren. Die Anwälte sehen deshalb den Grundsatz eines fairen Verfahrens verletzt.
Die Polizeibeamten dürfen auf Anweisung des BKA-Präsidenten nur stark eingeschränkt vor Gericht aussagen. Das verstärkt bei Beobachtern den Eindruck, dass Informationen zurückgehalten werden. Richter Hoch, der seit dem Prozess gegen Egon Krenz und andere Politbüromitglieder der DDR mit politischen Gerichtsverhandlungen vertraut ist, sieht keine Möglichkeit, die Zeugen zu weitergehenden Aussagen zu bewegen. Einzig die Anwälte zeigen ein Aufklärungsinteresse und fragen hartnäckig nach.
Das Verfahren war im vergangenen Jahr in die Schlagzeilen geraten. Der Bundesgerichtshof (BGH) hatte die Bundesanwaltschaft wiederholt auf die Rechtslage hinweisen müssen. So stellte der BGH vier Monate nach der Verhaftung fest, dass die Gruppe keine terroristische Vereinigung nach Paragraph 129a sei. Die Gefangenen mussten daraufhin freigelassen werden. Seitdem wird noch nach Paragraph 129, Mitgliedschaft in einer kriminellen Vereinigung, ermittelt.
Warum die Angeklagten mg-Mitglieder sein sollen, erschließt sich aus der bisherigen Beweisaufnahme nicht. Auch die Beschreibung der aufgefundenen Brandsätze deutet nicht darauf hin, dass es sich um das Brandsatzmodell handelt, das laut Bundesanwaltschaft die »militante gruppe« verwendet haben soll. Zudem, so Rechtsanwalt Alexander Hoffmann in einer Stellungnahme, werfen die in Inhalt und Erscheinungsbild sehr unterschiedlichen Erklärungen der »militanten gruppe« die Frage auf, ob es sich bei ihr überhaupt um eine einheitliche Gruppe im Sinne des Paragraphen 129 handele.
15 bis 20 Menschen besuchen jeweils die Verhandlungen. Das Bündnis für die Einstellung der Paragraph-129-Verfahren hat zur kritischen Beobachtung des Prozesses aufgerufen. Momentan sieht es so aus, dass für Januar und Februar 2009 weitere Termine zur Beweisaufnahme angesetzt werden müssen.