Kein faires Verfahren
Rechtsstaatliche Mindeststandards im »mg«-Prozeß verweigert. Vorsitzender Richter verurteilte bereits DDR-Linke und PKK-Aktivisten. Für CDU-Mitglieder gab’s Bewährung
Von Markus Bernhardt
Wer sich in Deutschland entschieden gegen die Profiteure völkerrechtswidriger Angriffskriege und deren Propagandisten in Politik und Militär stellt und sich nicht mit symbolischer Appellpolitik zufrieden gibt, hat gute Chancen, vor Gericht zu landen. Ebenso erging es auch den drei Berlinern Axel H., Florian L. und Oliver R., die angeblich Mitglieder der »militanten gruppe«, kurz: mg, sein sollen. Das behauptet zumindest die Bundesanwaltschaft, die den drei Kriegsgegnern die »Mitgliedschaft in einer kriminellen Vereinigung« sowie versuchte Brandstiftung vorwirft, da diese Ende Juli 2007 in der Stadt Brandenburg versucht hätten, Lastwagen der Bundeswehr in Brand zu stecken. Die Antimilitaristen waren noch am Tattag festgenommen worden. Ebenso der Berliner Soziologe Andrej H., dem vorgeworfen wurde, konspirativ mit der »militanten gruppe« in Kontakt gestanden zu haben. Erst im November 2007 entschied der Bundesgerichtshof in Karlsruhe, die Angeklagten unter Auflagen wieder auf freien Fuß zu setzen. Den Haftbefehl gegen Andrej H. hatten die Richter bereits einen Monat zuvor aufgehoben.
Seit Ende September diesen Jahres müssen sich die drei Berliner nun vor Gericht verantworten. Die Verhandlung findet angeblich aus »Sicherheitsgründen« in einem Hochsicherheitssaal des Landgerichts in Berlin-Moabit statt. Bereits seit Beginn des Prozesses agierten die Angeklagten jedoch selbst als Ankläger und übten harsche Kritik an der Kriegs- und Sozialabbaupolitik der Bundesrepublik. »Hier sitzen die falschen Leute auf der Anklagebank und sollen als Mitglieder einer kriminellen Vereinigung nach Paragraph 129 verurteilt werden«, betonten die Kriegsgegner in einer Erklärung. »Auf die Anklagebank gehören Kriegstreiber, Kriegsbefürworter und Rüstungskonzerne. Sie sind die kriminellen Vereinigungen. Sie sind anzuklagen.« Wenn das Gericht versuche, sie zu bestrafen, richte sich »diese Kriminalisierung gegen den emanzipatorischen Versuch, sich gegen einen Staat und gegen eine herrschende Politik zu wenden, die im Namen des sogenannten Krieges gegen Terror Krieg führt, bombardiert, tötet und foltert«, so die Antimilitaristen weiter.
Dagegen, daß die Beschuldigten auch nur die Chance auf ein gerechtes Verfahren, geschweige denn auf einen Freispruch haben, spricht indes einiges. Aufgrund der sogenannten Sicherheitsbestimmungen dürfen Prozeßbeobachter nicht einmal Kugelschreiber oder Tempotaschentücher mit in den Gerichtssaal nehmen. Sogar die Personalausweise der Besucher wurden kopiert, was Verteidiger Sven Lindemann befürchten ließ, daß die Daten an die ebenfalls im Gerichtssaal anwesenden Beamten des Landeskriminalamtes weitergegeben würden. Zudem verwies der Anwalt darauf, daß die Bundesanwaltschaft mindestens 31 Aktenordner zurückhalte, die Geheimdiensterkenntnisse und Ergebnisse der bis zum Jahr 2001 zurückreichenden Überwachungsmaßnahmen gegen die »mg«-Verdächtigen enthalten würden. Jedoch sind dies nicht die einzigen Gründe, die gegen ein faires Verfahren sprechen.
Ein weiterer ist der Vorsitzende Richter Josef Hoch selbst. Dieser hatte in der Vergangenheit bereits federführend an mehreren prominenten Verfahren gegen die politische Linke mitgewirkt. So war er unter anderem als Vorsitzender Richter im Prozeß gegen den früheren DDR-Staatsratsvorsitzenden Egon Krenz, den hochrangigen SED-Politiker Kurt Hager und andere Sozialisten tätig. Krenz wurde 1997 wegen Totschlags in vier Fällen zu einer Freiheitsstrafe von sechs Jahren und sechs Monaten verurteilt. »Ein Staat, der Bürger an der Grenze töten läßt und dies verschweigt, kann sich nicht auf ein fehlendes Unrechtsbewußtsein berufen«, schleuderte Hoch den damals Angeklagten hochmütig entgegen. Er, als Vertreter der Bundesrepublik Deutschland, an deren Grenzen einer Dokumentation antirassistischer Gruppen zufolge, allein zwischen 1993 und 2007 über 174 Flüchtlinge zu Tode kamen und 475 Flüchtlinge verletzt wurden, dürfte wissen, worüber er redet.
Im Januar 2008 verurteilte Hoch ein ehemaliges Mitglied der in Deutschland verbotenen Arbeiterpartei Kurdistans (PKK) zu einer Haftstrafe von zwei Jahren und neun Monaten. Demgegenüber hatte er 2007 im Rahmen des Prozesses gegen den CDU-Funktionär Klaus-Rüdiger Landowsky aufgrund dessen Verwicklung in dem Berliner Bankenskandal Milde walten lassen und diesen einzig zu einer Bewährungsstrafe von einem Jahr und vier Monaten wegen Untreue verurteilt.
Im »mg«-Verfahren wurde während der jüngsten Verhandlungstage die Mitwirkung des Verfassungsschutzes immer deutlicher. »Der Geheimdienst hat dieses Verfahren initiiert und steuert es bis heute. Die Entscheidung, welche Akten der Bundesanwaltschaft vorgelegt werden, liegt allein beim Verfassungsschutz«, erklärte Arthur Schüler vom »Einstellungsbündnis« gegenüber junge Welt. So sei durch Zeugenvernehmungen deutlich geworden, daß der Verfassungsschutz nicht nur initiativ am Anfang der Ermittlungen stand, sondern die Ermittler des Bundeskriminalamtes (BKA) immer wieder auf Akten des Inlandsgeheimdienstes zurückgriffen hätten. »Die Akten gingen munter zwischen den Behörden hin und her«, so Schüler weiter. Der Verfassungsgrundsatz der Trennung von Geheimdiensten und Polizei werde somit in diesem Verfahren nicht beachtet. Die Verteidigung kritisierte außerdem, daß nicht ersichtlich sei, welche – möglicherweise auch entlastenden – Akteninhalte noch beim Verfassungsschutz oder dem BKA lagern würden. Weswegen ein faires Verfahren in keiner Weise möglich sei.