Schmutzige Orte
Mit den US-Militärgefängnissen bzw. Gefangenenlagern in Abu-Ghuraib und Guantánamo wurde eine neue Dimension von Knast und Gefangenschaft publik. Neben den bekannten Gefängnissen steht das weltweite Netz von Geheimgefängnissen - vom US-Militär „black sites” genannt - für Verschleppungen, rechtswidrige Inhaftierung und tagtägliche Folter: sexuelle Demütigungen, Reizentzug, Stresstechniken durch extreme Hitze bzw. Kälte oder durch dauerhafte Licht- bzw. Lärmeinwirkung, Schlafentzug, Waterboarding, Verstümmelung und Hinrichtungen. Sehr eindrücklich hat das Murat Kurnaz in seinem Buch „Fünf Jahre meines Lebens - Ein Bericht aus Guantánamo” geschildert. Kurnaz veranschaulicht aber auch, dass selbst unter Verhältnissen wie in Guantánamo Kommunikation unter den Inhaftierten, eine Gefangenenorganisierung und sogar kollektive Kämpfe wie Hungerstreiks möglich sind.
Verantwortung der BRD
An Kurnaz’ Fall lässt sich auch die Verantwortung der BRD am US-Folternetzwerk festmachen. Deutsche Geheimdienste und das BKA verhörten Kurnaz in Guantánamo. Die Bundesregierung war über seine Situation informiert und unternahm nichts, ihn nach Deutschland zurückzuholen.
BND, Verfassungsschutz und BKA waren auf verschiedenen Ebenen am System der US-Geheimgefängnisse beteiligt. Sie haben in den Gefängnissen Befragungen durchgeführt oder dafür die Fragelisten mit Fragen geliefert. Sie haben Namen mutmaßlicher Terroristen und durch Abhörmaßnahmen gewonnenes Material an die CIA weitergegeben. Deutsche KSK-Soldaten bewachten US-Geheimgefängnisse in Afghanistan. Sie beteiligten sich laut Murat Kurnaz auch an den Misshandlungen der Internierten. Auch der vom CIA aus Mazedonien entführte Deutsche Khaled al-Masri unterstellt einem seiner Peiniger in Afghanistan, Mitarbeiter des BND zu sein.
Autoritäre Formierung
Mit dem globalen „Krieg gegen den Terror” hat sich seit 2001 ein permanenter Ausnahmezustand etabliert, der systematisch Willkür, Folter und Rechtlosigkeit hervorbringt. Die angekündigte, aber noch nicht umgesetzte Schließung von Guantánamo bedeutet keine Abkehr von „extraordinary renditions”, den Überstellungen einer Person von einem Staat zum anderen ohne rechtliche Grundlage, und keine Aufhebung der US-präsidialen Befehlsmacht, Entführungen, Folterungen und Hinrichtung anordnen zu dürfen.
Diese Verhältnisse sind auch hierzulande zur Regel geworden. Das zeigt sich, wenn unter anderem der ehemalige Außenminister Steinmeier im Jahr 2007 eine Diffamierungskampagne gegen Kurnaz startet und ihn mit längst widerlegten Behauptungen schwer beschuldigt; wenn unter anderem der damalige Innenminister Schäuble die Verwendung von unter Folter gewonnenen Erkenntnissen verteidigt; wenn deutsche Geheimdienste, Polizei und Gerichte von Folteraussagen profitieren; wenn deutsche Juristen sich dafür aussprechen, dies alles in Gesetzestexte zu gießen und ein Feindstrafrecht einzuführen. Ihre Intention bei alledem ist eine autoritäre Zurichtung der Gesellschaft und letztlich liefern sie damit einen Beitrag zur allgemeinen Militarisierung in der Bundesrepublik.