Der Fuchs im Hühnerstall. Zwei Studien über linke Gewalt
Juli 1967: In einem Prozess gegen die Kommune 1 - Mitglieder Fritz Teufel und Rainer Langhans - vor dem Landgericht Berlin beabsichtigt das Gericht, die Angeklagten psychiatrisch untersuchen zu lassen. Die Angeklagten stimmen der Untersuchung unter der Bedingung zu, dass Richter und Staatsanwalt sich ebenfalls untersuchen lassen.
Der Berliner Senat hat die geneigte Öffentlichkeit im letzten halben Jahr gleich mit zwei Studien zur Erforschung „linker Gewalt“ in Berlin beglückt. Vorlegen durfte das Landesamt für Verfassungsschutz im Oktober 2009. In der 88-seitigen Studie nimmt das Landesamt Alter, Geschlecht, Schulbildung, Familienstand und Tatvorwürfe „politisch motivierter Gewalt - links“ ins Visier, kombiniert dies mit Wohn- und Tatorten und kommt zu dem schlichten Ergebnis, dass man nun schon wisse, wo man die Täter zu suchen habe: in den „verdichteten Räumen linker Gewalt“ in den Szenebezirken Kreuzberg, Friedrichshain, Mitte und Prenzlauer Berg.
Dementsprechend wird flächendeckend ergriffen, wer die Frechheit besitzt, in Nächten mit erhöhter Fahrzeuginbrandsetzungstendenz auf der Strasse herumzulaufen - mit mässigem Erfolg, wie die häufigen Freisprüche der letzten Monate beweisen.
Wohin die Reise gehen soll, lässt uns der Innensenator Körting bereits im Vorwort der Studie wissen: „Linksextremistische Gewalttäter berufen sich häufig auf Werte, die auch Demokraten wichtig sind, wie „soziale Gerechtigkeit“ oder „Antifaschismus“. Dies ist jedoch nur der Versuch, die eigene Intoleranz und Gewaltbereitschaft zu rechtfertigen.“
Auf einem Symposium im November 2009, das der Vorstellung der Studie diente, wird die versammelte Aufstandbekämpfungsmafia noch deutlicher: Die Zivilgesellschaft dürfe, z.B. im Bereich Antifaschismus, keine Bündnisse mehr mit Linksextremisten eingehen. Vielmehr müsste diesen das Wasser abgegraben werden, indem man diskursiv ihre Themenfelder besetzt. Es gelte, mit denjenigen zu reden, die gegen Gewalt seien, gegen den Rest helfe nur Repression.
In einer weiteren Studie durfte die FU Berlin - Sektion Jura – die „Gewalt am 1. Mai 2009 in Berlin“ analysieren. Für schlappe 69.000 € kommt die Studie auf 135 Seiten zu dem dürftigen Ergebnis, dass am 1. Mai in Kreuzberg zu viel getrunken wird (Berliner Morgenpost: Senat will Alkoholkonsum am 1. Mai einschränken!) und Festnahmen aus größeren Menschengruppen heraus zu Solidarisierungsaktionen der Umstehenden führen. Insgesamt war man auf der politischen Ebene mit dem Ergebnis der Studie wohl weniger zufrieden; vielleicht deswegen, weil darin gelegentlich mal von unverhältnismäßigem Vorgehen der Polizei die Rede ist.
Aber Spaß beiseite: Wann erscheint die Studie über das tägliche gewalttätige Vorgehen dieses Staates ? Ob in Afghanistan und anderen Trikont-Staaten, wo die aufmüpfige Bevölkerung mit deutschen Waffen niedergehalten wird, ob im eigenen Land, wo Lohndumping, Bildungsmisere, Massenverelendung durch Hartz IV, rassistische Behandlung von Flüchtlingen und das Verprügeln linker Jugendlicher, die sich gegen Naziübergriffe wehren, an der Tagesordnung sind und wo es für die herrschende Klasse nur ein Gesetz zu geben scheint: Das der Freiheit eines freien Fuchses in einem freien Hühnerstall!