Kein Frieden mit der Bundeswehr. Militarisierung ist angreifbar

Gegen die akut drohende Nachwuchsebbe an SoldatInnen und gegen die lauter werdende Kritik der Bevölkerung an den Auslandseinsätzen setzt die Bundeswehr auf modernes Akzeptanzmanagement, Eventmarketing und Werbetouren. Wenn sich in Deutschland schon keine echte Euphorie für die Verteidigung deutscher Interessen am Hindukusch herstellen lässt, so ist die Bundeswehr zumindest um Ruhe an der »Heimatfront« bemüht. Bislang scheint die Rechnung aufzugehen.

An einigen (wenigen) Stellen regt sich dennoch Widerstand gegen die zunehmende Militarisierung z. B. bei der Flut von Reklame- und Rekrutierungseinsätzen der Bundeswehr im Inneren. Bereits seit vielen Jahren gibt es lautstarke Proteste bei öffentlichen Bundeswehrgelöbnissen und Soldatenfeiern. Seit etwa zwei Jahren stiften Antimilitaristinnen und Erwerbslosengruppen darüber hinaus Unruhe bei Veranstaltungen der Bundeswehr an Arbeitsämtern, Schulen, Universitäten und auf Jobmessen.

Auch Auftritte des »Karriere-Treffs« der Bundeswehr, Soldatengottesdienste und »karitative« Auftritte der Bundeswehr-Musikkorps bleiben nicht unwidersprochen. Zu Protest- und Störaktionen gegen Bundeswehrauftritte kam es in den vergangenen 18 Monaten unseres Wissens über 90-mal in mehr als 40 Städten. Bundeswehrveranstaltungen wurden gesprengt, blockiert, umgestaltet oder nach Protestankündigungen von der Bundeswehr kurzfristig abgesagt.

Wer Arbeitsamt sagt, muss auch Bundeswehr sagen

Für den Werbefeldzug der Bundeswehr ist das Arbeitslosengeld II (ALG II) ein zentrales Rekrutierungsinstrument – Jobcenter sorgen für Nachschub an Soldaten. Die Bundeswehr nutzt gezielt die Perspektivlosigkeit am Arbeitsmarkt und den zunehmenden Druck auf Erwerbslose.. Ihr Ausbildungs- und Qualifizierungsangebot wird jedoch abhängig davon gemacht, das Todeshandwerk zu erlernen.

Die Arbeitsagenturen kooperieren bereitwillig und profitieren als Lieferanten von Nachwuchskräften für die Bundeswehr. In einigen Arbeitsagenturen gibt es eigene Büros von WehrdienstberaterInnen. In nahezu allen Arbeitsagenturen finden etwa im Monatsrhythmus Rekrutierungsveranstaltungen und Sprechstunden statt. ALG-II-EmpfängerInnen nehmen an solchen Veranstaltungen nicht immer freiwillig teil. In Köln beispielsweise sind mehrere Fälle bekannt, bei denen jugendliche Arbeitslose unter Sanktionsandrohungen zur Teilnahme an Bundeswehr-Werbeveranstaltungen verpflichtet wurden. In Leipzig wertet die ARGE in einem Kooperationsvertrag mit der Bundeswehr die Annahme einer »zivilen« Stelle beim Arbeitgeber Bundeswehr explizit als zumutbar und deren Verweigerung als sanktionierbar.

Widerstand ist legitim und notwendig

Die Protest- und Störaktionen der letzten Jahre zeigen, dass die Werbeoffiziere nicht blind an der Durchsetzung ihres Werbe- und Rekrutierungsauftrags festhalten. Im Einzelfall lieber keine als eine negative Außenwirkung erzeugen, scheint das Motto zu sein. Die vorzeitige Absage vieler Werbeveranstaltungen, bei denen Störaktivitäten angekündigt worden waren, untermauert dieses taktische Ausweichen der Bundeswehr zur Schadensminimierung – sie kann es sich derzeit allerdings mit über 600 Reklameeinsätzen jährlich auch erlauben.

Um der Bundeswehr insbesondere mit ihren häufig an Schulen akzeptierten Jugendoffizieren das Wasser abzugraben, bedarf es dringend weitergehender Aktivitäten. Ein Eingreifen in die (noch) geschmierte Reklame- und Rekrutierungsmaschinerie der Bundeswehr bedeutet dabei mehr als »nur« das konkrete Abwerben einzelner potenzieller SoldatInnen. Es geht um das generelle Zurückdrängen einer Bundeswehr, die sich zunehmend im öffentlichen Raum breit macht.

Wir wissen, bis zur Abschaffung der Bundeswehr ist es noch weit. Bis dahin müssen noch viele Werbeshows des Militärs gestört werden, SoldatInnen massenhaft desertieren, die Rüstungsschmieden Espressomaschinen herstellen und das Kriegsgerät im Zuge breit angelegter Abrüstungsinitiativen verschrottet sein. Widerstand ist legitim und notwendig. Antimilitaristische Aktionen sind kein Verbrechen. Wehren wir uns gegen jeden Einsatz der Bundeswehr, gegen »friedenserzwingende« Auslandeinsätze, »überwachende und sichernde« Inlandeinsätze und bundesweit zunehmende Reklame-und Rekrutierungseinsätze!

Eine Dokumentation von Protest- und Störaktionen findet sich unter www.bundeswehr-wegtreten.org

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