Rechtsanwalt: "Ob diese Annahme haltbar ist, wird zu thematisieren sein."

Herr Rechtsanwalt Schrage, Sie vertreten einen der drei Antimilitaristen, denen ab dem 25. September in Berlin der Prozess gemacht wird. Was wird den Angeklagten konkret vorgeworfen?

Den Angeklagten wird vorgeworfen, als Mitglieder einer kriminellen Vereinigung, nämlich der »militanten gruppe (mg)« am 31. Juli 2007 in Brandenburg an der Havel versucht zu haben, drei Lkws der Bundeswehr in Brand zu setzen. D.h. es geht in dem vor dem Kammergericht Berlin stattfindenden Prozess um den Vorwurf der versuchten schweren Brandstiftung und der Mitgliedschaft in einer kriminellen Vereinigung nach §129 Strafgesetzbuch.

In den letzten Jahren ist vermehrt über Sinn und Zweck der §§129/a/b StGB diskutiert worden. Warum sind diese Strafnormen in die Kritik geraten?

Gerade während des letzten Jahres haben wir in diversen Verfahren gegen linke und regierungskritische Gruppen aus verschiedensten Bereichen erleben müssen, dass die Staatsschutzparagrafen 129f. der Türöffner für die Ermittlungsbehörden sind, um in uferloser Art und Weise Strafverfolgungsmaßnahmen gegen politisch missliebige Personen durchzuführen. Hierzu gehört die gesamte Palette polizeilicher Ermittlungstätigkeit wie Hausdurchsuchungen, Handyüberwachung und ­-ortung, Mitlesen des E­Mail­-Verkehrs, Einbau von Peilsendern in Fahrzeuge und dergleichen mehr. Der Unterschied zu herkömmlichen Strafverfahren besteht darin, dass es für die Ermittlungsbehörden in einem Verfahren nach §§129f. wesentlich einfacher ist, die hierfür – noch – erforderlichen richterlichen Beschlüsse zu erwirken. Wir haben in den letzten Monaten erlebt, dass viele dieser Beschlüsse im Nachhinein von anderen Gerichten als rechtswidrig eingestuft worden sind. Der immer wieder erhobene Vorwurf, die §§129f. und die damit einhergehenden Ermittlungsmöglichkeiten dienten ledig­lich dazu, einen politisch missliebigen und regierungskritischen Personenkreis zu überwachen und auszuforschen, ist daher nicht von der Hand zu weisen.

Das Verfahren gegen die drei angeklagten Antimilitaristen wurde vom Ursprungsverfahren abgetrennt und separat zur Anklage gebracht. Wie ist dies aus ihrer Sicht zu bewerten?

Die Bundesanwaltschaft (BAW) hält das Verfahren gegen die drei »Brandenburger« offensichtlich für entscheidungsreif. Das Verfahren gegen die anderen vier Beschuldigten läuft hingegen augenscheinlich weiter. Meiner Kenntnis nach wurde es bislang nicht eingestellt. Ob eine Einstellung bevorsteht oder die BAW glaubt, durch weitere Ermittlungen hier noch einen Erfolg verzeichnen zu können, kann ich zum gegenwärtigen Zeitpunkt nicht beurteilen.

Nach unseren Informationen sind die von der BAW vorgelegten Akten in diesem Verfahren unvollständig. Wie gehen Sie hiermit um?

Die Verteidigung hat in einer Stellungnahme an das Kammergericht darauf hingewiesen, dass nach Aktenlage weitere Akten bei der BAW geführt werden, die Gericht und Verteidigung vorenthalten werden. Wir gehen davon aus, dass die Akten von der BAW noch nachgeliefert und komplettiert werden, damit dem Grundsatz eines fairen Verfahrens Rechnung getragen wird. Die Verteidigung meint, dass die BAW nicht nach Gutdünken entscheiden kann, welche Akten Gericht und Verteidigung vorgelegt werden, sondern sich an die gesetzlichen Bestimmungen zu halten hat. Diese besagen, dass die Akten komplett vorzulegen sind. Wie in jedem anderen normalen Strafverfahren – wo dies eine Selbstverständlichkeit darstellt – erwartet die Verteidigung das auch in diesem Fall.

In einem Interview mit dem Berliner „Tagesspiegel“ vom 11. August 2008 behauptet der Präsident des Bundeskriminalamtes, Jörg Ziercke, der mg seien 39 Anschläge vorzuwerfen. Wie setzt sich diese Zahl zusammen?

Das liegt offenbar daran, dass Herr Ziercke den circa zwei Dutzend Anschlägen seit dem Jahre 2001, die der mg zur Last gelegt werden, noch weitere Anschläge hinzugerechnet hat, von denen das BKA glaubt, dass hinter diesen ebenfalls die mg stecke. Begründet wird dies nach Aktenlage mit angeblich ähnlichen Brandsatzmodellen, teilweise auch mit linguistischen Vergleichsgutachten der veröfentlichten Bekennerschreiben. Ob diese Annahme fundiert und haltbar ist, wird in dem anstehenden Prozess sicherlich zu thematisieren sein.

Welche Strategie verfolgt die Verteidigung in diesem Verfahren?

Der Prozess ist zunächst bis Anfang Januar 2009 terminiert worden. Ob dies zeitlich reichen wird, wird man sehen. Zur Verteidigungsstrategie werde ich jetzt naturgemäß keine Angaben machen. Dies hängt von vielen Faktoren ab, die jetzt noch nicht in ihrer Gesamtheit einschätzbar sind.

Herr Schrage, wir danken Ihnen für das Gespräch.

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