Was ist die Zerstörung von Kriegsgerät gegen das Führen von Krieg?! (Vorwort)
»Ende einer Dienstfahrt...« erscheint anlässlich des Beginns der Hauptverhandlung gegen Axel H., Florian L. und Oliver R. am 25. September vor dem Kammergericht Berlin. In der gleichnamigen Erzählung aus dem Jahr 1966 schildert Heinrich Böll den Prozess und die Geschichte zweier Männer, Vater und Sohn Gruhl, die in der Nähe des rheinischen Städtchens Birglar verhafet werden, nachdem sie einen Jeep der Bundeswehr mit Benzin übergossen und abgebrannt haben. Unter dem Deckmantel der Kunst schildert Böll dabei eine aktive Abrüstungsinitiative zweier, wie sie vor Gericht zu Protokoll geben, »unpolitischer« Bürger, deren sonstige durchscheinende Lebensphilosophie aber durchaus als anarchistisch bezeichnet werden kann.
Die beiden Gruhls glauben weder an Staat und Justiz noch an die Institution Bundeswehr, die sie als Absurdität verstehen, deren einziger Sinn gerade die Sinnlosigkeit ist. Auf den Punkt gebracht wird diese Widersinnigkeit durch eine Dienstfahrt des jungen wehrdienstleistenden Gruhl, die einzig und alleine dazu dient, Kilometer zu »fressen«, um einen für eine Inspektion akzeptablen Kilometerstand zu erreichen. Böll verweist mit seiner Erzählung – zehn Jahre nach Gründung der Bundeswehr, inmitten des Vietnamkrieges und in einer Zeit, in der in Deutschland der Einsatz der Bundeswehr im Inneren im Rahmen der Notstandsgesetze diskutiert wurde – auf die Sinnlosigkeit militärischer Einrichtungen und auf die Grausamkeit und Ungerechtigkeit von Kriegseinsätzen.
In Bölls Werk endet die Verhandlung mit einem milden Urteil. Vater und Sohn werden zu einer geringen Hafstrafe und Schadensersatz verurteilt. Mögliche »heiße« Beweggründe ihrer Tat werden nur zu gerne von Justiz und Politik verschleiert. Presse und Öfentlichkeit werden über den Fall im Unklaren gelassen, damit das sogenannte Happening keine Nachahmungen findet.
Birglar ist nicht Brandenburg
In Brandenburg an der Havel auf dem Gelände der Firma MAN endet im Juli 2007 eine »Dienstfahrt« dreier Berliner auch mit einer spektakulären Verhafung. Ihnen wird der Versuch vorgeworfen, Bundeswehrfahrzeuge mit der Absicht angezündet zu haben, sie zu zerstören. Im Unterschied zu Bölls Figuren werden sie nicht wegen eines »Happenings« angeklagt, sondern weil diese »Tat« im Kontext einer angeblichen »Mitgliedschaft in einer kriminellen Vereinigung« nach §129, der »militanten gruppe« (mg), stehen soll.
Ähnlich wie in Bölls Erzählung soll das »aktive Abrüsten« keine Schule machen; nur ist die gewählte Strategie diesmal eine völlig andere: Statt die »Abrüstungsinitiative« klein zu reden, wurde und wird der Versuch unternommen, die den drei Beschuldigten vorgeworfene antimilitaristische Aktion im Rahmen einer groß angelegten Repressions und Ermittlungsaktion zu kriminalisieren.
Seit 2001 ist dies das vierte Ermittlungsverfahren gegen insgesamt zwölf Personen, denen die Mitgliedschaf in der mg vorgeworfen wurde bzw. noch wird. Abgelenkt wird dabei von der Tatsache, dass Deutschland sich im Kriegszustand befndet und in Bälde die deutschen Truppen in Afghanistan aufgestockt werden. Darüber hinaus ist die Bundeswehr in vielen weiteren Ländern bzw. Regionen der Welt im Rahmen von UNEinsätzen, EUMissionen oder NATOEinsätzen tätig: im Libanon, am Horn von Afrika/Dschibuti, im Kosovo, BosnienHerzegowina, in Äthiopien/Eritrea, im Sudan und in Georgien.
Das Einstellungsbündnis will mit »Ende einer Dienstfahrt« eine breite Öfentlichkeit über den Stand des Verfahrens gegen die vermeintlichen Mitglieder der »militanten gruppe« informieren. Wir fordern aktive Solidarität mit Axel H., Florian L. und Oliver R. Wir fragen, was ist die Zerstörung von Kriegsmaterial im Vergleich dazu, es herzustellen oder einzusetzen und damit verheerende Schäden anzurichten? Wir als Einstellungsbündnis werden uns auch in Zukunft nicht von Aktionen gegen Militarismus und Krieg distanzieren und begrüßen jegliche Art von Protest und Widerstand.
In dieser Ausgabe fnden sich Artikel zu Themen wie Antimilitarismus/aktiver Abrüstung, zur aktuellen Situation in Afghanistan und der Rolle der Bundeswehr im In und Ausland, aber auch zu Themen wie Repressionsstrategien der Ermittlungsorgane und deren Folgen.
Hier gibt es die Kampagnenzeitung "Ende einer Dienstfahrt" komplett als pdf-Datei (968 KB) zum download