Bericht vom 57. Prozesstag (10.09.2009)
Zu Beginn der Verhandlung stellte die Verteidigung einen Beweisantrag, einen Gutachter für Sprachwissenschaft zu laden, welcher aussagen wird, ob es Übereinstimmungen zwischen den bisher in den Prozess eingeführten mg-Texten und der aktuellen „radikal“ Nr. 161 gibt.
Des weiteren wurde gegen den Beschluss des Senats vom 06.08.2009 den Antrag vom 30.07.2009 abzulehnen eine Gegenvorstellung erhoben. Es wird aufgezeigt, dass die Möglichkeit besteht, dass es personelle Überschneidungen mit anderen militant agierenden Gruppen gab, so dass, selbst wenn ein Angeklagter nach Meinung des Senats, Mitglied in der mg sei, dies noch nicht zwingend für die anderen gelten muss.
Als dritter Beweisantrag des Tages wurde beantragt, den Zeugen KHK Matzig, Nachfolger des Zeugen KHK Wick beim BKA Tatmittelmeldedienst, zu laden, welcher aussagen wird welche breite Verwendung der „Nobelkarossentod“ seit Anfang der 90er Jahre fand. Er wurde erstmals 1994 von der Gruppe „Klasse gegen Klasse“ in einer Zeitschrift detailliert beschrieben. Seitdem wurde er von verschiedensten radikalen Zusammenhängen vielfach benutzt. Laut Meldung verschiedener LKA können der mg maximal 10% der Anschläge, bei welchen der „Nobelkarossentod“ verwendet wurde, zugerechnet werden.
Nach einer viertelstündigen Pause, erklärte die BAW, dass der erste Antrag abzulehnen sei, da der Senat über genügend Sachkunde verfüge, um dies zu beurteilen.
Der Antrag den Zeugen KHK Matzig zu laden sei abzulehnen, da dessen Aussage als wahr anzunehmen sei.
Die Gegenvorstellung sei abzulehnen, weil es völlig unerheblich sei, welche Einschätzungen die BKA-Beamten abgaben und wer wann und ob überhaupt Mitglied gewesen sei.
Nach einer einstündigen Pause erklärt der Vorsitzende Richter Hoch, dass es sich bei dem ersten Beweisantrag um einen Beweisermittlungsantrag handele, des weiteren bei den konkret angeführten Texten der Senat genügend Sachkunde besitze und außerdem eine vollständige Liste der übrigen angeführten Schriftstücke fehle.
Der Antrag den Zeugen KHK Matzig zu laden wird aus tatsächlichen Gründen abgelehnt, da das Wissen des Zeugen ohne Bedeutung sei. Für eine Beiziehung der Akten dazu fehle das Aktenzeichen.
Beweisantrag: Keine Doppelmitgliedschaft
Nun folgte ein Beweisantrag der Verteidigung, Claudia Schmid, Landesamt für Verfassungsschutz, zu laden, die Aussagen machen wird, welche beweisen, dass bei der Herstellung der „radikal“ 161 nicht auf das Herstellungs-- und Vertriebssystem der alten „radikal“ zurückgegriffen wurde und es hierbei keine personellen Überschneidungen zum alten Redaktionskollektiv gab/gibt. In diesem Zusammenhang wurde ebenfalls beantragt ein Gutachten durch einen Sachverständigen für Druck- und Kopiertechnik zu laden, welcher aussagen wird, dass sich das Druckverfahren der „radikal“ Nr.161 vom Druckverfahren aller bisherigen Ausgaben unterscheidet. Deren Aussagen würden die These untermauern, dass alle gefunden Asservate auch für eine Mitgliedschaft im Redaktionskollektiv der „radikal“ sprechen könnten und somit gegen eine Mitgliedschaft der Angeklagten in der mg. Auch die These des Zeugen Nolte, welcher von einer möglichen Doppelmitgliedschaft sprach, könnte hiermit widerlegt werden.
Es folgte eine Stellungnahme des RA Hoffmann zur Ablehnung der Gegenvorstellung. Er bekundet darin, dass bei ihm subjektiv der Eindruck entstünde, seine Argumente würden nicht wahrgenommen. Es gehe aber um wichtige Aussagen. Außerdem hätte er sehr wohl, anders als in der Begründung der Ablehnung vom Senat kundgetan, die zitierten Schriftstücke genau benannt.
Als Nächstes forderte RA Lindemann in einem weiteren Beweisantrag, Akten des LKA Berlin beizuziehen, welche zeigen, dass es einen Brandanschlag am 10./11.08.2007 auf ein Bundeswehrfahrzeug mit dem „Nobelkarossentod“ gab, welcher vom Tatmittel, Tatzeit und Tatort eigentlich auch vom BKA der mg zugeordnet werden müsste und somit auch der These, es hätte nach der Verhaftung vom 31.07.2007 keine weiteren Anschläge gegeben, widerspricht.
Nach einer weiteren Pause erklärte die BAW, dass auch diese beiden Anträge abzulehnen seien. Aus Tatmittel, Tatzeit und Tatort könne kein Rückschluss auf Beteiligungen gezogen werden, so der Bundesanwalt Jochen Weingarten.
Nach der eineinhalbstündigen Mittagspause verkündete der Richter Hoch, dass der Antrag, Akten zu dem Anschlag vom 10./11.08.2007 beizuziehen aus tatsächlichen Gründen abgelehnt sei, da sie kein Beweismittel darstellen würden.
Auch der Antrag, ein Gutachten der neuen bzw. alten „radikal“-Texte zu erstellen wurde abgelehnt, da die Schlüsse, die daraus gezogen werden könnten, nicht zwingend seien. Claudia Schmid, LfV Berlin, zu laden, wurde ebenso abgelehnt, da ihre Aussage ohne Bedeutung sei.
Somit sind alle Beweisanträge, welche dem Senat bisher vorliegen, erledigt. Die nächsten und voraussichtlich letzten Beweisanträge der Verteidigung werden für den nächsten Prozesstag, Mi, 23.09.2009, 09:00 Uhr erwartet.
Der Prozesstag endete um 13:40 Uhr.