Bericht vom 19. Prozesstag (22.01.2009)
Der Prozess begann mit einer Erklärung des RAs Schrage, in welcher er erläuterte, dass das Verwaltungsgericht die Klage zur Aussagegenehmigung als unzulässig zurückgewiesen hatte, da keine Sperrerklärung der zuständigen Behörde vorlag. Dies bedeutet nach Ansicht der Verteidigung, dass die Einschränkung der Aussagegenehmigung der Beamten gegenstandslos sei. Hierauf antwortete der Vorsitzende Richter Hoch zunächst, dass inzwischen eine Sperrerklärung des Berliner Senats für Inneres und Sport vorläge, jedoch nicht für die heutige Zeugin. Des weiteren sagte er, dass immer noch der Grundsatz der Amtsverschwiegenheit gelte, so dass also seiner Meinung nach, erst die Aussagegenehmigung den Beamten überhaupt erlaubt, etwas auszusagen. In Folge dessen gab es einen Disput zwischen Verteidigung und dem Senat, was dies nun für die weitere Vernehmung von ZeugInnen heißt, ob sie schon vernommen werden können oder nicht, auch wenn keine Sperrerklärung vorliegt. Der Vorsitzende Richter Hoch entschied, dass es weitergehen soll, wie bisher und die Entscheidung des Verwaltungsgerichts somit keinen Einfluss hat. Auf die Nachfrage des RAs Franke, ob denn der Senat gegen die Sperrerklärung vorgehen werde, antwortete der Vorsitzende Richter Hoch, dass der Senat dazu noch nicht zusammengetreten sei. Weiter ging es nun mit der Zeugenvernehmung.
Zeugenbefragung Nr. 1
Als erste Zeugin war KKin Britta Steinmetz, LKA 62, 27 Jahre geladen. Diese war bei der Observation am 30./31.07.07 beteiligt und auch bei der Dienstfahrt Ende Dezember 2008.
Heute hatte sie eine hübsche Perücke auf und erzählte erst von der Observation und der Festnahme, musste dann aber auf Nachfrage, was sie denn selbst davon gesehen hätte, zugeben, dass sie eigentlich nur während der Autofahrt das Fahrzeug gesehen hätte, in Berlin selbst und in Brandenburg/Havel gar nichts und sie auch erst nach der Festnahme dazu gekommen ist, als die Angeklagten schon aus dem gestoppten Auto geholt worden waren. Dort blieb sie auch nicht lange, wie lange, wusste sie nicht mehr, um dann zu den Kollegen Schoetzau und Gerhardt zu dem MAN-Gelände zurückzufahren.
Bei der Festnahme vor Ort waren noch die KollegInnen Konta und Gottschalk. Ob sie Frau Konta mit im Auto zum MAN-Gelände mit zurückgenommen hat, durfte sie nach ihrer Einschätzung aufgrund ihrer Aussagegenehmigung nicht sagen. RA Hoffmann beantragt ein Ordnungsgeld gegen die Zeugin, weil es willkürlich scheint, dass sie diese Frage nicht beantworten will. Hieraus entspann sich nochmals ein Disput um die Frage der Bedeutung der Entscheidung des VWGs, in Zuge dessen der Vorsitzende Richter Hoch sagte, dass je nach Entscheidung des VWG Zeugen durchaus nochmals geladen werden könnten. Der Staatsanwalt Weingarten äußerte hingegen, dass dies Rechtsfragen sind, welche sich bestimmt in der Revision klären lassen würden.
Es gab 20 Minuten Pause für RA Hoffmann, um seinen Antrag formulieren zu können.
Nachdem RA Hoffmann seinen Antrag verlesen hatte, beantragte die Bundesanwaltschaft (BAW), den Antrag zurück zuweisen.
Als der Staatsanwalt Weingarten anhob zu sagen, was denn die Wahrheit sei, wurde im Zuschauerraum gelacht. Daraufhin musste ein Zuschauer nach Vorne kommen und wurde von dem Vorsitzenden Richter Hoch ermahnt, wegen ungebührlichen Verhaltens. Der des Lachens Beschuldigte bekam Gelegenheit sich zu erklären. Der Staatsanwalt Weingarten verzichtete allerdings auf Beantragung von Ordnungsgeld, so dass auch der Vorsitzende Richter Hoch noch einmal Gnade gewähren ließ und den Zuschauer nur ermahnte und kein Ordnungsgeld oder gar Ordnungshaft verhängte.
RA Franke regte an, die Zeugin doch ihre Vorgesetzten anrufen zu lassen, um dies zu klären. RA Lindemann schließt sich beidem an.
Der Senat zieht sich für 10 Minuten zur Beratung zurück.
Nach der Pause will die Zeugin weiterhin nichts dazu sagen. Der Antrag auf Ordnungsgeld wird zurückgewiesen, die Zeugin wird gebeten, ihren Vorgesetzten anzurufen, darum 10 Minuten Pause.
Die Zeugin erklärt, keine Angaben zur Frage machen zu dürfen. Im weiteren Verlauf werden noch ein paar Mal Fragen, zu denen sie aufgrund ihrer Aussagegenehmigung nichts sagen darf, gestellt, u.a. wieviele Beamte vor Ort waren und ob eine weitere weibliche Beamtin dabei war. Dies seien taktische Grundlagen, zu denen sie nichts sagen dürfe, wie sie in einem Gespräch mit ihrem Dezernatsleiter Herrn Henninger geklärt hätte.
Zwischendurch wird RA Lindemann bei einer Nachfrage an die Zeugin noch von einem Beisitzenden Richter in aufgeregtem Ton gefragt, ob es ihm heute nicht gut gehe? Diese Frage wird glücklicherweise von RA Lindemann ignoriert, so dass mit der ZeugInnenbefragung fortgefahren werden kann.
Zu der Festnahmesituation kann die Zeugin, wie schon erwähnt nicht viel beitragen, jedoch hat sie schon davon gehört, dass in diesem Zusammenhang ein Verfahren wegen schwerer Körperverletzung im Amt gibt. Mehr weiß sie jedoch nicht.
Zu der Frage, wie denn die Lageeinschätzung an dem Abend gewesen sei, sagte die Zeugin, dass sie lediglich mit einer Beobachtung gerechnet hätten und auch als die Beobachteten überraschenderweise das Stadtgebiet verlassen hätten, hätte sich daran nichts geändert.
Wer die Idee zu der Dienstfahrt Ende Dezember 2008 hatte, weiß sie nicht. Es stand schon an der Tafel als sie auf der Dienststelle ankam. Ihre Motivation war die Vorbereitung auf ihre Zeugenaussage. Sie haben über Schoetzaus Zeugenvernehmung gesprochen, haben sich den Feldweg und das MAN-Gelände angeschaut und des weiteren den Festnahmeort. Wie der eine Festnahmeort in den Bericht gelangt ist, welcher es nun doch nicht war, kann sie nicht erklären, sie denkt, es muss ein Übertragungsfehler gewesen sein. Sie weiß aber auch nicht, wer die Angaben damals gemacht hat.
Sie wird als Zeugin entlassen.
Dem Senat liegt ein Schreiben von Gerhardt vor, dass er bei der Dienstfahrt Ende Dezember nicht dabei war, weil er gar nicht im Dienst war an diesem Tag.
Zeugenbefragung Nr. 2
Der Zeuge Klaus Schulz vom LKA 533 berichtete, erst in den Morgenstunden des 31.7.2007 am MAN-Gelände gewesen zu sein. Es hätte nicht mehr sonderlich viel zu tun gegeben, da der "Strafraum" bereits durch Kollegen anderer Einheiten "abgeräumt" war.
Er hätte zwar die Anweisung gegeben den Tatort einzufrieren, allerdings seien weder durch Schmauchspuren noch durch DNA Spuren an der vermeintlichen Zaun-Überstiegsstelle relevante Erkenntnisse gewonnen worden.
Auf der Wache in Brandenburg sind ihm Gartenhandschuhe aufgefallen, die er bei der Suche nach Spurenmaterial als interessant bewertete.
Zusätzlich zu den Handschuhen lagen in zwei offenen Kisten weitere Gegenstände und Tüten, nicht unbedingt "spurenschonend" verpackt. Eine Verunreinigung der Brandbeschleunigerflaschen zB. mit weiteren DNA Spuren wurde durch diesen Umstand für möglich gehalten.
Zwei Rucksäcke, die in dem stark beschädigten Auto gefunden wurden, erwähnte der Zeuge noch, bevor er nach 20 minütiger Befragung entlassen wurde.
Zeugenbefragung Nr. 3
Der dritte Zeuge des Tages, der BKA Beamte Mark Stolzenfels war beteiligt an der Überwachung diverser Telefongespräche, an Hausdurchsuchungen und der Bewertung von beschlagnamten Asservaten. Auch die Ermittlungen insbesondere gegen den Angeklagten R., gehören zu seinem Aufgabenfeld.
Zu Beginn seiner Vernehmung ging es um die Wertermittlung der drei mit Brandsätzen versehenen Bundeswehrfahrzeuge. Der von dem Zeugen ermittelte Neubeschaffungswert wurde mit insgesamt ca. 344.000€, der aktuelle Wert mit etwa 100.000€ angegeben.
Telekommunikationsüberwachung
Eine 14 tägige Telefonüberwachung des Angeklagten R. habe nichts besonderes ergeben, bis dieser bei einem Gespräch mit einer bis dahin unbekannten Person auf die Nachricht, dass ein Auto wegen eines Defekts nicht fahrbereit sei, besonders fassungslos reagiert habe.
Dieses Gespräch und mehrere kurze Telefonate, in denen ein Mietwagen als Option angesprochen wurde und sich mit dem Angeklagten L. zu einem Treffen verabredet wurde, waren Anlass für den Zeugen, anzunehmen, dass für den Abend des 30.7.2007 sogenannte "Exekutivmaßnahmen" (das heißt zum Beispiel Hausdurchsuchungen und Festnahmen) notwendig werden könnten.
Seine Einschätzung, dass für die Nacht ein Anschlag in Betracht gezogen werden müsse, hätten weitere Beamte geteilt.
Auch die Bundesanwaltschaft (BAW) sei zu einem frühen Zeitpunkt in Kenntnis gesetzt worden. Wahrscheinlich durch die Ermittlungsführerin Frau Alles.
Zum Informationsstand, den die BAW bereits zum 30.7.07 hatte, mochte sich Staatsanwalt Weingarten nicht äußern und verwies auf die Verfahrensführerin der Bundesanwaltschaft.
Die Frage der Verteidigung an den Zeugen, wie lange sie bei einer Anschlagsvermutung die verdächtigen Personen eigentlich "machen lassen" würden und wann eingegriffen werde um eine Straftat zu verhindern, wurde durch den Staatsanwalt hektisch unterbrochen. Um die Beantwortung der Frage zu verhindern, erklärte Weingarten die gestellte Frage für unzulässig.
Desweiteren war den Ausführungen des Zeugen zu entnehmen, dass die Telefonüberwachung auf den Angeklagten H. ausgeweitet wurde, nachdem er zur bisher unbekannten Person, die mit R. telefoniert hätte erklärt wurde. Eine Identifizierung wurde nie wirklich vorgenommen. Behauptungen, Rückschlüsse und einfache Stimmerkennung einzelner Beamter hätte es gegeben.
Durchsuchungen und Asservate
Bei der Durchsuchung des Arbeitsplatzes des Angeklagten R. galt das besondere Interesse der Ermittler dem allen MitarbeiterInnen zugänglichen Computer. Dessen Festplatte wurde gespiegelt und ausgewertet. Besonders der Inhalt dreier Ordner mit folgenden Titeln schien den Behörden wichtig zu sein. 1.-Der kleine Sprengmeister 2.-Die große Geldscheinwerkstadt 3.-Polizeihandbuch.
Die Auswertung der Daten hätte allerdings keinerlei relevante Erkenntnisse ergeben. Die entsprechenden Programme seien gar nicht auf den Computer heruntergeladen worden. Bei der Geldscheinwerkstatt habe es sich um Software zum Herstellen von Spielgeld gehandelt. Und der kleine Sprengmeister enthalte bis auf drei Links zur Suchmaschine nur alphanummerische Codes.
Beim googeln nach dem kleinen Sprengmeister sei er, so der Zeuge, nur auf ein Inhaltsverzeichnis für Bombenbauanleitungen gestoßen und einen rasenden Virus. Aufgrund dessen die weitere Arbeit mit dem kleinen Sprengmeister abgebrochen wurde.
Die allgemeine Erheiterung im Gerichtssaal war nicht gering.
Die Untersuchung von zwei Benzinkanistern, die bei einer Hausdurchsuchung gefunden wurden und der Vergleich mit den Brandbeschleunigerflaschen vom MAN Gelände ergab, dass es sich aller Wahrscheinlichkeit nach jeweils um unterschiedliche Kraftstoffe gehandelt habe.
Ein Vergleich mit Flüssigkeiten, die bei anderen Anschlägen benutzt worden seien, wurde wegen dem zu hohen Aufwand und den geringen Erfolgsaussichten unterlassen. Eine DNA-Analyse von Spuren an den Kanistern und den DNA-Proben von den Angeklagten R.und L. ergaben keine Übereinstimmungen.
Die Daten eines in der Wohnung von R. gefundenen Klapphandys wurden komplett kontrolliert und die gesamte Adressliste überprüft, obwohl es offensichtlich nicht das Handy von R. war.
Zwei Leitzordner mit Internetausdrucken seien, so der Zeuge, ebenfalls nicht verfahrensrelevant gewesen.
Allein wegen vier gefundener Pyro-Knallpatronen und einem Schlagring wurde ein Verfahren wegen illegalen Waffenbesitzes eingeleitet.
Ermittlungen und Bezugskonstruktionen
Weitere Ausführungen des Zeugen ergaben, dass bei den Ermittlungen zu R. durch ein Plakat 2001 und Abkürzungen, die im März 2007 angeblich bei einem Anschlagsort gesprüht worden seien, Verbindungen und Bezüge konstruiert wurden, die der Zeuge allerdings nicht weiter erläutern konnte.
Er konnte auch nicht erklären, warum das einfache Strafverfahren, welches er nach den Ereignissen des 30./31.7.2007 für angebracht gehalten habe, durch die BAW dem Strukturverfahren ( in dem das sogenannte Vereinigungsdelikt mg behandelt und verfolgt wird ) zugeordnet wurde.
An Ende des Verhandlungstages wies die Staatsanwältin auf einen Interneteintrag hin, der sich auf die angebliche Beteiligung des Angeklagten R. an einer öffentlichen Veranstaltung am 11.12.2008 bezieht, bei der sich auch mit der Politik der mg auseinandergesetzt wurde.
Da die Befragung des Zeugen Stolzenfels nicht abgeschlossen werden konnte, wird dieser erneut für Mittwoch den 28.1.09 ab 13.00 Uhr geladen.
Der Prozess geht weiter am Mittwoch 28.1.09 um 9.00 Uhr.