Bericht vom 17. Prozesstag (07.01.2009)
Pünktlich um 9 Uhr eröffnete der Vorsitzende Hoch den 17. Verhandlungstag.
Vernehmung des Zeugen Gerhardt
Die Verteidigung setzte die Vernehmung des Zeugen KHK Christian Gerhardt, 41, MEK LKA Berlin, vom neunten Verhandlungstag (05.11.08) fort. Auch heute kam der Zeuge verkleidet zum Prozess. Er hatte am 31.07.07 (Festnahmetag) die Aufgabe mit mehreren Kollegen zwei Personen zu observieren. Er konnte die beiden Personen jedoch nicht identifizieren als sie den PKW bestiegen. Er konnte sich an den Fahrweg des observierten Fahrzeugs, ein Renault Clio, und an den Halteort in Brandenburg nicht genau erinnern. Auf Nachfragen der Verteidigung sagte der Zeuge, dass er den Observationsbericht verfasst hat. Die Schilderung der Festnahme darin, stamme von seinem Kollegen Kroll. Außerdem seien die Kollegen Schoetzau und Weiß an dem Bericht beteiligt gewesen. Der Zeuge gab zu, mit dem Kollegen Schoetzau über die Verhandlung gesprochen zu haben. Dieser habe ihn auf Abweichungen hingewiesen. Der Zeuge Gerhardt hatte zur vermeintlichen Überstiegsstelle am Zaun geschrieben, dass die Bauzaun-Steighilfe mit der schmalen Seite nach unten am Zaun lehnte. Sein Kollege Schoetzau wies ihn darauf hin, dass die Lichtbilder des Tatortes anderes zeigen. Dann wurden dem Zeugen Gerhardt vom Vorsitzenden farbige Lichtbilder des MAN-Geländes vorgelegt, die vorher nur als schwarz-weiß Kopien vorlagen.
Da der nächste Zeuge erst für 13.00 Uhr geladen war und er kurzfristig auch nicht vorher einbestellt werden konnte, beraumte der Vorsitzenden eine längere Pause bis 13.00 Uhr an.
Vernehmung des Zeugen Kroll
Der Zeuge Jürgen Kroll, 39, MEK LKA Berlin, hat sowohl an der Observation am 31.07.07, als auch bei der Festnahme in Brandenburg teilgenommen. Auch er erschien maskiert zur Vernehmung, mit blonder Langhaarperücke und Schnauzbart.
Die Observation am 30.07.07
Er beschrieb zunächst den Beginn der Observation am 30.07.07 vor dem Wohnhaus eines Angeklagten. Dort seien zunächst drei Personen ziellos umher geirrt. Dann trennte sich eine Person. Die anderen zwei Personen gingen wieder ins Haus und seien dann mit dunklen Rucksäcken und einer weißen Plastiktüte wieder aus dem Haus gekommen und in einen PKW gestiegen, in dem bereits eine Person saß. Der Zeuge folgte dem Fahrzeug mit seinem Observationsteam in Richtung Brandenburg. Dort wurde er von seinen Kollegen auf der Brielower Landstraße abgesetzt und sei dann 3 bis 4 Schritte in einen Feldweg gelaufen. Der Zeuge hat nicht gesehen, wie Personen aus dem Fahrzeug stiegen. Er musste vor zwei Personen ins Gebüsch springen, die ihm auf dem Weg entgegenkamen. Er konnte nicht sagen, ob diese Personen Rucksäcke oder eine weiße Tüte bei sich trugen. Das zu observierende Fahrzeug habe er erst nach 2 bis 3 Minuten wieder gesehen. Er robbte bis auf 5 Meter an das Fahrzeug heran. In dem Fahrzeug sei ab und zu eine Lichtquelle angegangen und so konnte er erkennen, dass darin eine Person saß. Wegen der schlechten Lichtverhältnisse konnte der die Person aber nicht identifizieren. Kroll habe ca. 5 Minuten im Gebüsch verbracht, bis die Personen wieder zum Auto zurück kamen. Die Personen konnte er nicht identifizieren und keine genaue Beschreibung abgeben. Dann ließ sich der Zeuge in ein anderes Fahrzeug aufnehmen als bei der Hinfahrt. In dem Fahrzeug saßen die Kollegen 99100001 und 99100005. Auf Nachfrage wurde festgestellt, dass der Zeuge Kroll seine eigene Codierungsnummer nicht kannte und er musste seine Dienststelle anrufen, damit er sie dem Gericht nennen konnte: 99100056.
Der Vorsitzende fragte den Zeugen, ob die Personen schon vor der Festnahme identifiziert werden konnten. Dies sei mit Hilfe eines Gesichtsphotos eines Angeklagten erfolgt. Der Zeuge konnte sich aber nicht mehr genau erinnern, was auf dem Photo genau abgebildet war. Aufgrund einer früheren Observation eines Angeklagten erkannte der Zeuge ihn jedoch nicht wieder, wohl weil sich dabei nichts Relevantes ergeben hätte. Die Verteidigung sagte dem Zeugen, dass niemand der anderen Beamten vor der Festnahme eine Identifizierung der Person feststellen konnte. Das wisse er nicht, sagte der Zeuge.
Weiterhin wollte er nichts darüber aussagen, wie viele Beamte bei der Observation beteiligt waren. Laut Kroll sei das Fahrzeug während der Observation auf der Fahrt nach Brandenburg nur wenige Sekunden außer Sicht gewesen. Auch die Observation der zwei Personen, die so Kroll wohl vom MAN-Gelände zum Auto kamen, sei, "lückenlos" gewesen, da er von Kollegen durchgehend Informationen darüber bekommen hätte wie und wohin sich die Personen bewegten bis sie "fast" wieder in seinem Observationsbereich ankamen. Eine Weg-Zeit-Berechnung mache diese Lückenlosigkeit deutlich, so der Zeuge. Die Weg-Zeit-Berechnung gäbe es jedoch nicht schriftlich, sondern es handle sich hierbei um eine gefühlte Berechnung. Auf Nachfrage der Verteidigung stellte sich jedoch heraus, dass der Zeuge die Lückenlosigkeit der Observation auf der Fahrt nach Brandenburg nicht bezeugen kann, da er nicht selbst die ganze Zeit hindurch das Fahrzeug sah. Nur durch Berichte von Kollegen hätte er diese Information. Für die Observation in Brandenburg konnte der Zeuge nicht sagen, wie viele Kollegen dort tätig waren und wo sie sich im Einzelnen befanden. Ob die Observation vor Ort lückenlos war konnte er auch nicht sagen.
Die Festnahme
Ca. 10-15 Minuten nachdem Kroll von seinen Kollegen aufgesammelt worden war, erfolgte der Zugriff auf das observierte Auto. Ob der PKW gestoppt wurde, beantwortete der Zeuge nicht. Zeuge Kroll entglaste zunächst die Scheibe an der linken hinteren Tür. Da die Person hinten bereits durch einen weiteren Kollegen dessen Hände Kroll sah, festgenommen wurde, entglaste er die Fensterscheibe der Fahrertür und zog eine Person, die sich später als der Angeklagte H. herausstellte, am linken Arm aus dem Fahrzeug. Er fixierte die Person auf dem Boden, legte Handfesseln an und setzte ihr eine Schlafbrille auf. Dann musste die Person mit dem Gesicht zur Hauswand auf dem Boden kniend auf ihren Abtransport zum Polizeirevier nach Brandenburg warten. Er entschied in dieser Situation selbst, dass der Festgenommene knien müsse, um einer möglichen Flucht vorzubeugen. Die Festgenommen wurden den Polizeibeamten aus Brandenburg überstellt. Der Zeuge sagte, dass seine Kollegin Steinmetz bei der Festnahme beteiligt gewesen ist. Auf die Frage, wie viele Beamte bei der Festnahme dabei gewesen wären, verweigerte der Zeuge die Aussage unter Bezug auf seine Aussagegenehmigung. Auf Aufforderung der Verteidigung verlas Hoch die Aussagegenehmigung des Zeugen Kroll. Nach Protest der Verteidigung, dass die Frage nach der Anzahl der Beamten nicht davon berührt sei, äußerte Hoch, dass der Zeuge selbst entscheide was er aussage und was nicht. Den von der Verteidigung gemachten Vorwurf der Willkür des Zeugen wiegelte der Vorsitzende ab und sagte, er könne hierbei keinerlei Willkür erkennen.
Weiter befragte Hoch den Zeugen, ob es zu Widerstand der Angeklagten und Gewaltanwendung durch Beamte bei der Festnahme gekommen sei. Die Festgenommenen hätten keinen Widerstand geleistet und es habe keine Gewaltanwendung gegeben. Er habe den Angeklagten H., dessen Verhaftung er vorgenommen habe, lediglich am Arm aus dem Auto gezogen. Auch bei den anderen zwei Personen sei seines Wissens keine Gewalt angewendet worden. Hoch wies ihn hierbei auf das anstehende Ermittlungsverfahren wegen Körperverletzung im Amt hin, das gegen Beamte eingeleitet worden ist, da es bei dem Angeklagten L. zu Gewaltanwendung und folglich Verletzungen während der Verhaftung gekommen sei. Der Zeuge hat von dem Verfahren gehört, wusste aber dazu nichts auszusagen. Er selbst sei nur gefragt worden, ob es ein Protokoll zu Festnahme von H. gibt. Zu der Frage wie das Auto gestoppt worden war, konnte der Zeuge mangels Aussagegenehmigung keine Angabe machen. Auch sonst konnte der Zeuge keine Angaben zu anderen Details in der Verhaftungssituation machen. So wusste er beispielsweise nicht, wer die anderen beiden Personen festgenommen hatte, da ihm die Sicht versperrt war. Auch die Frage der Verteidigung, ob bei der Festnahme von einem Beamten "Komm raus du Schwein" gerufen wurde, konnte der Zeuge nicht beantworten.
Dienstfahrt
In Zusammenhang mit der Frage des Vorsitzenden nach dem genauen Festnahmeort, zu welchem in den Berichten verschiedene Angaben zu finden sind, erklärte der Zeuge, er sei zu Vorbereitungszwecken auf die heutige Verhandlung nochmals nach Brandenburg gefahren. Auf die Frage, wer und wie viele Kollegen zu dieser "Vorbereitungsfahrt" mitgefahren seien, machte der Zeuge nur sehr zögerlich Angaben und wies erhebliche Gedächtnislücken auf. Die Ortsbegehung habe vor ca. zwei Wochen stattgefunden. Er könne sich aber nicht daran erinnern, ob er selbst das Fahrzeug gefahren habe und wie viele Fahrzeuge und Beamte es gegeben habe. Letztendlich räumte er ein, dass Gerhardt, Schoetzau, 99100005 und 99100001 mit von der Partie gewesen seien. Das MAN-Gelände, der Feldweg, in dem der PKW parkte und der Festnahmeort wurden von den Beamten besichtigt. An Gesprächsinhalte konnte sich der Zeuge kaum erinnern. Auch warum die anderen Kollegen mitgefahren seien wusste er nicht. Der Kollege Schoetzau habe sich zwar mehrmals mit ihm über die Verhandlung und wie die Vernehmung abläuft unterhalten. Er wisse nicht mehr, ob ein solches Gespräch auch bei der Ortsbegehung stattgefunden habe. Die Verteidigung fragte daraufhin den Zeugen, ob er zu den Personen gehöre, deren Gedächtnis mit Zunahme der vergangenen Zeit besser werde. Daraufhin schaltete sich Bundesanwalt Weingarten ein, der die Frage für unzulässig erklärte. Nach einer kurzen Beratungspause erklärte der Vorsitzende die Frage als unzulässig.
Schlafbrillen
Weiterhin befragte die Verteidigung den Zeugen zu den Schlafbrillen, die den Festgenommenen aufgesetzt wurden. Der Zeuge sagte, es habe hierfür keine extra Anweisung gegeben. Es sei notwendig gewesen, da sonst Gesichter, Technik und Taktik der Beamten bekannt geworden wären. Kroll sagte, dass alle Festgenommenen eine Brille bekamen. Im Bericht steht jedoch, dass nur zwei Personen eine Brille trugen. Die Anwendung von Schlafbrillen hält der Zeuge für verhältnismäßig. Anhand der Frage, ob der Zeuge gesagt hatte die Schlafbrille diene dem Schutz der Beamten oder durch die Desorientierung auch dem Schutz der Festgenommenen entspann sich ein Wortgefecht zwischen Verteidigung und BAW. Der Vorsitzende Hoch ordnete daraufhin eine 5-minütige Beruhigungspause an, da ein solcher gegenseitiger Umgang dem Gericht nicht würdig sei. Nach der Pause informierte die Verteidigung den Zeugen darüber, dass die Schlafbrillen-Methode auch in einem Handbuch der CIA für Foltermethoden zu finden sei. Dieser Umstand war dem Zeugen bisher nicht bekannt.
Darüber hinaus befragte die Verteidigung den Zeugen, wie und wann er Kenntnis erlangte, dass sein Name veröffentlicht wurde. Laut Kroll, sei dies erst über einen Bericht im Internet geschehen. Er räumte ein, dass es vorher keine Veröffentlichung gegeben habe und außer seinem Namen keine privaten Daten veröffentlicht seien. Er oder seine Familie wurden weder bedroht noch aufgesucht oder Ähnliches. Bundesanwalt Weingarten (BAW) schaltet sich ein und erklärt die Frage für unerheblich, da hier nicht entschieden werden muss, ob eine Gefährdung für Beamte vorliegt oder nicht.
Die Verteidigung fragte zudem nach, ob es Anweisungen zur Codierung der Namen und zur Maskierung der Beamten gäbe. Der Zeuge antwortete, der Dienststellenleiter ordnet diese im Einzelfall an. Die Verteidigung stellt bezüglich der Maskierung fest, dass dadurch nicht möglich sei zu erkennen, ob ein Beamter nicht schon im Vorfeld als "Besucher" am Prozess teilnehmen würde.
Anträge der Verteidigung
Von der Verteidigung wurde ein Antrag formuliert, folgende Fragen, die vom Zeugen Kroll mangels Aussagegenehmigung unbeantwortet geblieben sind, zu protokollieren, da die Klage beim Verwaltungsgericht diesbezüglich noch nicht entschieden sei:
1.Anzahl der Personen bei der Observation am 31.07.07?
2.Wie groß war der Abstand zum verfolgten PKW?
3.Wurde der PKW gestoppt?
4.In welcher Form wurde er gestoppt?
5.Wie viele Personen waren bei der Festnahme beteiligt?
Die Verteidigung bat den Vorsitzenden Hoch den Zeugen Kroll darüber hinaus anzuweisen, den für Morgen (08.01.09) geladenen Zeugen nicht über den heutigen Verhandlungstag zu informieren. Der Zeuge entgegnete daraufhin: "Das ist ja nur eine Bitte".
Die Verteidigung fragte, ob es von der "Dienstfahrt der Beamten" nach Brandenburg ein Protokoll gebe und bittet den Vorsitzenden beim LKA anzufragen, ob dieses dem Gericht zur Verfügung gestellt wird.
Die Verteidigung stellte einen schriftlichen Antrag, dass der morgige Zeuge seinen Namen angeben soll. Dies diene zur Überprüfung seiner Glaubwürdigkeit und sei in Anbetracht dessen, dass es in der Vergangenheit zu keinerlei Drohungen gegen Beamte oder Ähnlichem gekommen sei durchaus vertretbar. Über diesen Antrag entschied der Senat am heutigen Prozesstag nicht mehr.
Nächster Prozesstermin am 08.01.2009, 9 Uhr. Geladen ist der Zeuge mit der Codier-Nr.: 99100001