Bericht vom zweiten Prozesstag (01.10.08)

Vor Beginn des Prozesses mussten sich die BesucherInnen wieder den aus der Sicherheitsverfügung resultierenden umfangreichen Kontrollen unterziehen. Dazu gehörte das Abtasten des ganzen Körpers, Schuhe ausziehen zur Kontrolle, alle Dinge bis auf ein Blatt Papier und ein Taschentuch sowie den Personalausweis abgeben. Weiterhin wird der Personalausweis in einer abgeschlossenen, uneinsehbaren Kammer kopiert.

Nachdem der Prozess mit deutlich weniger Presse aber vielen interessierten ZuhörerInnen anfing, gab zuerst die BAW (Bundesanwaltschaft) eine Stellungnahme zu den Anträgen der Verteidigung auf Einstellung oder Aussetzung des Verfahrens vom letzten Verhandlungstag ab. Dabei ging es um fehlende und schlecht lesbare Akten sowie das Trennungsgebot, welches eine enge Zusammenarbeit zwischen Polizei und Geheimdiensten (in diesem Fall Verfassungsschutz), wie sie hier geschehen ist verbietet. So gab es z.B. im März 2008 ein Treffen zwischen BAW und VS im Rahmen der KGT (Koordinierungs-Gruppe Terrorismus). Weiterhin merkte die Verteidigung an, dass es vergangenen Mittwoch in der RBB Abendschau ein Interview mit einem Vertreter der BAW gab, in dem ausgesagt wurde, dass es naturlich einen regen Gedankenaustausch zwischen BAW und VS gegeben hätte, weshalb die Verteidigung auch das Protokoll dieses Treffens als verfahrensrelevant betrachtet. Ein Protokoll liegt aber nicht vor.

Die BAW ist der Meinung, dass alle relevanten Akten der Verteidiung und dem Gericht vorliegen. Akten, welche nicht vorliegen, würden nicht herausgegeben wegen der Gefahr der Verletzung der Persönlichkeitsrechte bzw. weil es hier in erster Linie nur um den versuchten Brandanschlag gehe und nicht um alle Anschläge die sie der mg zurechnet. Dies ist besonders interessant, wenn man die Taktik und heutige Aussage der BAW betrachtet, die mg als eine geschlossene Gruppe anzusehen.

Die Verteidigung bat nun diese Stellungnahme schriftlich zu erhalten, was die BAW mit der Begründung, dass diese nur auf einem Konzept basiere und aus dem Stehgreif gehalten wurde, ablehnte. Die Verteidigung merkte an, dass es für alle ersichtlich gewesen sei, dass die Stellungnahme, welche auch zahlreiche Aktenzeichen enthielt, schriftlich vorgelegen hätte und vorgelesen wurde. Damit wäre diese Begründung unsinnig.

Der Richter verkündete den Beschluss, den Antrag auf Aussetzung und Einstellung des Verfahrens abzulehnen.

Zum Antrag der Verteidigung auf Aushändigung von Akten, welche ihr bisher nur teilweise unleserlich auf DVD vorlagen, beschloss der Richter letztendlich nach längerer Auseinandersetzung mit den Anwälten, dass diese ihnen zwei Wochen
zur Einsicht ausgehändigt werden sollen. Ansonsten wurden die Anträge auf Aushändigung weiterer Akten aus dem Ursprungsverfahren mit der Begründung auf fehlende Relevanz abgelehnt.

Die Verteidigung wies erneut daraufhin, dass sich aber in den vorliegenden Akten etliche Querverweise zu diesen vermissten Unterlagen befinden.

Als Nächstes wurde durch das Gericht eine Liste mit 28 Bekennerschreiben der militanten gruppe verlesen, wobei nur ein tendentiös ausgewählter Satz daraus zitiert wurde, alle weiteren Inhalte sollen im Selbstleseverfahren studiert werden. Dies sei aus prozesswirtschaftlichen Gründen notwendig, so der Richter. Die Verteidigung legte Widerspruch gegen dieses Prozedere ein, da es aus ihrer Sicht notwendig ist, diese im Wortlaut und Zusammenhang zu betrachten.

Die Verteidigung beantragte des weiteren die Aufhebung der monatlichen Meldeauflagen der Angeklagten, da diese sowieso wöchentlich vor Gericht erscheinen müssen. Dem wurde nach einer Beratungspause des Gerichts stattgegeben.

Nun stellte die Verteidigung den Antrag, dass die Prozessbesucher mehr Papier und, in der Erkältungszeit besonders wichtig, mehrere Taschentücher in den Zuschauerraum mitnehmen dürfen. Der Richter gab dem Antrag statt und erklärte desweiteren, dass er mit einem Justizbeamten gesprochen hätte, welcher sagte, dass die Umsetzung der Sicherheitsverfügung ordnungsgemäß ablaufe und keine zusätzlichen Kopien der Ausweise angefertigt würden. Daraufhin gab es kurzes Gelächter im Saal.

Dies nahm der Richter zum Anlass nochmals auf die Notwendigkeit der Sicherheitsverfügung hinzuweisen, da die letzte Sitzung gezeigt hätte, dass nicht nur im Saal Störpotential vorhanden sei, sondern auch außerhalb. Er meinte wohl die angemeldete Kundgebung am letzten Verhandlungstag.

Nach Aussage des Richters, um sich ein besseres Bild von den Angeklagten machen zu können, wurden zwei vermutlich beschlagnahmte Lebensläufe verlesen.

Der Richter schloss die Sitzung mit einem Appell an die Angeklagten, zu den nächsten Terminen zu erscheinen, da sie sonst mit Zwangsmaßnahmen rechnen könnten, bzw. der Prozess auch in ihrer Abwesenheit stattfinden könnte. Diesen Appell wurde er aber immer an Angeklagte richten, nicht nur heute in diesem Prozess.

Am nächsten Verhandlungstag, dem 08.10.2008, um 13 Uhr, finden vermutlich die ersten Zeugenvernehmungen statt.

Kommt zahlreich und rechtzeitig.

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