Mythos »Minihandbuch«

Prozeß gegen »militante gruppe«: Staatsschutzsenat des Berliner Kammergerichts lehnt Ladung von Militärs und Politikern ab. BKA-Experte soll Herkunft eines Beweismittels klären

Im Strafverfahren gegen drei Berliner, denen die Mitgliedschaft in der »militanten gruppe« (mg) und ein versuchter Brandanschlag auf Bundeswehr-LKW vorgeworfen wird, hat das Kammergericht am Donnerstag fast alle Anträge der Verteidigung abgelehnt. Die Rechtsanwälte wollten unter anderem Exbundeskanzler Gerhard Schröder, seinen damaligen Verteidigungsminister Rudolf Scharping (beide SPD), den früheren Außenminister Joseph Fischer (Grüne) sowie den ehemaligen NATO-General Wesley Clark laden lassen. Die Zeugen sollten bestätigen, daß unter deutscher Verantwortung im Kosovo, in Irak und Afghanistan Kriegsverbrechen verübt worden seien. Da die Kriege völkerrechtswidrig gewesen seien, könnten sich die Angeklagten auf das im Grundgesetz verankerte Widerstandsrecht berufen, argumentierten die Veteidiger.

Der fünfköpfige Staatsschutzsenat sah das anders. »Die Vernehmung der beantragten Zeugen ist für die Schuldfrage ohne Bedeutung, begründete der Vorsitzende Richter Josef Hoch am gestrigen 59. Verhandlungstag die Ablehnung der Anträge. Zudem wies Hoch die Einschätzung der Strafverteidiger zurück, daß es sich bei dem Verfahren um einen Versuch handle, antimilitaristischen Widerstand zu kriminalisieren.

Einem der insgesamt zwölf Anträge der Anwälte wurde dann doch stattgegeben. Am kommenden Mittwoch wird ein beim Bundeskriminalamt (BKA) beschäftigter Sachverständiger für Druck- und Kopiertechnik aussagen. Der Beamte soll die Frage beantworten, ob das bei einem der Beschuldigten gefundene »Minihandbuch für Militante« ein Original oder eine Kopie ist. Die Verfasser des zwölfseitigen Papiers werden der »mg« zugerechnet. Der Unterschied könnte entscheidend sein: Sollte sich herausstellen, daß das Schriftstück lediglich eine Kopie, oder sogar nur die Kopie einer Kopie ist, wäre es eher unwahrscheinlich, daß der Besitzer des Papiers zum Autorenkreis gehört.

Das »Minihandbuch« ist neben Fotos eines Anschlagszieles, die ebenfalls bei einem der Angeklagten gefunden wurden, das wichtigste Indiz, mit dem die Bundesanwaltschaft belegen will, daß die Angeklagten zur »mg« gehören. Alle anderen Hinweise hatten sich im Laufe des Verfahrens als unbrauchbar erwiesen. So mußte der Verfassungsschutz bereits vor einigen Wochen einräumen, daß ein angeblich in die linksradikale Szene eingeschleuster V-Mann, seine entsprechenden Informationen nur »vom Hörensagen« bezogen hatte. Die Schlußplädoyers von Bundesanwaltschaft und Verteidigung sowie das Urteil werden im Oktober erwartet.

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