Radikale Richtung

Nach zwei Jahren meldet sich die »militante gruppe« zurück: 40-Seiten-Konvolut zu Anschlägen, Verfolgungsdruck und dem Prozeß gegen drei Berliner Linke. Von Frank Brunner

Die linksradikale »militante gruppe« (mg), die seit 2001 etwa 40 Brandanschläge gegen öffentliche Einrichtungen und private Firmen verübt haben soll, ist nach eigenen Angaben Geschichte. »Wir lösen uns hier und heute als ›mg‹ auf«, heißt es in der neuesten Ausgabe der Zeitschrift radikal, die am Dienstag erschienen ist. Für Bundesanwaltschaft (BAW) und Bundeskriminalamt (BKA), die schon seit Jahren gegen die »mg« ermitteln, dürfte die Erklärung indes kein Grund zur Entwarnung sein. Man werde sich nicht selbst demontieren, sondern das Projekt in »eine erweiterte strukturelle Form« überführen, um es so »perspektivisch auf eine höhere Stufe zustellen«, heißt es kryptisch.

Die Stellungnahme der »mg« kommt durchaus überraschend. Hatte es doch seid Sommer 2007 keinerlei Anzeichen gegeben, daß die Gruppe weiter existiert. Seinerzeit ließ die BAW vier Berliner festnehmen, die der »mg«-Mitgliedschaft verdächtigt wurden. Unter ihnen war auch der Soziologe Andrej Holm. Nach weltweiten Protesten gegen seine Verhaftung verzichtete die Staatsanwalschaft auf eine Anklage. Gegen die drei anderen Beschuldigten wird dagegen seit September 2008 vor dem Berliner Kammergericht wegen »Mitgliedschaft in einer kriminellen Vereinigung« sowie eines versuchten Brandanschlages auf Bundeswehrfahrzeuge in Brandenburg (Havel) verhandelt.

Aus Sicht der Strafverfolgungsbehörden bislang mit bescheidenem Erfolg. So gibt es für den Vorwurf des versuchten Anschlages auf die Armeefahrzeuge lediglich Indizien, aber keine Beweise. Statt dessen mußten vor Gericht zahlreiche Spezialisten von Bundes- und Landeskriminalamt Ermittlungslücken einräumen. Der zweite Anklagepunkt, die Zugehörigkeit zur »mg«, basiert vor allen auf den Aussagen eines V-Manns, den der Verfassungsschutz ins Umfeld der Angeklagten eingeschleust haben will. Doch der – das mußte der Nachrichtendienst später einräumen – bezog seine Einschätzungen lediglich »vom Hörensagen«. Einen weiteren Fauxpas leistete sich das BKA, als herauskam, daß sich Beamte in den Jahren 2005 und 2006, getarnt als linksradikale Gruppe »Die Zwei von der Muppetshow«, mit gefälschten Positionspapieren an einer sogenannten Militanzdebatte der Autonomen im Szeneblatt Interim beteiligt hatten. Erst auf Nachfrage der Verteidiger räumte einer der BKA-Beamten die Manipulation ein. Besonders peinlich: Das Berliner Landesamt für Verfassungsschutz hatte in seinen Jahresberichten beide BKA-Texte zitiert, um so die Gefährlichkeit der »mg« zu dokumentieren.

Das nun aufgetauchte Schreiben könnte – sollte es als echt eingestuft werden – für eine erneute Wende sorgen. Galt doch die Inaktivität der »mg« seit Prozeßbeginn der BAW als ein Indiz gegen die Beschuldigten. Doch nach Ansicht der anonymen Autoren sitzen die Falschen auf der Anklagebank. »Wir können feststellen, daß wir weder durch die Festnahme von linken Aktivisten im Sommer 2007 in unserer personellen Gruppenstruktur tangiert worden wären noch sonst in unserer Existenz gefährdet sind«, betonen sie. Zum Beweis, bekennen sich die Verfasser zu drei Aktionen aus dem Jahr 2009. Dabei geht es um die Brandanschläge auf das Sozialgericht Brandenburg in Potsdam und das Jobcenter der Arbeitsagentur Charlottenburg Mitte Januar sowie auf einen Funkwagen der Bundeswehr im Februar. Ergänzt werden die Anschlagserklärungen mit detaillierten Informationen über die Plazierung der Brandsätze, die normalerweise nur von Insidern stammen können.

Die nun verkündete Auflösung wird denn auch weniger mit dem Verfolgungsdruck durch Polizei und Verfassungsschutz, sondern mit internen Auseinandersetzungen begründet. Man habe »auf das eine oder andere krass fehlbesetzte Pferd gesetzt« und sei »aus dem Stadium des quasi autistischen Dahinwurschtelns nie hinausgekommen«, schreiben die Verfasser. Das soll sich künftig ändern. Die »mg« hoffe, daß die Selbstauflösung eine Öffnung zu anderen linkradikalen Gruppen und damit eine »personelle Stärkung« ermögliche, heißt es in der gestrigen Stellungnahme.

Interview mit der militanten gruppe aus »radikal« 161/2009
Abschluss-Text der militanten gruppe aus »radikal« 161/2009

Das Einstellungsbündnis bittet um Geldspenden für die Soli-Arbeit auf das Konto der Roten Hilfe e.V., Konto-Nr.: 718 9590 600, Berliner Bank, BLZ: 100 200 00, Verwendungszweck: Repression 31.7.2007

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