Feste feiern, wie sie fallen: Antimilitaristische Provokationen

Interview mit dem Büro für antimilitaristische Maßnahmen (Bamm)

Euer Aufruf, am Tag Y am Bundeswehrehrenmal einen Sektumtrunk zu veranstalten, wenn ein deutscher Soldat fällt, hat für Aufregung gesorgt. Was für Reaktionen habt Ihr bekommen?

Die ganze Bandbreite von ausdrücklicher Zustimmung, über kritische Solidarität bis zu Drohungen. Etliche E-Mails von SoldatInnen, von denen uns einige sogar Recht gegeben haben.

Habt ihr mit diesen Reaktionen gerechnet? Was war das Ziel des Aufrufs?

Ziel ist, die Kriegspolitik Deutschlands zu behindern. Wir haben bewusst das Mittel der Provokation gewählt, damit sich möglichst viele Menschen mit dem Thema auseinandersetzen. Da war klar, dass heftige Reaktionen kommen. Ein wenig überrascht hat uns, dass in friedensbewegten, aber auch in linksradikalen Kreisen die politische Thematisierung von Trauer und Tod als Tabubruch ankommt und dass viele uns vorwerfen, die „Menschenwürde“ verletzt zu haben, aber diesen Begriff offenbar für selbsterklärend oder absolut halten.

Warum habt ihr diese Form gewählt, um gegen die Bundeswehr und ihren Kriegseinsatz in Afghanistan zu protestieren?

Es geht um Ent-Heroisierung des Militärs. Jeder „Gefallenentod“ wird von Staat und Militär symbolisch ausgeschlachtet, vom Gruppenfoto mit Sarg über staatstragende Reden bis zur Namensnennung im Ehrenmal. Das sind inszenierte Trauerrituale, um nicht über den mörderischen Krieg, sondern den angeblich heroischen Soldaten zu sprechen. Es gibt nur noch Deutsche, keine Parteien. Diese irrwitzige Logik versuchen wir durch satirisch-provokante Mittel zu durchkreuzen.

In den 70er Jahren sind Linke in die Bundeswehr eingetreten, um bei Soldaten gegen Krieg und Kapitalismus zu agitieren – das scheint jedoch nicht euer Anliegen zu sein. Sind Soldaten und deren Angehörige eure Feinde?

Im Moment bringen sie ja eher AfghanInnen um. Früher war die Bundeswehr eine Massen- und Wehrpflichtigenarmee, heute besteht sie zum Großteil aus Freiwilligen. Wir unterstützen intensiv die Antirekrutierungsarbeit. Nicht die persönliche Schmähung der Soldaten ist unser Ziel, sondern die Ächtung dessen, was sie tun. Unsere, den Ruf der Armee schädigenden Kampagnen halten vielleicht manche Jugendliche von der Bewerbung ab.

Der Aufruf ist auch in linken Kreisen strittig – bei allem Verständnis für das Anliegen. Blutverschmierte Soldaten mit Schweinekopf und Totenfeiern nehmen einige positiv als Satire, andere negativ als geschmacklos und zynisch wahr. Auch Entmenschlichung wurde Euch vorgeworfen. Rechtfertigt der Zweck die Mittel oder verstehen sich Linke nicht auf angemessenen schwarzen Humor?

„Geschmacklosigkeit“ ist keine politische Kategorie. Zuschreibungen wie „Zynismus“ und „schwarzer Humor“ verkennen, dass der Aufruf ein Mittel der Provokation ist. Und wer provoziert, muss nicht das tatsächlich meinen, was sie/er sagt. Natürlich müssen wir uns selbst fragen, ob unsere Kalkulation aufgeht, und ob wir verhältnismäßig vorgehen. Letzteres würden wir bejahen: Denn mit dem Ehrenmal erleben wir eine militaristische Politisierung der Trauer um tote Soldaten, in der bewusst die so genannte private Trauer der Angehörigen und Freunde mit einbezogen und instrumentalisiert wird – um die Weiterführung von Kriegen zu rechtfertigen. Dies nicht zum Thema zu machen, würde einen wichtigen Aspekt des entstehenden Kultes um tote Soldaten ignorieren. Trauer und Tod sind, so wie die Bundeswehr sie praktiziert, politische, kriegslegitimierende Strategien. Wir wollen diese Strategien zersetzen, indem wir das gleiche Thema, nur ganz anders, angehen. Wir entmenschlichen den Soldaten durch eine Schweinemaske, weil der Soldat durch seinen Kriegseinsatz bereits entmenschlicht ist. Das Mittel der Provokation hat also einen unmittelbaren Bezug zu dem, was mit der Provokation thematisiert werden soll.

Wie wollt ihr die Aufmerksamkeit, die Ihr bekommt, für euch bzw. antimilitaristisches Engagement nutzen?

Wir stellen unsere Homepage auf ein blogformat um, damit wir künftig schneller kurze, knackige Statements und Informationen einstellen können. Denn bei solchen Aufregern gibt es ja wahnsinnig viele Zugriffe auf unsere Seite, von Leuten, die uns sonst nie anklicken würden. Und wir wollen das Thema in Zukunft in der Linken verankern.

Info: www.bamm.de

Tags: anti-krieg