Testfeld gegen die radikale Linke

Der Einsatz aller Beteiligten beim MG-Prozess ist hoch

Eindreiviertel Jahre nach ihrer Verhaftung haben im laufenden mg- Prozess gegen Axel, Florian und Olli nun die Verhandlungen zum Themenkomplex »Mitgliedschaft in einer kriminellen Vereinigung« begonnen. Der Prozess läuft somit auf seinen essenziellen Kern zu.

Die Verteidigung hat kurz vor der knapp dreiwöchigen Verhandlungspause mit einem umfangreichen Beweisantrag eine plausible Gegenposition und Neuinterpretation der Anschuldigungen der Bundesanwaltschaft (BAW) präsentiert. Während es ihr gelang, einen BKA-Ermittler vor Gericht als Lügner bloßzustellen, machen sich gleichzeitig deutliche Ermüdungserscheinungen im Solibündnis bemerkbar.

Die Mühen der Ebene

Antirepressionsarbeit ist in erster Linie ein anstrengender und langwieriger Abwehrkampf zur Verteidigung und Schadensbegrenzung eines stattgefundenen »GAUs«. Er lässt sich nur mit viel Mühe mit aktuellen gesamtgesellschaftlich Konflikten von Relevanz zusammenbringen. Die Bezüge zwischen der angeklagten Aktion und weitverbreiteten Positionen in der Linken müssen oftmals vom Solibündnis selbst hergestellt werden. Externe Bezugnahmen auf den Prozess sind eher die Ausnahme.

Während die radikale Linke sich mit einer solidarischen Position zum mg- Prozess schwertut, reduzieren BAW und Gericht den Prozess zum strafrechtlichen Exempel: Nicht PolitikerInnen, die mit Hartz IV Millionen von ArbeiterInnen systematisch in Armut und Arbeitslosigkeit bringen, werden verurteilt, nicht Rüstungsfirmen bestraft, deren tödliches Waffenarsenal immer mehr ZivilistInnen den Tod bringen, nicht diejenigen werden zur Rechenschaft gezogen, die Flüchtlinge an den Grenzen Europas mit systematischer Konsequenz zu Tode verfolgen. Angeklagt wird eine versuchte Brandstiftung mit einem Sachschaden von null Euro, verurteilt werden soll fundamentaloppositioneller Widerstand gegen die herrschenden Verhältnisse.

Wunderwaffe Vereinigungsdelikt

Der Prozess ist er für alle Beteiligten ein praxisnahes Testfeld, bei dem der Vorwurf der Mitgliedschaft in einer »kriminellen Vereinigung« nicht nur der prozessuale Dreh- und Angelpunkt gegen die Beschuldigten ist. Über die konkrete Strafandrohung hinaus kommt dem Vorwurf eine besondere Wirkung zu. Beim Vorwurf der Mitgliedschaft in einer »kriminellen« bzw. »terroristischen« Vereinigung geht durch die besondere Konstruktion als Vereinigungsdelikt eine pauschale Drohung an das gesamte Umfeld der Beschuldigten aus. Sie äußert sich unmittelbar und praktisch in Form umfassender Überwachungs- und Repressionsmaßnahmen.

Über das Ermittlungsraster der sogenannten anschlagsrelevanten Themen kommen weitere Personengruppen ins Fadenkreuz von Ermittlungen. Dieser Mechanismus ist ein wichtiges Wesensmerkmal von Vereinigungsdelikten, die in den seltensten Fällen zu einer Verurteilung führen. Ein solches Instrument ist vielseitig einsetzbar. Neben personenbezogenen Ermittlungen geht es mit Blick auf einen bestimmten Teil der Gesellschaft immer auch um öffentlichkeitswirksame Einschüchterung. Und es ist eine willkommene Argumentationshilfe, um neue Ressourcen bei der Aufstandskontrolle und -bekämpfung zu erschließen.

Der Prozess hat für die BAW Pilotcharakter

Vom Ausgang des mg-Prozesses wird abhängen, ob die seit Jahren anhaltende und ermittlungstechnisch nicht kleinzukriegende Kleingruppenmilitanz in der strafrechtlichen Bewertung in Zukunft als Vereinigungsdelikt gewertet wird. Was beispielsweise in Frankreich noch als legitimes Streikmittel kämpferischer Gewerkschaften angesehen wird, könnte dann in Deutschland mit dem gesamten Überwachungsarsenal des §129 StGB kriminalisiert werden. Sollte die BAW im mg-Prozess durchkommen und die mg als »kriminelle Vereinigung« festgeschrieben werden, kämen die lediglich bei Vereinigungsdelikten zugelassenen Ermittlungsmethoden schon bei geringfügigen Straftaten zur Anwendung. Ebenfalls denkbar ist, militante Aktionen als mg-Aktionen zu bewerten, um den Ermittlungsdruck zu erhöhen und das Strafmaß für geringfügige Straftaten anzuheben. Es gibt also gute Gründe, den laufenden Prozess nicht aus dem Blick zu verlieren.

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