Bericht vom 54. Prozesstag (06.08.2009)

Pünktlich eröffnete der Vorsitzende den heutigen Prozesstag. Die Sitzung begann mit Stellungnahmen der BAW zu mehreren Beweisanträgen der Verteidigung vom 53. Prozesstag.
Die Bundesanwälte Weingarten und Greger verlasen im Wechsel ihre mehrseitigen und teilweise ziemlich unverständlichen Stellungnahmen: Zunächst lehnte die BAW die erneute Ladung der Zeugin Dr. Wohlfahrt (Ärztin eines Angeklagten, Fachbereich Psychiaterin in der Charité) ab, mit der Begründung, die Zeugin habe bereits am 23.07.09 ausgesagt und eine erneute Ladung würde nichts Neues erbringen.
Zweitens beantragte die BAW den Antrag der Verteidigung auf Zeugenvernehmung des BKA-Mitarbeiters Ahrens (Abt. ST 12) abzulehnen, da es sich eher um einen "Beweisermittlungsantrag" handelte, was nicht zulässig sei. Zudem lehnte die BAW die Beiziehung der dafür erforderlichen Akten ab.
Drittens beantragte die BAW, die von der Verteidigung beantragte Ladung folgender Zeugen abzulehnen: Präsidenten des Bundesamtes für Verfassungsschutz Heinz Fromm, Jörg Zierke, Präsident des Bundeskriminalamtes, Frau Schmidt, Abteilung 2, Verfassungsschutz der Senatsverwaltung für Inneres und Sport. Es würde sich dabei um einen „Scheinbeweisantrag“ handeln, der eher ein Ausforschungsinteresse verfolgt. Es sei eine bloße Vermutung, dass der Posteingang der interim überwacht worden sei. Zudem seien die benannten Zeugen aus unterschiedlichen Behörden und könnten daher auch nicht die gleichen Fragen beantworten, da sie nicht den gleichen Wissensstand hätten. Viertens lehnte die BAW den Antrag der Verteidigung ab die Mitarbeiter mit den Decknamen „Ochsenbrücher“ und „Ganser“ vom BfV zu laden. Bundesanwältin Greger verwies dabei auf die in ihren Augen grenzwertigen Thesen der Verteidigung zur Arbeit dieser Bundesbehörde. Der Beweisantrag solle abgelehnt werden, da er irrelevant sei, weil sich daraus keine Aussagen zur möglichen Mitgliedschaft der Beschuldigten in der mg ergeben würden.

RA Lindemann wies die BAW bezüglich ihrer Stellungnahmen darauf hin, dass die meisten bisher befragten Zeugen der Ermittlungsbehörden lediglich Spekulationen und Mutmaßungen geäußert hätten in ihren Befragungen. Weiterhin sei es offenkundig, dass sogar bei Tageszeitungen der Posteingang überwacht worden sei.

RA Herzog äußerte, dass es kollegial von der BAW gewesen wäre, wenn sie der Verteidigung die ausführlichen Stellungnahmen schriftlich zur Verfügung gestellt hätte, so, wie auch die Verteidigung mit ihren Beweisanträgen verfährt. Weingarten äußerte, dass die BAW dies getan hätte, wenn dies angebracht gewesen wäre.

Der Vorsitzende brachte ein, dass der Zeuge mit dem Arbeitsnamen „Guido Eggebrecht“ vom BfV, der am 44. Prozesstag (10.06.09) vernommen wurde, noch keine der offenen Fragen, zu denen er schriftlich Stellung nehmen sollte, beantwortet hatte. Der Zeuge dachte, er würde die Fragen der Verteidigung nochmals schriftlich zugesandt bekommen. Hoch forderte die Verteidigung auf binnen 10 Tagen ihre Fragen schriftlich dem Gericht zukommen zu lassen, welches diese an das BfV weiterleiten wird.

Entscheidung des Senats über die Anträge der Verteidigung vom 30.07.09:
Nach einer einstündigen Pause verkündete der Vorsitzende folgende Entscheidungen des Senats: Der Antrag die Zeugin Wohlfahrt erneut zu laden lehnte er ab. Die Zeugin habe bereits ausgiebig ausgesagt und eine weitere Ladung wäre nur eine Wiederholung bereits verhandelter Sachverhalte. Die Mitarbeiter des BfV, "Ochsenbrücher" und "Ganser", zu laden wurde auch abgelehnt mit der Begründung der Antrag sei für die Hauptverhandlung ohne Bedeutung, da es keine Sachzusammenhänge gebe. Mit der selben Begründung lehnte der Senat auch den Antrag ab, den Beamten Ahrens, BKA, zu laden. Es würde kein Zusammenhang zwischen den Taten der Gruppe „Militantes Bündnis für einen Klassenkampf von unten” und der mg aus Sicht des BKA´s geben, so Hoch.
Den Antrag den Präsidenten des Bundesamtes für Verfassungsschutz Heinz Fromm, Jörg Zierke, Präsident des Bundeskriminalamtes und Frau Schmidt, Abteilung 2, Verfassungsschutz der Senatsverwaltung für Inneres und Sport zu laden, lehnte Hoch auch ab. Der Senat werde allerdings ein Behördenzeugnis einholen und dies der Verteidigung zur Verfügung stellen.

Anträge des heutigen Tages:
Auf Nachfrage des Vorsitzenden ging es nahtlos weiter mit weiteren Anträgen der Verteidigung. RA Schrage erinnerte an den Antrag vom 23.07.09, in dem die Verteidigung forderte einen qualifizierten und unabhängigen Sachverständigen beizuziehen und den Wert der Bundeswehrfahrzeuge in Brandenburg/ Havel und den Schaden an ihnen zu beurteilen. RA Schrage erklärte, dass die Verteidigung dies immer noch beantrage, da der Zeuge Luckershoff, der am 30.07.09 als Zeuge zu diesem Themenstrang ausgesagt hat, zum einen bei der Bundeswehr beschäftigt sei und zum anderen die Fahrzeuge weder vor dem Anschlag, noch nach dem Anschlag persönlich in Augenschein genommen habe. Zudem habe der Zeuge keine geeignete Ausbildung und habe keine konkreten Angaben zur Wertermittlung machen können.

Bundesanwalt Weingarten interveniert sofort gegen diesen Antrag. Es wurde mit Luckershoff bereits ein Sachverständiger geladen, der sich mit den Fahrzeugen auskennt und eine geeignete Ausbildung auf diesem Gebiet besäße. Zudem gebe es keine Anzeichen, dass der Zeuge Luckershoff nicht neutral sei. Wie der Zeuge aussagte, werden die Bundeswehrfahrzeuge in regelmäßigen Abständen auf den neuesten Stand gebracht. Weiter würde aus Sicht der BAW eine genaue Benennung der Schadenshöhe keinen Unterschied machen.

RA Lindemann warf daraufhin ein, dass man sich zwar darüber streiten könne, ob „jemand aus dem anderen Lager“ neutral wäre, nicht aber darüber, dass jemand ungeeignet sei, der die Fahrzeuge nicht einmal gesehen habe.

RAin Weyers stellte den zweiten Antrag des Tages. Sie beantragte, das in der Wohnung eines der Angeklagten beschlagnahmte „Minihandbuch“ zu begutachten. Ein Gutachten werde zeigen, dass es sich bei den Textseiten um eine Kopie eines Computerausdrucks und nicht um einen Originalausdruck handelt. Dies sei eindeutig an der veränderten Qualität des Textbildes zu sehen. Eine Kopie spreche gegen die Urherberschaft des Textes, die das BKA dem Angeklagten bislang unterstellt hat. Ein Kopie spricht vielmehr für die Weiterreichung des Textes an den Angeklagten von Zweiten.

Bundesanwältin Greger beantragt sofort den Antrag abzulehnen. Sie begründete das damit, dass es ohne Bedeutung sei, ob es sich bei den gefundenen Seiten um Originale oder um eine Kopie handelt. Für eine Entscheidung spiele das keine Rolle. Der Text könne als Kopie auch innerhalb der Gruppe weitergereicht worden sein.

Den dritten und letzten Antrag stellte RA Lindemann. Er beantragte KHK Wick, BKA, als Zeugen  zu laden. Dieser könne bezeugen, dass der Brandsatz „Nobelkarossentod“ (NKT) von anderen Gruppen benutzt wurde z.B. von der Gruppe „Klasse gegen Klasse“ und in den Jahren 2001-2009 weit über Berlin hinaus Verwendung fand. In den Bundesländern Sachsen und Rheinland-Pfalz gebe es zum Beispiel über diesen Brandsatz Informationsmaterial der Behörden. Der NKT sei nicht typisch für Anschläge der mg. Laut RA Lindemann gab es in den letzten Jahren etliche Anschläge unter Verwendung des NKT, wobei die Anschläge der mg hierbei prozentual nur einen verschwindend geringen Teil ausmachten.

Bundesanwältin Greger erbat sich daraufhin ein kurze Pause um eine Stellungnahme zu diesem Antrag vorbereiten zu können. Nach der Pause sprach sie sich gegen die beantragte Zeugenvernehmung aus, da es ohne Bedeutung sei, dass der Brandsatz NKT auch von anderen Gruppen verwendet wurde.

Der Vorsitzende stellt die Entscheidung über die Anträge bis auf nach der Sommerpause zurück.

Als Hoch die nächsten Termine ab Anfang September verlas, kam es zu einer Diskussion mit der Verteidigung. Beide RA eines Angeklagten konnten an einem bestimmten Termin nicht, hatten dies aber schon im Juni angekündigt und um Verschiebung gebeten. Der Vorsitzende nahm darauf zunächst keine Rücksicht, konnte sich aber letztendlich dazu durchringen einen Ausweichtermin in dieser Woche von der Verteidigung zu fordern, da es „höchstrichterlich“ erforderlich sei 2 Tage in der Woche zu verhandeln. Dass die Prozesstermine am 16./17.09. allerdings komplett wegen einer Fortbildung des Senat ausfallen werden, fand der Vorsitzende nicht weiter störend.
In einer kurzen Pause konnte sich die komplette Verteidigung auf einen Ausweichtermin einigen.

Der Vorsitzende beendete die Sitzung um 12:30 Uhr.

Nächste Prozesstermine: 02.09., 03.09., 10.09., 11.09. (!Achtung Freitag!) um jeweils 09:00 Uhr, 23.09., 24.09. (wenn noch notwendig, so Hoch)

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