Thema des Prozesses: Antimilitarismus

aus dem Buch "Das zarte Pflänzchen der Solidarität gegossen. Zu den Verfahren und dem Prozess wegen Mitgliedschaft in der militanten gruppe (mg)", S. 51ff, ISBN 978-3-942885-00-3, edition assemblage, März 2011.

„Ich bin nicht nur Pazifist, ich bin militanter Pazifist.“ (Albert Einstein)

Axel, Florian und Oliver wurden bei Brandenburg an der Havel festgenommen. Auf frischer Tat, sagte die BAW. Den drei wurde eine antimilitaristische Aktion vorgeworfen. Einige sprachen von „Glück“, dass die Tat ein Brandanschlag auf Bundeswehrfahrzeuge war. Andere Themenbereiche wären vielleicht nicht derart aufgegriffen worden. Diese Einschätzung war im Bündnis umstritten. Viele waren der Meinung, dass auch soziale, antirassistische oder internationalistische Themen ein produktiver Aufhänger für Solidaritätsarbeit gewesen wären.

Doch so war es der Antimilitarismus. Wenige Wochen vor der Entscheidung im Bundestag, den Bundeswehreinsatz in Afghanistan – gegen den mehrheitlichen Willen der Bevölkerung – erneut zu verlängern, fanden viele eine solche konkrete Abrüstungsinitiative richtig. Das Anzünden von Bundeswehrfahrzeugen war ein symbolischer Akt, der andere Initiativen der Friedens- und antimilitaristischen Bewegung dieser Zeit ergänzte. Ein Anschlag auf Militärfahrzeuge war nachvollziehbar, verständlich, sympathisch, anschlussfähig. „Es gibt zu viele Bundeswehrfahrzeuge“ und „Kriegsgerät interessiert uns brennend“ waren Parolen, die außerhalb des Einstellungsbündnisses entstanden, sich in der Soliarbeit schnell etablierten und auch von uns aufgegriffen wurden. Nicht für alle, aber für die Mehrheit im Bündnis war klar: Antimilitarismus muss ein oder sogar das Thema werden. Wir müssen den Tatsachen ins Auge sehen und der Repression politisch-inhaltlich begegnen, indem mensch sich selbst dazu politisch ins Verhältnis setzt. Solidarität ist jedenfalls nicht längerfristig allein aus Empörung über Repression zu mobilisieren. Deswegen haben wir Antimilitarismus aufgegriffen, zu antimilitaristischen Aktionen (mit) aufgerufen und weitere Aktivitäten des militanten Antimilitarismus zumindest dokumentiert. Es ist über die gesamte Zeit hin auch uns nicht gelungen, die Friedensbewegung und ihre Funktionär_innen mit einzubinden bzw. sie dazu zu bewegen, sich auf uns zu beziehen. Versuche gab es: Zur Afghanistan-Demo im Herbst 2008 war beispielsweise ein Vertreter des Einstellungsbündnisses auch in der Demo-Vorbereitung. Aber wir rannten mit unseren Forderungen und Ideen keine offenen Türen ein. Solidarität und Verständnis gab es allerdings bei der Basis, die militante Abrüstungsaktionen teils auch bejahte.

Die Entscheidung, die bürgerrechtlich ausgerichtete Arbeit zur Überwachung und §129 um diesen Aspekt zu erweitern, finden wir auch im Nachhinein richtig und wichtig. Nach der als Unschuldskampagne wahrgenommenen Kampagne gegen die Kriminalisierung kritischer Wissenschaft und gegen Überwachung war dies ein wichtiger Schritt in der Solidaritätsarbeit. Wir haben uns bemüht, Antimilitarismus zu puschen. Und das mit einigem Erfolg. Diesen Weg schlugen wir, wie oben bereits erwähnt, zunächst sehr vorsichtig ein, weitgehend den rechtsstaatlichen Rahmen wahrend: Solange die Bundeswehr in Afghanistan ist, sei es legitim Bundeswehrfahrzeuge mit Brandsätzen auszumustern. Dabei war uns bewusst, dass militante Kämpfe mehr sind als eine bloße Reaktion auf staatliche Politik, wie beispielsweise die Afghanistan-Beschlüsse des Bundestags. Die militante Linke will mehr als nur „Bundeswehr raus aus Afghanistan“, sie will das Herrschaftsinstrument Bundeswehr abschaffen oder noch deutlicher: den Umsturz der herrschenden Verhältnisse. Die anfangs vorsichtigen Formulierungen wurden später klarer und deutlicher. Das Einstellungsbündnis machte hier eine langsame Entwicklung durch, was sich in seinen Stellungnahmen ausdrückte, die es innerhalb der ersten zweieinhalb Jahre gab. Mit Freude nahmen im Jahr 2009 viele die erfolgreichen Abrüstungsaktionen in München, Ulm, Heilbronn, Berlin, Burg bei Magdeburg und Dresden auf, bei denen Bundeswehrfahrzeuge durch Brandsatzlegen ausgemustert wurden. Insgesamt gab es im Jahr 2009 während des Prozesses zehn Anschläge auf Bundeswehrfahrzeuge. Wir freuten uns darüber, weil damit genau das aufgegriffen wurde, was mit dem mg-Prozess kriminalisiert wurde.