Erklärung zu den 129a Verfahren gegen Andrej H. und andere

Kuratorium und Vorstand der Stiftung Haus der Demokratie und Menschenrechte haben sich auf ihrer Sitzung am 23. August dem „Offenen Brief an die Generalbundesanwaltschaft gegen die Kriminalisierung von kritischer Wissenschaft und politischem Engagement“ (http://einstellung.so36.net/de/offenerbrief) angeschlossen.

Wir werten die Haftverschonung für Andrej H. als einen ersten Erfolg der internationalen Proteste, fordern aber weiterhin die Bundesanwaltschaft auf, „umgehend das § 129a-Verfahren gegen alle Beteiligten einzustellen und Andrej H. sowie die anderen Inhaftierten sofort aus der Haft zu entlassen“, wie es im „Offenen Brief“ heißt.

Bei den von der Bundesanwaltschaft als Beweismittel herangezogenen Veröffentlichungen handelt es sich unter anderem um Beiträge von Andrej H. und anderen in der in unserem Hause arbeitenden Zeitschrift „telegraph“. Diese Zeitschrift ist aus den „Umweltblättern“ hervorgegangen – einem der wichtigsten Informationsblätter der DDR-Opposition. Insbesondere wird ihnen vorgeworfen, sich öffentlich mit dem Prozess der Gentrification kritisch auseinandergesetzt zu haben. Tatsächlich haben einige der Beschuldigten in den neunziger Jahren im Bündnis W.B.A. – „Wir bleiben alle“ – die Traditionen sozialer Stadtpolitik von unten fortgesetzt, die im Prenzlauer Berg zum Beispiel mit dem oppositionellen Wohnbezirksausschuss (WBA) in der Oderberger Straße begann. Über das Berliner Sozialbündnis und die Montagsdemonstrationen reicht die Kontinuität dieser Politik bis zum Bürgerbündnis gegen Privatisierungen heute.

Im September 2006 wurde der Skandal der geheimdienstlichen Überwachung des Berliner Sozialforums öffentlich. Im Frühjahr diesen Jahres wurden massive Durchsuchungen im Vorfeld der G8-Proteste damit begründet, dass man Autoren eines Buches über die Geschichte der Autonomen unterstellte, indirekt Handlungsanweisungen für militante Aktionen gegen den G8-Gipfel gegeben zu haben.

Es häufen sich die Fälle, bei denen Polizei, Geheimdienste und Justiz kritische Publizistik und Wissenschaft, verbunden mit praktischem sozialen Engagement, in die Nähe potenziellen Terrorismus rücken. Diese Drohkulisse soll offensichtlich abschrecken und Keile zwischen kritische Wissenschaft und sozialkritische bzw. linke politische Initiativen treiben.

Politisches Sonderstrafrecht und geheimdienstliche Bearbeitung oppositioneller Aktivitäten sind mit demokratischen Zuständen unvereinbar.

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