Redebeitrag der Antifaschistischen Revolutionären Aktion Berlin [arab]

Redebeitrag der Antifaschistischen Revolutionären Aktion Berlin [arab] auf der Tag-X-Kundgebung um 11:00 vor dem Berliner Kammergericht.

Heute endet mit der Urteilsverkündung des Berliner Kammergerichts einer der aufwändigsten und längsten politischen Prozesse der deutschen Klassenjustiz der letzten Jahre. Die in Teilen der Linken geführten Diskussionen, ob die Beweise bzw. Indizien von BKA, Bundesanwaltschaft und dem fleißig mitarbeitenden Bundesamt für Verfassungsschutz für den Nachweis ausreichen, dass Florian, Axel und Olli zum einen bei Bundeswehrfahrzeuge in Brandenburg an der Havel die Selbstentzündung aktiv befördert haben und zum anderen Mitglieder in der seit 2001 militant agierenden „militanten gruppe“ (mg) sind, finden wir nur mäßig spannend, wenn es um die Frage gehen soll, wie wir als radikale Linke uns zu den drei Angeklagten, den restlichen Betroffenen, gegen die im Kontext der mg ermittelt wird oder der mg überhaupt zu verhalten haben.

Es liegt in der Natur der Sache, dass die staatlichen Repressionsorgane nicht begeistert darüber sind, wenn Menschen aktiv Widerstand gegen das kapitalistische Ausbeutungssystem, gegen Sozialamtsterror und imperialistische Kriege, leisten und sich dabei sogar entschlossen außerhalb der vom Staat vorgegebenen Bereiche zur „Partizipation am demokratischen Meinungsbildungsprozess“ bewegen, weil sie diese kapitalistische Gesellschaft und mit ihr die Organisation dieses Wirtschaftssystems durch den bürgerlichen, demokratischen Staat von Grund auf ablehnen. Unser Ziel, die revolutionäre Überwindung dieser Gesellschaft, ist es, das dem bürgerlichen Staat ein Dorn im Auge ist und auch der Grund ist für die Einrichtung von Spitzel-, Repressions- und Aufstandsbekämpfungsdiensten wie dem Verfassungsschutz, dem Staatsschutz, der kasernierten Bereitschaftspolizei, den Landeskriminalämtern mit ihren nach politischen Feinden differenzierten, verdeckt operierenden Spezialeinheiten und der Bundeswehr, die Falle von „Notständen“ schon heute im Inneren der BRD gegen Aufständische, also z.B. streikende Arbeiter_innen eingesetzt werden kann. Das Ausmaß der Repression im mg-Prozess erklärt sich also größtenteils nicht aus dem angeblich begangenen Rechtsbruch, sondern maßgeblich aus der grundsätzlichen Ablehnung der kapitalistischen Gesellschaft der Aktivist_innen. Umso unverständlicher ist uns das Schweigen und Nicht-Verhalten weiter Teiler der Linken zum mg-Prozess, der einen der schärfsten Angriffe des Staates auf revolutionäre Politik der letzten Jahre darstellt.

Die Erkenntnis, dass die Revolution und die Machtübernahme der ausgebeuteten Massen nicht friedlich ablaufen kann, ist nicht neu. Genauso wenig wie die Idee der bewaffneten oder militanten Propaganda eine neue ist. Trotzdem scheint ihr Ziel, die Vermittlung von revolutionären Inhalten auf eine antagonistische Art, bei vielen in Vergessenheit geraten zu sein.

Einer der thematischen Schwerpunkte der mg war die Verschärfung des faktischen Zwangs zur Lohnarbeit, also die Reformierung des Arbeitsmarkts durch die Agenda 2010 und Hartz IV als staatliche Organisierung der kapitalistischen Ausbeutung von lebenden Kapital, sprich des Proletariats.

Wir befinden uns in einer Zeit der kapitalistischen Krise, die sich momentan wie eine Welle aufbäumt und deren Brechen sich immer deutlicher ankündigt, während bisher mit Propaganda, Konjunktur- und Kurzarbeitsprogrammen versucht wurde, das unvermeidbare hinauszuschieben.

Während die aktuelle Krise aus ökonomischer Sicht die bisher heftigste des kapitalistischen Systems überhaupt ist, sind revolutionäre Kräfte in Deutschland im Vergleich schlechter aufgestellt als z.B. vor der Weltwirtschaftskrise 1929. Angesichts der gesamtgesellschaftlichen Relevanz der sich ankündigenden Versuche des Kapitals, durch eine verschärfte Ausbeutung der Massen aus der Krise herauszukommen und einen neuen Akkumulationszyklus zu beginnen, ist es also umso relevanter, als Revolutionäre Aktivist_innen zusammen das gemeinsame Ziel in den Fokus zu nehmen, statt weiter bei einem autistischen Dahinwurschteln, das sich viel zu oft nur an die eigene „Szene“ richtet, hängen zu bleiben. Denn mit etwas geringerem als der sozialen Revolution ist nun mal keine Perspektive auf eine menschenwürdige Gesellschaft denkbar. Mit ähnlichen Intentionen hat die „militante gruppe“ (mg) in der radikal 161 ihre Auflösung bekannt gegeben, um auf einer höheren Ebene weiterzumachen, konkret einen widerstandsebenenübergreifenden revolutionären Aufbauprozess in Angriff zu nehmen.

Denn die Realität beweist uns nicht nur Tag für Tag die Notwendigkeit von Politikformen, die sich bewusst auch außerhalb der von den Herrschenden vorgegebenen Bahnen bewegen, sondern vor allem die Notwendigkeit, die verschiedenen Ebenen revolutionärer Politik, illegale bewaffnete oder militante Politik genauso wie die überwiegend legale und von Zeit zu Zeit halblegale Bewegungspolitik und die zumeist legale Basisarbeit, miteinander in Verbindung zu setzen, sich also ebenenübergreifend aufeinander zu beziehen. Eine gesellschaftlich verankerte Basisarbeit verkommt zum Selbstzweck und systemerhaltenden karitativen Dienstleistungsbetrieb, solange nicht eine revolutionäre Perspektive sichtbarer Teil des politischen Lebens im Stadtteilladen oder ähnlichem ist. Genauso wie sich jede militante oder bewaffnete Aktion als selbstdarstellerische und möglicherweise sogar schädliche abgehobene Aktion entpuppt, wenn ihr nicht eine peinlich genaue Analyse vorausgeht, wie das Ziel, nämlich die Propagierung der sozialen Revolution, erreicht werden kann; wenn die Aktion also nicht genauestens auf ihre Vermittelbarkeit und Angemessenheit im Kontext der laufenden gesellschaftlichen Kämpfe geprüft wird.

Egal zu welchem Urteil die deutsche Klassenjustiz gekommen ist, für uns gilt es weiterhin, in gesellschaftliche Widersprüche und die sich daraus ergebenden Kämpfe mit sozialrevolutionären Inhalten zu intervenieren. Die Mittel hierfür haben wir selbst nach ihrer Eignung auszuwählen und uns nicht vom bürgerlichen Staat diktieren zu lassen. Gleichwohl gilt es natürlich, den Umfang der möglicherweise folgenden Repression abzuschätzen und Angriffe der Repressionsorgane soweit möglich abzuwehren, indem zum Beispiel für die Betroffenen Solidarität organisiert wird, um das Ziel der Staatsschutzorgane – nämlich Vereinzelung der Aktivist_innen, Angst in deren Umfeld, Einschüchterung bei allen Symphatisanten und Verurteilung und Kriminalisierung der Aktionen in der gesamten Gesellschaft – in weite Ferne rücken zu lassen!

Betroffen sind einige – gemeint sind wir alle!
Solidarität aufbauen – Kapitalismus zerschlagen!
Für einen revolutionären Aufbauprozess!
Für den Kommunismus!

Antifaschistische Revolutionäre Aktion Berlin, Oktober 2009