«Absurde» Verdächtigungen gegen zwei Wissenschaftler?

Haftbefehle gegen mutmaßliche Mitglieder der "mg"

Karlsruhe (dpa/LiZ). Der Bundesgerichtshof hat erstmals Haftbefehle gegen vier mutmaßliche Mitglieder der linksextremen Vereinigung «militante gruppe» (mg) erlassen. Sie waren nach einem versuchten Brandanschlag auf Bundeswehrfahrzeuge festgenommen worden. Die zwischen 35 und 46 Jahre alten Männer aus Berlin stünden unter dem dringenden Verdacht der Mitgliedschaft in einer terroristischen Vereinigung, teilte die Bundesanwaltschaft in Karlsruhe am Donnerstag mit. Drei von ihnen sollen unmittelbar am Versuch beteiligt gewesen sein, am Dienstag drei Lastwagen der Bundeswehr auf dem Gelände der Firma MAN in Brandenburg/Havel in Brand zu stecken. Die Haftbefehle wurden bereits am Mittwoch nach einer Vernehmung in Karlsruhe erlassen. Rechtsanwalt Wolfgang Kaleck, der drei Beschuldigte vertritt, reagierte mit scharfer Kritik auf die Haftbefehle.

Es sei völlig verfehlt, das fehlgeschlagene Anzünden dreier Fahrzeuge ohne jegliche Gefährdung von Menschen als Terrorismus zu bezeichnen. Die nicht vorbestraften und in geordneten Verhältnissen lebenden Männer wären im Normalfall der versuchten Brandstiftung bezichtigt worden und mangels Fluchtgefahr auf freiem Fuß geblieben, sagte Kaleck. Nach seinen Angaben ermittelt die Bundesanwaltschaft gegen drei weitere Beschuldigte aus Berlin.

Einem von ihnen werfen die Terrorismus-Fahnder laut "Spiegel Online" vor, es stünden ihm als Sozialwissenschaftler dank seiner Tätigkeit "Bibliotheken zur Verfügung, die er unauffällig nutzen kann, um die zur Erstellung der militanten Gruppe erforderlichen Recherchen durchzuführen". Dazu Anwalt Kaleck: "Das gilt ja wohl für jeden Wissenschaftler." Für Kaleck und seine Verteidigerkollegen sind die angeführten Verdachtsmomente "an Absurdität kaum zu überbieten".

Damit konnte die Bundesanwaltschaft erstmals Haftbefehle gegen mutmaßliche Mitglieder der Gruppierung durchsetzen, die sich seit 2001 zu mehr als zwei Dutzend militanten Aktionen vor allem im Raum Berlin bekannt hat. Vor dem G8-Gipfel von Heiligendamm hatte die Behörde zwar im Mai Ermittlungen gegen drei weitere mutmaßliche Mitglieder eingeleitet und dabei Wohnungen durchsuchen lassen. Der Tatverdacht ließ sich damals aber nicht erhärten, auch standen die jetzt Beschuldigten damals noch nicht unter Verdacht.

Die Polizei habe drei der vier Festgenommenen auf frischer Tat ertappt, als sie am frühen Dienstagmorgen Brandsätze unter die drei Fahrzeuge legten und anzündeten, hieß es aus Justizkreisen. Die Feuer wurden rasch gelöscht. Die Verdächtigen gehen normalen Berufen nach. Einer soll Krankenpfleger sein, ein anderer in einem linken Buchladen arbeiten.

Die Bekennerschreiben soll ein promovierter Politikwissenschaftler formuliert haben, wobei sich der Verdacht gegen den Wissenschaftler laut Verteidiger unter anderem daraus ergibt, dass ein 1998 von ihm veröffentlichter wissenschaftlicher Artikel "Schlagwörter und Phrasen" enthalte, "die in Texten der 'militanten(n) Gruppe (mg)' gleichfalls verwendet werden". Die Häufigkeit der Übereinstimmung sei "auffallend und nicht durch thematische Überschneidungen erklärlich". Außerdem sei er als promovierter Politologe "intellektuell in der Lage, die anspruchsvollen Texte der 'militante(n) Gruppe (mg)' zu verfassen".

Bisher konnten die Ermittler kaum Fahndungserfolge gegen die «mg» verzeichnen, weil sie bei ihren Nacht-und-Nebel-Anschlägen gegen Einrichtungen von Verwaltung, Polizei, Wirtschaft und Justiz kaum Spuren hinterließen. Menschen wurden bei den Anschlägen bisher nicht verletzt.