Hysterie gegen Linke

Bündnis informierte zum Paragrafen 129a. Von Jörg Meyer

Das „Bündnis für die Einstellung des Paragraf-129a-Verfahrens“ hatte zur Informationsveranstaltung in die Berliner Volksbühne geladen.

Das Theater war voll besetzt, das Interesse an den aktuellen Verfahren und dem Hintergrund groß. Ende Juli waren vier Personen aus Berlin und Brandenburg verhaftet worden, bei drei weiteren gab es Hausdurchsuchungen. Ihnen wird vorgeworfen Mitglieder der „militanten gruppe“ (mg) zu sein, die seit 2001 für zahlreiche Brandanschläge verantwortlich zeichnet.

Anwältin Christina Klemm betonte, dass es neben der politischen Dimension und den teilweise abstrusen Konstrukten, mit denen eine terroristische Vereinigung geschaffen würde, auch eine starke persönliche Komponente gebe. Die Überwachung und Ausforschung aller Lebensbereiche durch Verfassungsschutz und Polizeien sei sehr belastend. „Und nicht jeder hat einen so solidarischen Arbeitgeber, dass er drei Monaten noch einen Job hat. Der 129a kann auch Karrieren zerstören“, sagte Klemm. Fritz Storim, Lehrbeauftragter an der Bremer Universität und beschuldigt in einem anderen Ermittlungsverfahren, bei dem es Anfang Mai zu Durchsuchungen in 40 Wohnungen und Geschäftsräumen gekommen war, bestätigte, dass die permanente Überwachung sehr belastend sei. Dazu gehörten Telefon- und Kameraüberwachung, Observationen und das Verwanzen von Räumen und Fahrzeugen.

Mit den laufenden Ermittlungsverfahren seien nicht nur die Beschuldigten gemeint, sondern die gesamte Linke. Mit einem kollektiven Umgang könne man aber dafür sorgen, dass „der Stein, den sie gegen uns erhoben haben, ihnen selber auf die Füße fällt“, sagte Storim. Für den Magdeburger Sozialwissenschaftler Roland Roth sind der Paragraf 129a und sein Vorläufer der Paragraf 129 Instrumente um „spezifische Bedrohungsszenarien“ zu entwerfen und „vor allem linke Feindbilder aufzubauen“. Als Beispiel nannte er die Kommunistenverfolgung in der BRD in den 50er und 60er Jahren. Mögliche Folge für soziale Bewegungen sei eine „Mobilisierungsbarriere“: Viele Menschen würden aus Angst in die Nähe von Terrorismus gerückt zu werden nicht mehr an Protest teilnehmen. Zudem würden die Ermittlungen, die erfahrungsgemäß einen sehr großen Personenkreis beträfen, auf diese Weise generell Opposition delegimitieren.

Der Präsident der internationalen Liga für Menschenrechte, Rolf Gössner, nannte den Paragraf 129a „nicht mit dem Grundgesetz vereinbar“. Er habe sich auch in der Vergangenheit in erster Linie als Ermittlungsparagraf erwiesen. „Weniger als sechs Prozent der eingeleiteten Verfahren führen überhaupt zu einer Anklage“, so Gössner. Allen Referenten gemein war aus der Analyse der aktuellen Verfahren und der Geschichte des Paragraf 129a die Forderung nach seiner Abschaffung. „Der Paragraf 129a ist kein gutes Gesetz falsch angewandt, sondern ein Einschüchterungsinstrument gegen soziale Bewegungen“, sagte Roth zum Schluss der Veranstaltung, die von vielen Gruppen, Initiativen und auch dem ND unterstützt wurde.