BKA macht sich Verdächtige

Bundeskriminalamt stellt Informationen zur »Militanten Gruppe« auf seine Internetseite. Wer darauf klickt, gerät ins Visier der Ermittler. Von Ralf Wurzbacher

Wer sich über mutmaßliche Terroristen informieren will, ist wahrscheinlich selbst einer. Ein Besuch auf der Webseite des Bundeskriminalamtes kann auf direktem Wege in die Schnüffelnase irgendwelcher Terroristenjäger führen. Wie der Berliner Tagesspiegel am Montag berichtete, wurden etliche Nutzer, die sich im Vorfeld des G-8-Gipfels im Juni auf den Internetseiten des BKA über die angeblich linksterroristische Vereinigung »Militante Gruppe« erkundigt haben, registriert und anhand ihrer Verbindungsdaten identifiziert. Damit seien »weiterführende polizeiliche Ermittlungen wie unter anderem die Identifizierung weiterer Mitglieder der Gruppe ermöglicht« worden, zitierte das Blatt aus einem Vermerk der Behörde. Warum eine Recherche auf der Internetseite des BKA ein Indiz für eine »Mitgliedschaft in einer terroristischen Vereinigung sein soll, bleibt völlig schleierhaft.

Ein vor wenigen Tagen für rechtskräftig erklärtes Urteil des Amtsgerichts Berlin-Mitte sollte den BKA-Leuten allerdings kalte Füße bereiten. In dem Fall ging es um vergleichsweise eher harmlose Praktiken des Bundesjustizministeriums (BMJ). Nach dem Urteil ist es dem Ministerium untersagt, Daten eines Klägers, die im Zusammenhang mit der Nutzung des BMJ-Internetportals übertragen wurden, über das Ende des jeweiligen Nutzungsvorgangs hinaus zu speichern.

Unter Datenschützern und Bürgerrechtlern sorgt der Beschluß für Hochstimmung: »Das ist ein super Urteil, weil es unmißverständlich klarstellt, was Rechtslage ist«, äußerte sich Ralf Behrendt vom Netzwerk Neue Medien (NNM) am Donnerstag gegenüber jW. »Ich glaube, das löst einen Schock bei sehr vielen Anbietern aus.« Wie er erwartet auch der siegreiche Kläger, Patrick Breyer vom Arbeitskreis Vorratsdatenspeicherung (AK Vorrat), eine »Signalwirkung für die gesamte Branche«. Die personenbeziehbare Aufzeichnung des Nutzungsverhaltens sei mit sogenannten Logfiles und Clickstream-Verfahren etwa bei »Großunternehmen wie Google, Amazon und eBay weithin üblich«, schreibt der Jurist Breyer in einer Stellungnahme.

Breyer hatte sich in seiner Klage dagegen verwahrt, daß mit Speicherung seiner IP-Adresse – so etwas wie die Hausnummer seines Computers – nachvollzogen werden könne, welche Informationen für den Besucher von Interesse seien. Je nach Inhalt könnten Rückschlüsse auf politische Meinung, Krankheiten, Religion oder Gewerkschaftszugehörigkeit gezogen werden. Das Gericht folgte dieser Argumentation und wertetet eine derartige Vorratsprotokollierung als »Verletzung des Rechts auf informationelle Selbstbestimmung«. Ab sofort ist es dem Justizministerium demnach verboten, die IP-Adresse des zugreifenden Hostsystems, den Namen abgerufener Dateien oder Seiten, Datum und Uhrzeit des Abrufs sowie die übertragene Datenmenge zu erfassen.

Wenngleich es sich um eine Einzelfallentscheidung handelt, dürfte der Vorgang zahllosen Justitiaren Kopfzerbrechen bereiten. Breyers Beispiel könnte nämlich Schule machen. Er selbst hat in seinem Weblog unter Datenspeicherung.de Vorlagen für Musterklagen bereitgestellt, »mit deren Hilfe sich jeder gegen die Protokollierung wehren kann«. Ob sich etwa der Deutsche Bundestag derart schlechte Publicity wird leisten wollen, muß sich zeigen. Denn selbst der höchste Gesetzgeber im Staat protokolliert gegenwärtig das Verhalten der Nutzer seines Internetportals, »unter Verstoß gegen seine eigenen Gesetze«, wie Breyer zu bedenken gibt.

Praktiken wie die des BKA werden nach Ansicht von Ricardo Cristof Remmert-Fontes von der Humanistischen Union und Berliner Repräsentant des AK Vorrat von keinem der sogenannten Sicherheitsgesetze gerechtfertigt. Auch das von der Bundesregierung geplante Gesetz zur Vorratsdatenspeicherung, das ab 1. Januar 2008 gelten soll, würde an dieser Rechtslage nichts ändern, erläuterte er im jW-Gespräch. Der demnächst vom Bundestag zu beratende Entwurf soll lediglich die Speicherung von Verbindungsdaten beim Telefonieren und eMail-Verkehr für die Dauer von einem halben Jahr ermöglichen. Es sei aber nicht auszuschließen, daß unter Verweis auf eine angebliche »Sicherheitslücke« ein entsprechendes Gesetz gefordert wird, schwant Remmert-Fontes Böses: »Bei Herrn Schäuble kann man nie wissen.«

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