Inhaftierte schweigen zu allen Vorwürfen

Nur wenige Tage nach der Festnahme von vier mutmaßlichen Berliner Mitgliedern der Militanten Gruppe (MG) ist die erste Euphorie der Ermittler über den erhofften Durchbruch im Kampf gegen die terroristische Gruppierung bereits verflogen.

„Die Festgenommenen schweigen bislang zu allen Vorwürfen. Es sieht nicht so aus, als würde sich das alsbald ändern“, sagte ein Beamter des Bundeskriminalamtes (BKA) gestern. Damit hat die Hoffnung der Behörden, nach sechs Jahren Fahndung endlich mehr über die bislang kaum bekannte Gruppe zu erfahren, einen ersten Dämpfer erhalten.

Den drei Festgenommenen Florian L., Oliver R. und Axel H. wird ein versuchter Brandanschlag auf mehrere Bundeswehrfahrzeuge am Dienstag in Brandenburg/Havel vorgeworfen. Der vierte Inhaftierte, AndrejH., soll in engem Kontakt zu dem Trio stehen. Allen vieren wirft die Bundesanwaltschaft Mitgliedschaft in einer terroristischen Vereinigung vor.

Hoffnung auf neue Erkenntnisse

Am Donnerstag hat ein Ermittlungsrichter am Bundesgerichtshof gegen alle vier Festgenommenen Haftbefehl erlassen. Anschließend wurde das Quartett in die Untersuchungshaftanstalt Moabit verlegt. Mehrere linke Gruppen haben für heute Abend 18 Uhr vor der Anstalt zu einer Solidaritätsdemonstration für die Inhaftierten aufgerufen.

Ob ein weiterer Brandanschlag in der Nacht zu gestern mit den Festnahmen im Zusammenhang steht, wird derzeit noch geprüft. An der Schönhauser Allee in Prenzlauer Berg zündeten Unbekannte einen Pkw an, an dem sich ein Aufkleber des Bundesverfassungsgerichts befand.

Unterdessen geben die Sicherheitsbehörden die Hoffnung nicht auf, durch die Festnahmen etwas über Strukturen der Organisation zu erfahren. „Diese Gruppe geistert teilweise als Phantom durch unsere Ermittlungsarbeit“, sagt ein BKA-Beamter. Ein Verfassungsschützer sagte, unter Experten gebe es gar die Auffassung, eine fest strukturierte Organisation namens Militante Gruppe gebe es überhaupt nicht, stattdessen seien mehrere Gruppierungen unter diesem Namen aktiv.

Ungeachtet dieser unterschiedlichen Auffassungen sind sich Justiz, Polizei und Verfassungsschutz in einem Punkt einig: Die Personen hinter der Militanten Gruppe sind extrem gewalttätig und gefährlich. Als Beleg führen Experten nicht nur die mehr als 20 Brandanschläge an, die nach Behördenerkenntnissen auf das Konto der Gruppe gehen. Auch die sogenannte Militanzdebatte gilt als Beleg. In der Militanzdebatte innerhalb der linksradikalen Szene geht es seit Jahren um die Frage, wie weit Gewalt angewandt werden darf. Während die Mehrheit der Szene das Motto „Gewalt gegen Sachen ja, gegen Personen nein“ vertritt, hat sich die Militante Gruppe im Laufe der Jahre zum Wortführer und Einpeitscher derjenigen aufgeschwungen, die Gewalt gegen Personen als „legitimes Mittel“ ansehen.

Die Kaltblütigkeit und Menschenverachtung, die bei den entsprechenden Aufrufen und Veröffentlichungen zum Ausdruck kommt, ist erschreckend. Immer mal wieder verkünden die Propagandisten der Militanten Gruppe, der „Kampf gegen das System Bundesrepublik“ könne nur erfolgreich geführt werden, wenn man entschlossen dazu übergehe, „Träger, Garanten und Profiteure des Systems zu eliminieren“.

Hasserfüllte Pamphlete

Ähnlich hasserfüllt wurde der Tod des Polizeibeamten Uwe Lieschied kommentiert, der im Frühjahr 2006 bei einem Einsatz erschossen wurde. Kurz nach der Tat verübte die Gruppe einen Brandanschlag auf das Polizeipräsidium. In einem Bekennerschreiben machten sich die Täter über die Trauer der Berliner lustig und sprachen verächtlich von einem „Chor des Wehklagens für einen ins Jenseits beförderten Zivilbullen“.

Unter anderem solche hasserfüllten Pamphlete haben zu der umstrittenen Einstufung der Militanten Gruppe als terroristische Vereinigung geführt.

Ein Verfassungsschützer sagte gestern: „Ich kenne die Vorbehalte gegen diese Einstufung. Mit ist auch klar, dass man bei dem Begriff Terrorismus eher an die Morde der RAF und die Anschläge von Islamisten denkt als an Brandanschläge auf Autos. Aber diese Gruppe würde noch eine ganz andere Qualität der Gewalt an den Tag legen, wenn sie dazu die Mittel hätte.“