Uni-Institut diskutiert über mg-Verfahren

Das Ermittlungsverfahren, das die Bundesanwaltschaft gegen vermeintliche Mitglieder der militanten gruppe führt, in dem auch ein Wissenschaftler der Humboldt-Universität beschuldigt wird, hat nun am Otto-Suhr-Institut für Politikwissenschaft der FU Diskussionen ausgelöst.

Kürzlich hatte Prof. Peter Grottian dazu erklärt: „Brandanschläge sind selbst innerhalb der rechtlichen Bestimmungen des Paragraphen 129a nur dann ‚terroristische Akte’, wenn eine erhebliche Gefährdung des Staates nachweisbar ist. Brandanschläge im Rahmen einer sogenannter ‚militanten Aufklärungskampagnen’ erfüllen diesen Tatbestand nicht. Wir stellen erneut fest, dass eine Ermittlungsbehörde Interesse daran hat, Protest gegen die herrschende Politik zu kriminalisieren und mit Terrorismus gleichzusetzen. Eine Generalstaatsanwältin, die bei so einer dürftigen Beweislage eine Ermittlungsverfahren auf der Grundlage des Paragraphen 129a einleitet, die hat in ihrem Amt versagt und lässt sich politisch instrumentalisieren.“

Ihm antwortet nun Detlef Georgia Schulze in einem Offenen Brief: „Lieber Peter Grottian, […]. In welchem Land lebst Du denn? Die Generalbundesanwältin ist doch nicht die Anwältin von linksliberalen oder grünen-nahen Profs oder gar der linksradikalen Szene, die militante Aufklärungskampagnen macht, sondern – wie der Funktionstitel schon sagt – die Anwältin des Bundes, des Staates. […]. Was nötigt […] zu verstehen, […] ist: daß Frau Harms (hättest Du eigentlich so einen lockeren Spruch auch über Rebmann oder Stahl gemacht?) nicht etwa versagt, sondern genau die Prinzipien des deutschen Rechtsstaats umsetzt!“

Schulze erinnert in dem Offenen Brief an die KommunistInnen-Verfolgung in der BRD in den 50er Jahren, an die Berufsverbote der 70er Jahre und den Prozeß gegen Ingrid Strobl und Ulla Penselin in den 80er Jahren, in dem schon einmal die Beschäftigung mit „anschlagsrelevanten Themen“ den Terrorismus-Vorwurf auf sich zog. Dagegen könne auch nicht der gern beschworene Rechtsstaat angerufen werden. Vielmehr sei der Rechtsstaat der Staat, der per se „im Recht“ steht – und nicht unter dem Gesetz und der Verfassung. Schulze erinnert diesbzgl. an die Entscheidungen des Bundesverfassungsgerichts, in denen dieses die Einschränkungen von Verteidiger- und Angeklagtenrechte, die für die Prozesse gegen die RAF eingeführt wurden, sowie die Isolationshaftbedingungen gegen die Gefangenen aus der RAF mit dem Argument gerechtfertigte, das Rechtsstaatsprinzip verlange „die Aufrechterhaltung einer funktionstüchtigen Strafrechtspflege“ (BVerfGE 39, 163; 41, 250: Az.: 2 BvR 135/75 u.a.; 2 BvR 941/5)(1).

Detlef Georgia Schulze publizierte zuletzt: Gefährdetes Leben – Gefährliches Recht. Vom Nutzen und Schaden poststrukturalistischer Rechts- und Politikanalysen, in: Neue Politische Literatur 2006, 203 - 213. Schulze versucht dort zu zeigen, daß der ‚Guantánamo-Komplex’ einen Export des deutschen Rechtsstaatsmodells in die angelsächsische Welt darstellt.

(1)S. dazu zeitgenössisch: Gerald Grünwald, Anmerkung [zu BGHSt 26, 228 - 241], in: Juristenzeitung 1976, 767 - 773.