Kriegsgericht

Während uniformierte Mörder unbescholten bleiben, gibt es keine Gnade für radikale Antimilitaristen: Die Berliner »mg«-Verurteilten müssen in den Knast

Von Frank Brendle

Deutschland ist im Krieg, und so benimmt sich auch die Justiz: Wer hierzulande Militärgeräte zerstört, wird nicht nur wegen Sachbeschädigung, sondern wegen »Mitgliedschaft in einer kriminellen Vereinigung« verfolgt. Auf ein faires Gerichtsverfahren brauchen die Betroffenen nicht zu hoffen.

Der Bundesgerichtshof hat vor wenigen Wochen die Revision dreier Berliner Antimilitaristen verworfen, die zu drei bzw. dreieinhalb Jahren Haft verurteilt wurden, weil sie im Jahr 2007 versucht hatten, Bundeswehrfahrzeuge anzuzünden. Nun will sie die Staatsmacht so schnell wie möglich im Knast wissen: Die Haftantrittsladungen sind zum 8. Juli zugestellt.

Das Gerichtsverfahren war ein hochpolitischer Staatsschutzprozeß. Die politischen Statements gegen die Kriegspolitik, die die Angeklagten eingangs abgaben, wurden flugs als Indiz gewertet für ihre Mitgliedschaft in der »militanten gruppe (mg)«, die als »kriminelle Vereinigung« betrachtet wird. Dafür gab es ansonsten wenig oder untaugliche Indizien wie etwa ein »Mini-Handbuch für Militante«, das sich jeder zusammenkopieren kann. Diese waren zudem im Rahmen einer Hausdurchsuchung gewonnen worden, die mangels Durchsuchungsbeschluß rechtswidrig war – was selbst der BGH einräumte. Im Prozeß sagten Spitzel des Verfassungsschutzes und Ermittler des Bundeskriminalamtes (BKA) aus, die anonym blieben, weder Namen noch Quellen offenlegten und Fragen der Verteidiger häufig mit fehlenden Aussagegenehmigungen abblockten. Den Verteidigern wurden Dutzende von Aktenordnern vorenthalten, dem Gericht selbst vom BKA manipulierte Ordner übergeben. Die Öffentlichkeit des Verfahrens war stark eingeschränkt, nicht nur wegen penibler Zuschauerkontrollen, sondern auch dadurch, daß Beobachter des BKA das Publikum nach potentiellen Sympathisanten der »mg« absuchte und damit abschreckte.

Dieses drakonische Vorgehen ist auch ein Versuch, Nachahmer abzuschrecken. Das ist nur begrenzt erfolgreich. Nicht zuletzt das Massaker, das Bundeswehr-Oberst Klein im September 2009 bei Kundus an rund 100 Menschen verüben ließ, stärkte bei vielen die Überzeugung: Militärgerät, das in Deutschland zerstört wird, richtet in Afghanistan keinen Schaden mehr an. Mittlerweile brennen alle paar Wochen in Deutschland Bundeswehrfahrzeuge, wobei die Täter – wie auch der Verfassungsschutz einräumt– darauf achten, keine Personen zu schädigen.

Was allerdings in der Solidaritätsarbeit kaum geklappt hat, ist, über einen linksradikalen Kreis hinaus Sympathien zu erfahren. Selbst die klassischen, »bürgerlichen« Friedensorganisationen haben sich nur vorsichtig wohlwollend gezeigt. Dabei gehört in anderen Ländern das eigenmächtige Abrüsten von Kriegsgerät, etwa durch christliche Pflugschargruppen, zum akzeptierten Ak­tionskonsens der Friedensbewegung. Deutsche Kriegsgegner pflegen hingegen noch eine »Kultur der Zurückhaltung«, die die Bundeswehr schon längst aufgegeben hat.

Aus: antirepression, Beilage der jW vom 06.07.2011