Zupackend im Zwielicht

Monika Harms ist Generalbundesanwältin. Aber ihr Ermittlungs-Eifer wird immer öfter vom Bundesgerichtshof gestoppt

Es muss für die Chefin der obersten Strafverfolgungsbehörde ein besonderer Stachel im Fleisch sein, dass der Mord an ihrem Amtsvorgänger Siegfried Buback auch nach über 30 Jahren noch nicht aufgeklärt ist. Als Monika Harms einmal erklärte, die tiefen Verletzungen durch die Taten der RAF seien „weder verheilt noch vergessen“, konnte man hinter der kühlen Fassade auch ein sehr persönliches Anliegen erahnen.

Ein bisschen wirkt sie wie aus der Zeit gefallen mit ihrer seltsamen Frisur, dem scharfem Mittelscheitel und einer etwas bizarr nach außen gewellten Lockenrinne. Ihr Metier ist die Verfolgung von Staatsfeinden. 2006 wurde Harms als erste Frau von der damaligen SPD-Justizministerin Brigitte Zypries ins Amt berufen. Seither ging die 63-jährige oberste Ermittlerin in Sachen Staatsschutz nicht zimperlich vor: Immer wieder wurde sie per Gerichtsbeschluss gestoppt.

Zuletzt kurz vor Weihnachten, als auf Anordnung des Bundesgerichtshofs (BGH) das ehemalige RAF-Mitglied Verena Becker freigelassen wurde. Die 57-Jährige war im Sommer 2009 auf Betreiben der Bundesanwaltschaft in Haft genommen worden, weil neue Indizien eine Tatbeteiligung am Buback-Mord nahelegten. Das BGH bewertete die Verdachtsmomente geringer: Sie würden keine ausreichenden Anhaltspunkte dafür geben, dass Becker Schützin oder Fahrerin bei dem Attentat war. Auch bestehe keine Fluchtgefahr. Schon vor einem Jahr wurde eine Anordnung von Harms in Sachen RAF revidiert. Sie wollte Beugehaft gegen vier ehemalige Mitglieder verhängen, um von diesen Aussagen zu erzwingen. Doch der BGH hob die Entscheidung auf und verwies auf das Aussageverweigerungsrecht der Betroffenen.

Vorschnell und unverhältnismäßig

Die Fälle häufen sich, in denen Harms nicht nur vorschnell und unverhältnismäßig handelte oder gar irrte, sondern auch ohne rechtliche Grundlage agierte oder gegen den Datenschutz verstieß. Mag man in manchen Fällen der obersten Staatsanwältin eine gewisse Härte von Amts wegen zubilligen, so stößt das Verständnis für schwerwiegende Fehlentscheidungen an Grenzen.

Im Frühjahr 2007 ordnete sie im Vorfeld des G8-Gipfels von Heiligendamm in größerem Umfang Hausdurchsuchungen und Festnahmen linksorientierter G8-Gegner an. Harms erhob Terrorismusverdacht – nur so unterlagen die Polizeiaktionen ihrer Zuständigkeit. Bei Razzien wurden 40 Objekte durchsucht, 18 Gipfelgegner festgenommen. Im Januar 2008 wurden die Durchsuchungen vom BGH als unzulässig beurteilt, ebenso die Abnahme von Geruchsproben und die Kontrolle von Post. Die Ermittlungen wurden eingestellt.
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Auch ein Verfahren, das Harms gegen die „militante gruppe“ (mg) betrieben hatte, endete mit einer Einstellung. Harms machte die Gruppe für diverse Brandanschläge verantwortlich und verdächtigte ihre Mitglieder der Bildung einer terroristischen Vereinigung. Der BGH sah das anders: Die mg sei mitnichten eine terroristische, sondern vielmehr eine kriminelle Vereinigung – ein wichtiger Unterschied. In diesem Fall ist nicht einmal klar, ob Harms nach der Methode Trial and Error handelte, oder ob ihr die Neufassung des Paragrafen 129a von 2003 schlichtweg gleichgültig war. Seither gilt nämlich, dass der Staat durch eine Gruppe erheblich gefährdet sein muss, um diese als terroristische Vereinigung zu klassifizieren. Im Zusammenhang mit der mg wurde auch der Wissenschaftler Andrej H. der „intellektuellen Täterschaft“ bezichtigt – die Vorwürfe erwiesen sich bisher als haltlos.

Aufforderung zum Rücktritt

Aktionen wie diese brachten den ehemaligen Bundesrichter und linken Bundestagsabgeordneten Wolfgang Nešković vor zwei Jahren dazu, Harms zum Rücktritt aufzufordern. Er warf ihr eine eklatante Fehlserie und Ignoranz der Gesetzeslage vor. Doch die Vorgehensweise der Generalbundesanwältin findet in den Reihen von Union und SPD Unterstützung. Harms genießt dort den Ruf, zupackend und zielstrebig ihrer Aufgabe nachzugehen, obwohl sie und ihre Ermittler mitunter fragwürdige Methoden einsetzen, falsche Verdächtigungen erheben und in einigen Fällen gar nicht zuständig sind.

Selbst die als Erfolg gefeierte Festnahme der so genannten Sauerland-Gruppe, mit der ein Terroranschlag vereitelt worden sei, stellte sich in Nachhinein als zwielichtig dar. Im Zug der Ermittlungen kam heraus, dass ein türkischer Geheimdienstler eine so zentrale Rolle für die Gruppe gespielt haben soll, dass es ohne ihn vermutlich nie zu einem Anschlag gekommen wäre. BND-Leute, die im Kontakt mit dem Agenten standen, wollen angeblich von seiner Rolle nichts gewusst haben.

Zum Umdenken bewegt?

Mittlerweile scheinen die obersten Ermittler den islamistischen Terrorismus ohnehin weniger wichtig zu nehmen. Gleichzeitig wird gegenüber Linken durchgegriffen. Das wirkt wie ein etwas seltsamer Neuaufguss einer längst vergangen geglaubten Zeit, in der der unerbittliche Kampf gegen Linke zum Staatsprogramm gehörte. Es wird künftig zu beo­bachten sein, ob die „politische Beamtin“ Monika Harms auch politisch agiert, indem sie diesen Kurs fortsetzt.

So warnte ihr Haus noch im Dezember vor einer Terrorgefahr im Zusammenhang mit den sich häufenden Brandanschlägen auf Autos in Berlin und Hamburg. Als über Weihnachten erneut Pkw brannten, lehnte es die Bundesanwaltschaft überraschend ab, die Ermittlungen zu übernehmen. Vielleicht ein zaghaftes Zeichen für eine Kursänderung? Möglicherweise hat die Häufung der BGH-Entscheidungen gegen ihre Maßnahmen Monika Harms tatsächlich zum Umdenken bewegt.

Tags: mg | bgh | harms