[audio] Erfurt: Hintergrund der Anschläge auf DHL

Abschrift der Sendung:

Am letzten Wochenende gab es zwei Anschläge auf Packstationen der Post. Die Stationen in Eislebener- und Gorkistraße wurden so beschädigt, dass dort keine Arbeit mehr Möglich war. Außerdem brannten zwei Transporter der Station in der Gorkistraße komplett aus. Die unbekannten Täter hinterließen ein Bekennerschreiben, in dem Sie ihre Anschläge politisch begründen. Seitdem gibt es in der Presse viel zu lesen über die so genannte „Militante Gruppe“, kurz mg, die drei in Berlin verurteilte Männer und eine bundesweite Reihe von Anschlägen auf die Bundeswehr. Doch was hat es damit auf sich?

Die drei Verurteilten heißen weithin nur „Axel, Oliver und Florian“. Am 16. Oktober wurde das Urteil verkündet, drei beziehungsweise dreieinhalb Jahren Haft. Die Anklagepunkte waren: Der Versuch Bundeswehr Transporter der Firma MAN anzuzünden und die Mitgliedschaft in einer kriminellen Vereinigung nach §129, der Militanten Gruppe. Nach Aussagen aus der Linken Szene gab es im Prozess allerdings einige Unstimmigkeiten. Eine dieser Unstimmigkeiten zur Urteilsfindung ist, dass die mg in einer Verlautbarung dementiert hatte, dass Axel, Oliver und Florian Mitglieder seien. Weiter stütze sich die Anklage auf einen, in die Linke Szene eingeschleusten, Informanten, der nur über dritte Informationen, über die Zugehörigkeit von Axel, Oliver und Florian zur mg, bekam. Auch bei der Ermittlung und Aussage des Bundeskriminalamtes kam es zu Skandalen. So deckte die Verteidigung auf, dass wichtige Akten zur Beweisführung doppelt geführt worden waren. Eine Variante war für das BKA und den Verfassungsschutz und eine abgespeckte Variante für das Gericht angelegt worden. Des Weiteren hatten BKA-Beamte eine so genannte „eingeschränkte Aussagegenehmigung“. Das heißt, sie standen vor Gericht nicht in der Pflicht vollständige Aussagen machen zu müssen, wovon sie, laut Angabe von Kritikern, auch regen Gebrauch machten.

Deshalb kam es nach der Urteilsverkündigung am 16. Oktober zu einem lauten Aufschrei in der radikalen Linken Szene. Das Urteil sei ungerechtfertigt und übermäßig, im Vergleich zu anderen Ländern. In Dänemark und Irland sind zum Beispiel Angeklagte zum Vorwurf der Zerstörung von Kriegsgerät freigesprochen worden. Denn das Motto „Was in Deutschland brennt, kann in Afghanistan keinen Schaden mehr anrichten“, welches auch im Falle von Axel, Oliver und Florian Motiv war, brachte Richter dort zur Einsicht.

So kam es auch in Erfurt zu Anschlägen aus „Solidarität“. Die Post Tochtergesellschaft DHL wurde deshalb gewählt, da sie einen Großteil der Logistik für die Bundeswehr und das US-Militär übernimmt. „Sie transportieren Material, das für die imperialistische Kriegsführung notwendig ist, von Feldpost bis zu mörderischen Rüstungsgütern. […]Die Kampagne soll diese Rolle des multinationalen Konzerns als Kriegslogistiker skandalisieren.“ Heißt es auf der DHL-kritischen Internetseite dhl.blogsport.de. Weitere Informationen über die Kampagne gegen die dort als „Deutsche Heeres Logistik“ betitelte DHL können dieser Internetseite entnommen werden.

Die Anschläge werden immer wieder mit der Militanten Gruppe (mg) in Verbindung gebracht. Die mg trat 2001 zum ersten Mal in Erscheinung. Sie kämpfte nach eigener Aussage für Themen wie Sozialabbau, Antiimperialismus, Repression und Antifaschismus. So gab es Brandanschläge gegen den Daimler Benz Konzern, da er einer der Profiteure der Zwangsarbeit in der NS-Zeit gewesen sei. Während der Hartz IV-Reformen kämpfte die mg gegen Sozialabbau und verübten Anschläge auf Arbeits- und Sozialämter. Immer wieder wurden auch scharfe Patronen verschickt. Zum Beispiel an den Regierungsbeauftragten für die Entschädigung der Zwangsarbeiter, Otto Graf Lambsdorff, weil die Entschädigungen für Zwangsarbeiter zu gering gewesen seien. Deshalb ermittelte das Bundeskriminalamt gegen die Gruppe, auf Verdacht der Bildung einer terroristischen Vereinigung nach §129a. Es kam jedoch nie zum Prozess, da die Ermittlungen durch den Bundesgerichtshof eingestellt wurden, weil es sich bei der mg laut Bundesgerichtshof nicht um eine terroristische Vereinigung handele. Im Sommer 2009 lies die mg über die Zeitschrift „radikal“ verlauten: „Wir lösen uns hier und heute als ‚mg’ auf“.

Das lässt vermuten, dass die Brandanschläge in Erfurt nicht auf das Konto der Militanten Gruppe gehen. Wer für die Brandanschläge auf die DHL verantwortlich ist bleibt weiter offen, auch das Landeskriminalamt, das den Fall nun übernommen hat, ist sich noch im Unklaren über die Täter. Weitere Informationen zu den so genannten „§129-Verfahren“ gibt es auch unter einstellung.so36.net, einer linksgerichteten Internetseite.

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