»Der Prozeß ist ein Kasperletheater«

Berliner Kammergericht will unbedingt Verurteilung. Ein Gespräch mit Rechtsanwalt Alexander Hoffmann, der einen der Angeklagten im »mg«-Prozeß verteidigt

Die Beweisaufnahme im Prozeß wegen Mitgliedschaft in der »militanten Gruppe« geht dem Ende zu. Was hat sie ergeben?

Das Berliner Kammergericht hat die Beweisaufnahme auf die in der Anklageschrift angeführten Beweismittel beschränkt und jede Ausweitung auf Tatsachen, die nicht ins Konstrukt der Anklageschrift passen, herausgehalten. Zunächst ging es um das angebliche Tatgeschehen in der Brandstiftungsnacht. Hier klaffen noch erhebliche Lücken bei der Rekonstruktion des Geschehens. Vollkommen löchrig ist die Beweisführung zur Frage der Mitgliedschaft in einer kriminellen Vereinigung. Sehr viel Zeit hat der Senat dazu verwendet, diejenigen Anschläge abzuhandeln, die lediglich im Rahmen der Strafzumessung unseren Mandanten vorgeworfen werden. Zur eigentlichen Frage der Zugehörigkeit unserer Mandanten in den »militanten Gruppen«, zur Frage von deren Struktur ist praktisch nichts bewiesen. Es ist nicht einmal klar, ob die »militanten Gruppen« als einheitliche, geschlossene Struktur überhaupt bestanden haben. War es in der Anklageschrift noch eine ganze Reihe von Indizien, die die Mitgliedschaft der Angeklagten in den »mg« beweisen sollten, so sind nach der Beweisaufnahme nur noch wenige vermeintliche Belege übrig. Dabei handelt es sich einerseits um die Kopie eines Textes, der von der »mg« verfaßt worden sein soll und der in der Szene kursiert haben könnte, andererseits um Fotos eines Anschlagzieles, die bei unseren Mandanten gefunden wurden.

Wird sich diese dürftige Beweislage positiv auf das Urteil auswirken?

Nein. Es ist deutlich geworden, daß alle Unklarheiten zum Nachteil unserer Mandanten ausgelegt werden. Von Anfang an hat der Senat keine Bemühungen gezeigt, gegen die fehlenden Aussagegenehmigungen des Bundeskriminalamts oder des Verfassungsschutzes Druck aufzubauen, um so offene Fragen zu klären. Der Senat hat deutlich gemacht, daß er der in der Angeklageschrift formulierten Argumentation folgen will und wird. Im Grunde genommen war das ganze ein Kasperletheater, in dem nur das bewiesen werden sollte, was von Anfang an als Behauptung aufgestellt wurde.

Konnten Sie die politische Dimension des Anschlages auf die Bundeswehr-LKW aufgreifen?

Anklagebehörde und Strafsenat haben versucht, den politischen Aspekt herauszuhalten. Wir werden am heutigen Mittwoch noch einmal deutlich machen, daß dieser Staat gegen den Widerstand von großen Teilen der Bevölkerung sein Militärprogramm durchsetzt. Und genau das ist auch ein Grund, warum die Bundesanwaltschaft und der Senat mit diesem unbedingten Willen zur Verurteilung agieren: Weil sich der Staat nicht leisten kann, daß ein solcher Widerstand in irgendeiner Form legitim erscheint.