Proteste am »Tag X« geplant

Verfahren gegen »militante gruppe« steht vor Abschluß. Demonstration am Tag der Urteilsverkündung

Im Verfahren gegen die linksradikale Untergrundorganisation »militante gruppe« (mg) werden noch im Oktober die Urteile erwartet. Drei Berliner Linksautonomen, gegen die seit September 2008 vor dem Berliner Kammergericht verhandelt wird, wirft die Generalbundesanwaltschaft vor, am 31. Juli 2007 versucht zu haben, auf einem Gelände der Firma MAN in Brandenburg (Havel) mehrere Bundeswehrfahrzeuge anzuzünden. Außerdem sollen sie Mitglieder der »mg« sein. Der Gruppe werden etwa 30 Anschläge auf öffentliche Einrichtungen und private Firmen zugerechnet. Verletzt wurde dabei niemand. Mittlerweile hat der Vorsitzende Richter die Beweisaufnahme abgeschlossen; derzeit verhandelt das Gericht über die Anträge der Verteidiger. Ein erstes Resümee kann man bereits ziehen: Nach fast zwölf Monaten Verhandlungsdauer ist die Beweislage – trotz umfangreicher Überwachungsmaßnahmen durch Bundeskriminalamt (BKA), Landeskriminalamt (LKA) und Bundesamt für Verfassungsschutz – eher dürftig. So beruht der Vorwurf des versuchten Anschlags auf die Armee-LKW lediglich auf Indizien.

Sicher ist dagegen die dubiose Rolle der Ermittlungsbehörden, die zudem teilweise erstaunlich dilettantisch agierten. So wurde versehentlich bekannt, daß Mitarbeiter des BKA, getarnt als Linksradikale, zwei Beiträge zur sogenannten Militanzdebatte der Autonomen verfaßten, die dann in der Zeitschrift interim veröffentlicht wurden. Man wollte damit eine Reaktion der Szene provozieren sowie mögliche mg-Mitglieder durch einen Hinweis im Text auf die Internetseite des BKA lotsen, wo die IP-Adressen der Besucher registriert wurden, sagte einer der beteiligten Beamten seinerzeit als Zeuge vor Gericht. Für einen ähnlichen Fauxpas sorgte das Bundesamt für Verfassungsschutz (BfV). Mit den Aussagen eines angeblich in die linke Szene eingeschleusten V-Manns glaubte BfVVizepräsiden Hans Elmar Remberg, die mg-Mitgliedschaft der Angeklagten beweisen zu können. Später mußte er einräumen, daß die Erkenntnisse seiner Quelle lediglich »vom Hörensagen stammen«. Anfang September stellte sich heraus, daß zwei Mitarbeiter des Inlandsgeheimdienstes, die seit 1995 Bekennerschreiben zu diversen Anschlägen analysiert hatten, über keine sprachwissenschaftliche Ausbildung verfügen. Dennoch konstatierten sie, daß sämtliche Aktionen auf das Konto von nur einer Gruppe gehen. Linguistische Gutachten vom BKA seien teilweise zu vollkommen anderen Ergebnissen gelangt, kritisieren die Strafverteidiger.

Doch trotz solcher Widersprüche rechnen Beobachter mit einer Verurteilung der Angeklagten. Das »Einstellungsbündnis «, eine Gruppe von Sympathisanten, die den Prozeß beobachtet, ruft deshalb für den »Tag X«, an dem das Urteil verkündet wird, zu einer Kundgebung um acht Uhr vor dem Gebäude des Kriminalgerichts Berlin-Moabit auf. Am selben Tag plant das Bündnis eine Demonstration, die 19 Uhr am U-Bahnhof Kottbusser Tor beginnen soll. Der Prozeß wird am Donnerstag, den 10. September, fortgesetzt. (jW)

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