Das BKA ruft "Wolf"

Ein Lehrstück darüber, wie die Strafverfolgung das Vertrauen der Bevölkerung in sie systematisch zerstört

Am 28.05.2009 gelang es, den seit mehreren Jahren flüchtigen Thomas Wolf zu verhaften. Wolf war von einem Hafturlaub nicht zurückgekehrt und seitdem war es ihm immer wieder gelungen, der Polizei zu entwischen. Wie im Focus berichtet wurde, spielte die umstrittene "Homepageüberwachung" des Bundeskriminalamtes (BKA) eine Rolle hierbei. Diese Taktik besteht darin, diejenigen, die bestimmte Seiten des Webauftrittes des BKA abrufen, einer näheren Untersuchung zu unterziehen. Die IP-Adressen der Besucher werden abgeglichen, analysiert und "Auffälligkeiten" (z.B. wiederkehrende Zugriffe auf eine Seite vom gleichen Computer) sollen letztendlich zu Verdächtigen, deren Mittelsmänner oder Bekannten/Freunde/Verwandten führen.

In dem entsprechenden Focus-Artikel findet sich allerdings keinerlei Hinweis darauf, dass die IP-Adressenüberwachung in irgendeiner Form auch zu Wolfs Festnahme beigetragen hat, sondern lediglich, dass sie bei der Fahndung angewandt wurde. In mehreren anderen Fällen soll die durch das Bundesinnenministerium am März 2009 gestoppte Überwachung der IP-Adressen zur Festnahme von Gesuchten beigetragen haben. Nähere Angaben will das BKA aus ermittlungstaktischen Gründen nicht mitteilen.

das Bundeskriminalamt (BKA) hat die fahndungs- und ermittlungsunterstützende Maßnahme der so genannten "Homepageüberwachung" seit 2001 in mehreren Fällen erfolgreich angewendet. Dabei konnten schwerwiegende Straftaten wie z.B. Tötungsdelikte aufgeklärt werden - die konkreten Fälle benennen wir aus kriminaltaktischen Gründen nicht!
(Pressestelle des BKA)

Im Artikel wie auch in der Antwort des BKA wird geschickt das Wort "erfolglos" vermieden, so dass es sich lohnt, einmal näher zu betrachten, auf welche Weise Thomas Wolf der Polizei "ins Netz" ging. Denn das Internet hatte damit sehr wenig zu tun, vielmehr hatte Herr Wolf per Kontaktanzeige eine Dame kennengelernt, welche ihn erkannte und der Polizei den entscheidenden Tipp gab. Es war eine Kontaktanzeige in der Rubrik "Heiraten", die dem Verbrecher zum Verhängnis wurde. Die Dame wurde misstrauisch weil Wolf sie um Hilfe bat, unter anderem sollte sie für ihn eine Wohnung anmieten, ein Bankkonto eröffnen und ein Auto auf ihren Namen anmelden. Nachdem die Dame ihren Freunden von ihrem neuen Bekannten erzählte, fanden diese letztendlich sein Fahndungsphoto im Internet.

Wolf, der sich darin drei Jahre jünger machte, suchte eine Frau im Alter zwischen 40 und 55 Jahren mit "Pep und viel Herzensbildung". Mit ihr wollte er seinem Leben einen "neuen Turn" geben. Wolf, der kurz zuvor durch eine Entführung 1,8 Millionen Euro Lösegeld erbeutete, beschrieb sich selbst als "finanziell unabhängig". Die Frau, die sich meldete, wurde von Wolf zum Essen eingeladen. "Ich bin der Thomas", stellte der weltweit gesuchte Verbrecher sich ihr vor. Bei der zweiten Verabredung beichtete er ihr, dass er "Dreck am Stecken" habe und ihre Hilfe brauche. Er hätte Geld von einem Autohaus veruntreut. 100 000 Euro wollte Wolf zahlen, damit die Frau unter ihrem Namen für ihn eine Wohnung anmietet, ein Bankkonto eröffnet und für ihn ein Auto auf ihren Namen zulässt. Das machte die Frau stutzig. Sie erzählte die Geschichte Freunden. Die fanden im Internet den Fahndungsaufruf, mit dem nach Wolf gesucht wurde. Der Rest war normale Ermittlungstätigkeit.

Honigtöpfe und Lügen

Es ist nicht der erste Fall, bei dem sich die vom BKA stets vehement verteidigte Homepageüberwachung als nur vermeintlich erfolgreich entpuppt. Die Berichterstattung, die mit vagen Andeutungen und Kommentaren mehr zur Verwirrung als zur Aufklärung beiträgt, erweckt, gerade bei jenen, die die Meldungen nur querlesen/überfliegen, den Eindruck, dass die Ermittlungsmethode nicht nur angewandt wurde, sondern vielmehr einen wichtigen Beitrag zur Klärung/Fahndung beigetragen hat.

Im Fall der Militanten Gruppe (mg) erwies sich die Methode des BKA als eine Mischung aus dem Prinzip Hoffnung und Lockbeiträgen im Internet. Der Rest ist sozusagen Geschichte und schnell erzählt: Das BKA überwachte die Zugriffe auf eine Seite, die sie selbst erst durch ein paar Beiträge quasi "promotet" hatte. Während der entsprechenden Gerichtsverhandlung wurde klar, dass das BKA somit Beweise, die es gegen die mg ins Feld führte (wie die Beiträge), gefälscht hatte.

Die Folgen einer solchen Verfahrensweise wurden bereits erläutert: die Bevölkerung wird sich zunehmend überlegen, ob auf Fahndungsbilder im Internet zugegriffen oder BKA-Seiten aufgerufen werden sollten. Doch das BKA, das sich zunehmend als Behörde geriert, die sich ihrer eigenen Verantwortung nicht bewusst ist, sondern Grenzen für die jetzigen Befugnisse missachtet, während sie gleichzeitig neue fordert, schürt nicht nur das Misstrauen innerhalb der Bevölkerung gegenüber der Strafverfolgung.

Gefahr für die Innere Sicherheit

Es gefährdet letztendlich die innere Sicherheit, die es zu beschützen vorgibt. Denn innere Sicherheit bedeutet auch, dass zwischen Bevölkerung, Regierung und Strafverfolgung Loyalität und Vertrauen herrschen. Dieses Vertrauensverhältnis macht ein System wie das in Deutschland erst möglich, dass darauf aufbaut, dass die Regeln, die die Regierung letztendlich aufstellt, von der Bevölkerung akzeptiert und eingehalten bzw. diejenigen, die diese Regeln nicht einhalten, sanktioniert werden.

Wenn sowohl die Regierung als auch die Strafverfolgung die Bevölkerung nicht nur ignoriert, sondern offen belügt (wie es auch bei den Netzsperren der Fall ist), ist es nur logisch, dass Gleiches zurückkommt. Wenn die Regeln sich so verändern, dass Menschen durch Besorgnis zu Verdächtigen werden, dann wird die Besorgnis schwinden oder aber sie führt nicht mehr zu Konsequenzen.

Schon jetzt führt das Verhalten des BKA dazu, dass Menschen schwerwiegende Straftaten nicht mehr melden möchten weil sie fürchten, durch die Meldung selbst in Ermittlungsmaßnahmen hereingezogen zu werden (und fürchten, dass das BKA wenig subtil bei den Ermittlungen vorgeht). Das BKA fördert somit nicht nur eine Abnahme von für Ermittlungen wichtigen Tipps, es stellt sich auf eine Stufe mit Kriminellen, die lügen und betrügen.

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