Hörensagen als Beweis

Die Ankläger im mg-Prozess erleiden einen Rückschlag

BERLIN. Im Berliner Prozess gegen angebliche Mitglieder der linksextremistischen Vereinigung "militante gruppe" (mg) gerät die Bundesanwaltschaft zunehmend in Beweisnot. Bislang ist es den Anklägern nicht gelungen, stichhaltige Belege für eine mg-Mitgliedschaft der drei Angeklagten vorzulegen.

Die drei Männer im Alter zwischen 36 und 47 Jahre müssen sich seit vergangenem September vor dem Berliner Kammergericht verantworten. Sie waren im Juli 2007 bei dem Versuch festgenommen worden, einen Brandanschlag auf Bundeswehrfahrzeuge in Brandenburg/Havel zu verüben. Die Anklage wirft ihnen versuchte Brandstiftung und Mitgliedschaft in einer kriminellen Vereinigung vor.

Es ist der erste Prozess gegen mutmaßliche mg-Mitglieder. Seit 2001 hat die Bundesanwaltschaft bereits gegen etwa ein Dutzend Personen ermittelt, die sie der Gruppe zurechnet. Einige dieser Verfahren mussten ergebnislos eingestellt werden. Der mg werden 39 Brandanschläge zur Last gelegt.

Bei dem Prozess wird immer offenkundiger, dass die Sicherheitsbehörden so gut wie nichts über die Struktur der Gruppe wissen. Deshalb erscheint es nach fast vierzig Verhandlungstagen mehr als fraglich, dass den Angeklagten eine mg-Mitgliedschaft nachzuweisen ist. Als wichtigsten Beweis hatten die Ankläger bislang die Aussage einer anonymen Vertrauensperson vorgelegt. Sie ist in einem sogenannten Behördenzeugnis des Bundesamtes für Verfassungsschutz (BfV) festgehalten, das Bestandteil der Anklage ist. Darin heißt es, dass die drei Angeklagten nach "vertraulichen, allerdings noch unbestätigten Informationen . der mg angehören sollen". Die Quelle dieser Information werde vom BfV "als im Allgemeinen zuverlässig berichtend und nachrichtenehrlich eingestuft".

Dem Kammergericht aber reicht die Vorlage des Behördenzeugnisses offenbar nicht. In einem Schreiben an das BfV verlangten die Richter Mitte März die Vernehmung der Vertrauensperson oder ihres Führungsoffiziers. Dem Schreiben war ein zweiseitiger Fragenkatalog für beide Zeugen beigefügt. Das BfV lehnte die Befragung ab und übermittelte vor zwei Wochen eine selbst erstellte Antwort auf den Fragenkatalog des Gerichts. Aus diesen Antworten, die der Berliner Zeitung vorliegen, geht hervor, dass der Verfassungsschutz über keinen Informanten innerhalb der mg verfügt. Auch besitzt die Vertrauensperson des Dienstes, deren Aussage ein zentraler Bestandteil der Anklage ist, offenbar keine Erkenntnisse über Strukturen und Mitglieder der mg - so steht es jedenfalls im Schreiben des BfV. Dass die in Berlin angeklagten Männer der Gruppe angehören sollen, hat die Vertrauensperson nicht selbst herausgefunden - diese Erkenntnisse "stammen vom Hörensagen", räumt das BfV ein.

Das Eingeständnis des Verfassungsschutzes ist ein zweiter herber Rückschlag für die Ankläger in dem Berliner Prozess. Ende März wurde der für die mg zuständige BKA-Ermittlungsführer bei einer Falschaussage vor Gericht ertappt. Der Beamte hatte zunächst eine Reihe von angeblich aus dem linksradikalen Spektrum stammenden Aufsätzen analysiert, die sich mit der mg befassen. Unerwähnt ließ er, dass zwei dieser Papiere Fälschungen des BKA waren, mit denen man eine Reaktion der mg provozieren wollte. Erst auf Nachfrage der Verteidiger räumte der BKA-Beamte die Manipulation ein. In den Ermittlungsunterlagen, die dem Gericht bis dahin vorlagen, war die Urheberschaft des BKA verschwiegen worden. Ein "Versehen", wie die Bundesanwaltschaft jetzt in einem Brief an das Kammergericht schrieb.

Demnächst wird das Gericht darüber befinden, ob BKA-Chef Jörg Ziercke und der für die mg-Verfahren zuständige Bundesanwalt als Zeugen über diesen Vorgang vernommen werden sollen.

Tags: bka | verfassungsschutz