Eklat im Gerichtssaal

Im Verfahren gegen die »militante gruppe« werden Presse und Publikum schikaniert. Vizechef des Verfassungsschutzes beruft sich auf dubiosen V-Mann

Von Frank Brunner

Josef Hoch war genervt. »Sie verstehen nicht, was Öffentlichkeit bedeutet«, kritisierte der Vorsitzende Richter im Strafverfahren gegen die »militante gruppe« (mg) am Mittwoch einen der Prozeßbeobachter im Saal 700 des Kriminalgerichts Berlin-Moabit. Die Bundesanwaltschaft (BAW) wirft den drei Berliner Kriegsgegnern Oliver R, Florian H. und Axel H. vor, am 31. Juli 2007 versucht zu haben, in Brandenburg (Havel) mehrere Bundeswehrfahrzeuge anzuzünden sowie Mitglied der »mg« zu sein, die als kriminelle Vereinigung eingestuft wird. »Sie können an der Verhandlung teilnehmen, haben aber keinen Anspruch darauf, alle Vorgänge mitzubekommen«, sagte Richter Hoch am gestrigen 26. Verhandlungstag zu den Zuschauern. Die hatten zum wiederholten Mal über die schlechte Akustik im Gerichtsaal geklagt.

Bereits zuvor hatte einer der anwesenden Zivilpolizisten für einen Eklat gesorgt. Man werde sich sicher einmal nachts im Park treffen, soll der Beamte einem freien Fernsehjounalisten aus Hamburg gedroht haben. Der Reporter hatte in einer Verhandlungspause den Zivilpolizisten um Erlaubnis zum Filmen gebeten. »Es ist unglaublich, daß die Verhandlung wegen eines Zwischenrufs unterbrochen, eine Bedrohung der Presse aber einfach so hingenommen wird«, sagte Rechtsanwalt Alexander Hoffmann, einer der Strafverteidiger.

Richter Hoch setzte die Verhandlung dennoch fort. Als Zeuge war Hans Elmar Remberg, Vizepräsident des Bundesamtes für Verfassungsschutz (BfV), geladen. »Ich bin nur befugt, das zu sagen, was in den Behördenzeugnissen steht«, sagte Remberg gleich zu Beginn. In diesen Dokumenten sind jene Erkenntnisse des BfV zusammengefaßt, die eine Mitgliedschaft der Angeklagten in der »mg« beweisen sollen. Doch anscheinend beruhen diese Informationen hauptsächlich auf den Einschätzungen eines einzigen V-Manns, den der Geheimdienst in das Umfeld der »militanten gruppe« eingeschleust haben will. Der Mann sei eine im allgemeinen zuverlässige Quelle, versichterte Remberg. Auf genauere Angaben verzichtete er. Aus Sicht des Verfassungsschutzes durchaus verständlich. Das Problem dabei: Die Bewertungen des V-Manns sind weder für die Verteidiger noch für das Gericht nachvollziehbar. »Die einzige Aufgabe des Verfassungsschutzes ist es, Daten zu sammeln, die vor Gericht nicht verwendet werden dürfen«, sagte der Berliner Politologie-Professor Wolf-Dieter Narr gegenüber junge Welt. Narr, der als Vertreter des Komitees für Grundrechte und Demokratie den Prozeß beobachtet, kritisierte zudem die »schikanösen Kontrollen«, denen sich Prozeßbeobachter unterziehen müssen. Die Verhandlung wird am heutigen Donnerstag um 14 Uhr fortgesetzt.

Tags: verfassungsschutz | 26. prozesstag