Keine Beweise trotz intensiver Schnüffelei

DNA-Spuren, Faserreste, mitgeschnittene Gespräche: Angeklagten Kriegsgegnern im Berliner »mg«-Verfahren kann bislang trotz aller Mühe nichts angehängt werden

Von Frank Brunner

Schwarze Uniformen, schußsichere Westen und griffbereite Pistolen. Die Polizeibeamten, die am Donnerstag durch die Flure des Kriminalgerichts Berlin-Moabit patrouillierten, präsentierten sich deutlich martialischer als in den Wochen zuvor. Er fühle sich an Staatsschutzprozesse in der Türkei erinnert, so einer der Strafverteidiger zu Beginn des achten Prozeßtages im Verfahren gegen Axel H., Florian L. und Oliver R. Die Bundesanwaltschaft wirft den drei Berlinern vor, im Juli 2007 versucht zu haben, in Brandenburg (Havel) drei Bundeswehrfahrzeuge anzuzünden und Mitglieder der »militanten gruppe« (mg) zu sein, die auf der Basis des Strafgesetzbuch-Paragraphen 129 als »kriminelle Vereinigung« eingestuft wird. Doch außer den Stiefeln der schwerbewaffneten Sicherheitskräfte hörte man wenig Neues im Saal 700 des Berliner Kammergerichts.

So berief sich Ermittlungsleiterin Ulrike Alles vom Bundeskriminalamt (BKA), die bereits zum zweiten Mal vernommen wurde, wiederholt auf Erinnerungslücken oder verweigerte Antworten mit dem Verweis auf die Geheimhaltungsvorschriften ihrer Behörde. Selbst die bisher bekanntgewordenen Indizien sind – trotz monatelanger Überwachung der Angeklagten – dürftig. Daran änderten auch die kriminaltechnischen Gutachten wenig, die der Vorsitzende Richter Josef Hoch einen Tag zuvor verlesen hatte. So konnten den Angeklagten weder DNA-Spuren und Faserreste vom Tatort noch diverse Rückstände von Brandbeschleunigern zweifelsfrei zugeordnet werden. Selbst die phonetische Analyse heimlich mitgeschnittener Gespräche blieb ergebnislos. Einen aufschlußreichen Einblick in die kriminalistische Arbeit gewährte am Mittwoch der BKA-Beamte Raimund Heim, der zum Lebensumfeld eines der Angeklagten ermittelt hatte. »Wir konnten feststellen, daß Axel H. zum Tatzeitpunkt nicht verheiratet war, außerdem gelang es anhand eines sichergestellten schriftlichen Lebenslaufes, seine Arbeitsstelle herauszufinden«, faßte Heim sichtlich unsicher seine Resultate zusammen.

Das teilweise dilettantische Auftreten der Polizeiexperten ist angesichts der Intensität, mit der sie offenbar auf die einzelnen Termine vorbereitet werden, erstaunlich. Seit Prozeßbeginn sitzen jeweils mindestens vier Zivilpolizisten des BKA im Gerichtssaal, beobachten die Verhandlung und protokollieren u.a. die Fragen der Verteidigung und die Aussagen der Zeugen. Es liege der Verdacht nahe, erklärte Rechtsanwalt Thomas Herzog, daß die Auftritte der Beamten im Vorfeld abgesprochen werden. Tatsächlich mußte Kriminalkommissar Heim zugeben, daß er im BKA an einer speziellen Gesprächsrunde zum »mg«-Verfahren teilgenommen hatte.

Mangelnde Vorbereitung dürfte also kaum die Ursache für die bisher wenig überzeugenden Vorstellungen der Staatsschützer sein. Eher könnte deren Unsicherheit aus der nicht ganz unproblematischen Zusammenarbeit mit dem Bundesamt für Verfassungsschutz resultieren.
Sowohl Heim als auch BKA-Ermittlungsführerin Alles sprachen mehrmals von weitergehenden Erkenntnissen, die sie vom Geheimdienst erhalten hätten. Allerdings, so Alles, seien diese »nicht gerichtsverwertbar«. Für einen fairen Prozeß sei es inakzeptabel, wenn bestimmte Ermittlungsergebnisse in die Gerichtsakten gelangen, andere Angaben jedoch verweigert werden, kritisierten die Strafverteidiger. Am 5. November wird die Verhandlung fortgesetzt.

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