Krieg und Repression sind zwei Seiten einer Medaille

Ein Interview mit Axel über seine Verhaftung , Solidarität und den bevorstehenden Prozess

Am 25. September beginnt der Prozess gegen Florian, Olli und dich vor dem Kammergericht Berlin. Als du die Anklage der Bundesanwaltschaft gelesen hast, warst du überrascht?

Wir haben mit dieser Form der Anklage gerechnet. Es war klar, dass sie uns wegen des versuchten Brandanschlags und der Mitgliedschaft in einer »kriminellen Vereinigung« anklagen würden. Schon im Knast hat das uns der Ermittlungsführer des Bundeskriminalamtes (BKA) versichert. Es ist schon überraschend, mit welcher Chuzpe das Trennungsgebot von Verfassungsschutz und BKA umgangen wurde. Dies kann man der Anklageschrift und den bislang übermittelten Akten ganz gut entnehmen. Die zweite Überraschung war, das eine nachrichtendienstliche Quelle, sprich ein Spitzel, behauptet, wir sollen der »militanten gruppe« angehören. Damit sollen offensichtlich die dürftigen und konstruierten Indizien gegen uns aufgewertet werden.

Ihr seid am 31. Juli letzten Jahres bei Brandenburg an der Havel festgenommen worden und einen Tag später per Hubschrauber nach Karlsruhe zum Bundesgerichtshof gebracht worden? Wie lief die Verhaftung ab?

Wir wurden von drei Autos gestoppt. Bewaffnete Männer und Frauen stiegen aus ihren Wagen und schrien: »Hände Hoch!« und »Raus aus dem Wagen!« Mit äußerster Brutalität wurde ich als Fahrer aus dem Wagen geholt. Die Seitenscheibe wurde eingeschlagen, ich wurde aus dem Wagen gezerrt und auf den Boden geschmissen. Mein Gesicht und die Hände waren voller Glassplitter. Ich blieb auf dem Boden liegen, ein Beamter kniete auf mir. Dann wurde mir die Brille entfernt und eine Schlafbrille aufgesetzt, um mich orientierungslos zu machen. Mir wurden die Hände auf den Rücken gefesselt und ich musste kniend auf den Abtransport warten. Denn anderen beiden erging es nicht besser, Florian wurde im Auto mehrmals mit einer Pistole geschlagen und dann schwer verletzt aus dem Auto gezerrt. Dann wurden wir einzeln in ankommende LKA-Fahrzeuge verfrachtet und auf das Polizeirevier Brandenburg gebracht.

Florian leidet durch die brutalen Umstände seiner Verhaftung und die Haft unter posttraumatischen Störungen. Kannst du etwas dazu und zu seinem Gesundheitszustand sagen?

Er lässt sich gerade stationär behandeln, um für den Prozess stabil zu sein. Das Ziel ist es für uns, den Prozess gemeinsam zu führen. Gleichzeitig hat ein vom Gericht bestellter Gutachter seine Prozessfähigkeit untersucht. Das Ergebnis dieser Untersuchung liegt noch nicht vor. Wir warten darauf.

Ihr drei ward vier Monate in Untersuchungshaft in der JVA Moabit. Wie hast du die Zeit im Gefängnis erlebt?

Erst einmal war ich auch überrascht über die krassen Zustände im Knast, totale Überbelegung, siffige Zellen, Schweinefraß und viele Gefangene, die kaum unterstützt werden. Trotz der Sicherheitsverfügung, der wir als sogenannte Terroristen unterlagen, waren wir privilegiert, weil wir breite Unterstützung hatten.

Die ersten Tage im Knast war ich hauptsächlich damit beschäftigt, mich erst mal im Knast zu orientieren und den Alltag zu organisieren. Und ich habe viel darüber nachgedacht, wie es meinen Mitgefangenen und Angehörigen draußen geht. Mit der Zeit habe ich dann einen Umgang mit den Zuständen in der JVA gefunden.

Besonders schwer für mich waren allerdings die Besuche meines Sohnes. Es saßen immer zwei BKA-Beamte dabei, es gab eine Trennscheibe und wir durften uns nicht anfassen. Besonders schwer war das vor allem Dingen für ihn. Neben der Unterstützung durch die Angehörigen, durch Briefe und Besuche war die politische Solidarität sehr wichtig. Jede Aktion, jede Kundgebung, jede Form von Solidarität wirkt gegen die verordnete Isolierung, dadurch wird eine Verbindung von drinnen nach draußen gezogen. Es hilft bei dem Ganzen Subjekt zu bleiben.

Ihr ruft zur Teilnahme an den Demonstrationen gegen den Afghanistankrieg am 20. September in Berlin und Stuttgart auf. Warum?

Wir definieren uns auch als Antimilitaristen. Insofern halten wir den Afghanistankrieg für verbrecherisch. Erst jüngst haben Bundeswehrsoldaten zwei afghanische Kinder und eine Frau von hinten erschossen. Es wird wohl bald den meisten klar werden, dass die Freiheit Deutschlands nicht am Hindukusch verteidigt wird, sondern dass es um wirtschaftliche und politische Machtinteressen geht. Unter dem Deckmantel einer Friedensmission wird der Krieg auch gegen ZivilistInnen geführt. Es ist Teil der herrschenden Militärstrategie, nicht mehr zwischen KämpferInnen, Frauen und Kindern zu unterscheiden, um den Widerstand in Afghanistan zu brechen. Getötete Kinder werden zu Kollateralschäden umdefiniert. Ich finde schon dies allein reicht aus, um sich an den Demonstrationen und anderen Aktionen zu beteiligen.

Werdet ihr das Thema auch im Prozess zur Sprache bringen?

Natürlich.

Was erwartest du von dem Prozess?

Ich hoffe, dass der Prozess solidarisch und kritisch beobachtet und begleitet wird. Und wir wünschen uns, dass wir zusammen mit linken Gruppen und Einzelpersonen auch durch das Verfahren eine antimilitaristische Sichtweise prominenter machen können. Zu der inneren Kriegsführung gehört auch dieser Prozess. Die Repressionsorgane wollen jeglichen Widerstand gegen die Kriegsmaschinerie unterbinden. Krieg und Repression sind zwei Seiten einer Medaille.

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