Vier Verfahren in Sachen MG. Kleine Chronik der Ermittlungsverfahren

Vier Verfahren mit dem Vorwurf »Mitgliedschaft in der militanten gruppe (mg)« sind bisher bekannt geworden. Sie richten sich gegen insgesamt zwölf Personen. Das erste mg­-Verfahren wegen »Gründung der militanten gruppe« wurde offziell 2001 gegen drei Berliner Mitglieder der »Initiative Libertad!« eingeleitet; einer Gruppe, die sich für die Freiheit von politischen Gefangenen weltweit einsetzt. Überwacht wurden die drei Aktivisten schon vor Aufnahme des Ermittlungsverfahrens. Der Verfassungsschutz (VS) hatte sie mindestens seit 1998 observiert.

Von der Bespitzelung erfahren hatte einer der Beschuldigten im Jahr 2002, als ihm von seiner Telefongesellschaft versehentlich die abgehörten Telefonate in Rechnung gestellt wurden. Als das Magazin »Focus« 2003, gespickt mit Geheimdienstinformationen, einen Artikel mit dem Titel »mg enttarnt« veröffentlichte und die Namen der drei Beschuldigten nannte, war klar, weswegen ermittelt wird. Akteneinsicht erhielten sie allerdings erst vier Jahre später.

Ab 2003 ist dann jahrelang nichts passiert, außer dass fleißig bespitzelt wurde. Die Überwachungen umfassten das gesamte Programm, das der § 129a hergibt: Festnetz, Mobiltelefon­ und Internetüberwachung, stille SMS (um die Mobiltelefone zu orten), Peilsender und Wanzen in Autos, Observationen, Filmen der Hauseingänge und anderes mehr. Die Ermittlungsrichter verlängerten die Überwachungsmaßnahmen alle drei Monate, obwohl sich durch vorherige Maßnahmen keinerlei Anhaltspunkte für die Stichhaltigkeit der Beschuldigungen ergeben hatten.

Ermittlungen aufgrund von VS-Informationen
Die drei mg­-Beschuldigten waren dann auch von den Durchsuchungen am 9. Mai 2007 – der Razzia vor dem G8­Gipfel in Heiligendamm – betroffen. Die Durchsuchungen erbrachten keine Beweise, dass an den Beschuldigungen etwas dran ist; eine Anklage wurde nicht erhoben.

Auffällig ist, dass ofensichtlich das Bundesamt für Verfassungsschutz die Verfahren bestimmt. Mehrere mg­-Verfahren wurden eröffnet, nachdem der VS dem BKA Geheimdienstinformation übergab. Auch nach jahrelangen ergebnislosen Ermittlungen behauptete der VS, interne Erkenntnisse zu haben, dass die ersten drei Beschuldigten Gründer der »militanten gruppe« seien und das BKA nur weiter und gründlicher ermitteln müsse, um dies selbst nachzuweisen. Die aus den Akten hervorgehende Zusammenarbeit zwischen VS und BKA unter Umgehung der parlamentarischen Kontrolle ist ein Verstoß gegen das in der BRD verankerte Trennungsgebot von Geheimdiensten und Polizei.

2003 wurden zwei weitere mg­-Verfahren gegen jeweils eine Person eingeleitet. Zum einen gegen einen langjährigen Aktivisten, zum anderen gegen einen Sohn eines Beschuldigten, der eine Hausarbeit über Karl Marx schreiben musste und darüber am Telefon gesprochen hat. Als dann in einer Erklärung der »militanten gruppe« auch ein Marx-­Zitat auftauchte, kam der Sohn ins Visier der FahnderInnen. Sein Verfahren ist bisher das einzige, das eingestellt wurde.

Im Jahr 2006 wurde ein viertes Aktenzeichen angelegt – es ist das aktuelle, aufgrund dessen es am 31. Juli 2007 zu den Verhafungen von Axel, Florian, Oliver und Andrej kam. Dieses vierte mg-­Verfahren lief zunächst gegen vier Personen, darunter Andrej, und wurde dann nach und nach auf insgesamt sieben Personen erweitert. Dazu zählen auch Axel, Florian und Oliver. Sie wurden dabei beobachtet, wie sie in Brandenburg an der Havel Brandsätze unter Bundeswehr­-LKW gelegt haben sollen. Das Verfahren gegen Axel, Florian und Oliver wurde abgetrennt und Anklage erhoben.

Die mg­-Verfahren stehen in einem Zusammenhang mit weiteren in den letzten Jahren eingeleiteten §129a­-Ermittlungsverfahren. Sie sind Teil einer Kriminalisierungswelle gegen die radikale Linke. Das Einstellungsbündnis fordert die Einstellung dieser Verfahren und die Abschafung der Paragrafen.

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