Bericht vom 45. Prozesstag (17.06.2009)

Erklärung der Verteidigung
Um kurz nach 9 Uhr eröffnete der Vorsitzende Richter Hoch den heutigen Prozesstag. Es ging dann gleich noch vor der anstehenden Zeugenvernehmung los mit einer Erklärung der Verteidigung. Die anwesenden VerteidigerInnen widersprachen der Verwertung der Vernehmung des Zeugen vom letzten Prozesstag ("Guido Eggebrecht" vom Bundesamt für Verfassungsschutz), da offensichtlich sei, dass dessen Aussagen lediglich Stimmungsmache und Desinformation seien. So meinte der Zeuge, dass sich Antonio am "Runden Tisch der Militanten" für die Erschießung von Personen ausgesprochen habe, konnte dies jedoch auf Nachfrage nicht belegen. Hingegen wird aus Zitaten, welche die Verteidigung vortrug deutlich, dass Antonio die Erschießung nur im Fall einer Diktatur oder eines neuen Faschismus nicht ausschließt, was sich allerdings noch im Rahmen des Widerstandsrechts Artikel 20 Grundgesetz bewegt.

Zeugenvernehmung
Weiter ging es mit der Vernehmung des Zeugen Horst Thomas Schartenberg, 45 Jahre, KOK beim BKA mit Dienstanschrift in Meckenheim.
Der Zeuge wurde erst nach der Verhaftung der drei Angeklagten hinzugezogen und befasste sich vor allem mit der Asservatenauswertung. So mit dem Computer eines Beschuldigten, Handydaten (u.a. Bilder), mit einer Digitalkamera, Büchern und den Terminkalendern eines Angeklagten. Des weiteren war er bei Vernehmungsversuchen der Angeklagten beteiligt.
Im wesentlichen hat er nichts Auffälliges gefunden, bis auf 10 - 11 Bilder von einem Autohaus, die sich auf dem Computer eines Angeklagten befunden haben sollen. Wo diese Bilder auf dem Computer waren, ob sie verschlüsselt oder versteckt waren, kann er nicht sagen, da er nur mit der Sichtung beschäftigt war und da die Daten schon nicht mehr auf dem Computer waren, sondern anscheinend auf einem Rechner des BKA. Auch die Schlagwortsuche nach, laut dem Zeugen, bei ihnen üblichen Schlagwörtern hat nichts ergeben.
Die 10 - 11 Bilder fielen ihm auf, weil sie offensichtlich nicht privat waren. Außerdem waren sie angeblich aus außergewöhnlichen Positionen aufgenommen worden.
Bei der Sichtung von sichergestellten Videokassetten, war ihm eines aufgefallen, welches auch im Rahmen eines Films ein Interview mit Reinders beinhalte, welchen der Zeuge der RZ zuordnete. Der habe sich allerdings wie ein "ganz normaler anderer Ganove" ausgedrückt. So habe er gesagt, er "hätte sich nicht brechen lassen" und "ihn hätten sie nicht kleingekriegt" sowie, dass er nicht mit den Behörden zusammengearbeitet hätte.
Bei den Bildern, die sich auf dem Handy befunden hätten, sind ihm zwei aufgefallen, die ein Plakat zeigen, auf welches Zeitungsfotos von einem Brandanschlag auf Polizeifahrzeuge geklebt worden seien und darunter gestanden hätte: "Bullenschweine wir kriegen euch alle" und "Deutschland abfackeln".
Die Bücher und Schriften hat er nicht ausgewertet, da er ja nicht im Thema steckt, sondern nur dazugezogen worden sei.
In den Terminkalendern eines Angeklagten, die er gesichtet hat, ist ihm nichts besonderes aufgefallen, weshalb, so der Zeuge, die später noch einmal untersucht worden seien.
Ansonsten war er noch bei erfolglosen Vernehmungsversuchen der Angeklagten beteiligt.
Da weder die Bundesanwaltschaft (BAW) noch die Verteidigung Fragen hatten, wurde der Zeuge gleich um 9:30 Uhr entlassen und es folgte eine Pause bis 11 Uhr.

Nach der Pause ging es weiter mit der Zeugenvernehmung von EKHK Albert Schäfer, 56 Jahre, vom BKA, ebenfalls dienstlich in Meckenheim. Er sollte befragt werden zu dem Mini-Handbuch, einem Brustbeutel und Hintergrundliteratur. Des weiteren hatte er die Aufgabe, die jetzt Angeklagten nach der Verhaftung im Juli 2007 mit dem Hubschrauber nach Karlsruhe zu bringen.
Er hatte von der Wohnungsdurchsuchung bei einem Angeklagten einen Papierstapel bekommen, wobei ihm gleich aufgefallen war, dass dabei Papiere gewesen sind, die er schon einmal gesehen hatte.
Darunter war auch das sogenannte Mini-Handbuch für Militante von der mg, die sich, so der Zeuge, darin auch selbst als Autor benennen würden. Aussagen wie auch einige Textpassagen seien sehr ähnlich bis identisch wie bei anderen mg-Texten. Seiner Meinung nach wurden Kapitel null und eins in der Wohnung gefunden. Die laut Inhaltsverzeichnis weiteren Kapitel wurden dort nicht gefunden, auch nach späterer weiterer Recherche nicht woanders. Wer diese Teile abgefasst hat, kann er nicht sagen, es würde sich seiner Meinung nach aber um einen fortgeschrittenen Entwurf handeln.
Bei einem weiteren Angeklagten und einem Beschuldigten wurden Texte gefunden, die nach seiner Auffassung als Grundlage für das Mini-Handbuch anzusehen sind. Die Texte aus dem gefundenen Stapel beschäftigen sich auch mit dem Thema, was im Mini-Handbuch im Inhaltsverzeichnis aufgeführt werde. Auf die Nachfrage nach weiteren Büchern, die im Mini-Handbuch zitiert werden, ob diese bei dem Angeklagten gefunden wurden, musste er zugeben, dass diese nicht dort gefunden worden wären. Der Zeuge meinte aber daraufhin sagen zu müssen, dass es in der Szene ja üblich sei "Bunker" anzulegen und es deshalb nicht auszuschließen sei, dass er im Besitz der Bücher gewesen sei. Daraufhin fragte RA Franke, ob dies nicht eben auch umgekehrt sein könnte?
Im weiteren Verlauf ging es um einen Brustbeutel und Zettel mit Daten zu einem e-mail-account, die bei der Verhaftung bei einem Angeklagten gefunden worden sein sollen. Der Zeuge weiß nicht, ob er den Zettel aus dem Brustbeutel genommen hat, bzw. ob der Zettel, den er dem Brustbeutel zugeordnet hat, sich wirklich in diesem befand.
Als er in Brandenburg auf der Wache war, befanden sich die Sachen in einem extra Raum in kleinen Ablagekörbchen, die allerdings nicht namentlich oder sonst wie gekennzeichnet waren. Ob ein Beschlagnahmeprotokoll erstellt wurde weiß er nicht, wenn müsste es bei Frau Baumert, seiner Kollegin, gewesen sein.

mg seit 1995?
Der Zeuge erklärte, dass es personelle Überschneidungen zwischen der mg und der "Militanten Antiimperialistischen Gruppe - Pierre Overney- " gegeben habe. Außerdem hätte die mg schon 1995 als sogenannte Selbstportraitgruppe agiert. Anhaltspunkte für den Zeugen waren Tatmittelgleichheiten bei unterschiedlichen Anschlägen seit 1995 und Schlüsse aus den Textvergleichen, die auf gleiche Ziele und Aussagen schließen ließen.

Kamerauntersuchung
Nachdem der Zeuge unvereidigt entlassen wurde, wurde die Verhandlung mit dem Verlesen eines Untersuchungsberichtes des BKA vom 19.01.09 weiter.
Dieser Bericht wurde aufgrund einer Anforderung von KOK Wagner vom 17.12.2008 von Jürgen Fuchs, ebenfalls BKA, erstellt. Er hat dabei die Meta-Daten der 10 - 11 oben erwähnten Bilder untersucht. Diese würden nach eingängiger Untersuchung und der Anschaffung von zwei Kameras desselben Typs zeigen, dass die Bilder mit der bei dem Angeklagten gefundenen Kamera gemacht worden seien, da sich in allen die individuelle Nummer des Geräts in den Hex-Dateien befände.

Zukünftiges Programm
Da die Zeugin Diekmann immer noch erkrankt ist, wurde die Verteidigung gebeten, sich zu überlegen, ob sie nicht auf diese verzichten könnten, sie sollte eigentlich zu einer Wohnungsdurchsuchung aussagen.
Der Zeuge Olschewski aus Petershagen wird einvernehmlich ausgeladen.
Somit ist für den morgigen Verhandlungstag nur noch der Zeuge KOK Wagner, BKA übrig.
Nächste Woche Mittwoch soll es mit dem Zeugen Dr. Brinkmann zum Thema DNA-Auswertung weiter gehen.
Damit ist dann das Zeugenprogramm des Senats abgeschlossen.
Die BAW und die Verteidigung sind aufgefordert ab dem 25.06. Beweisanträge zu stellen.
RA Franke schlug vor, eine Zwischenberatung zu machen, da dies u.U. die Beweisaufnahme erheblich verkürzen könnte. Der Senat wird darüber noch beraten.

Nächster Prozesstermin, Donnerstag, 18.06.2009, 09:00 Uhr.

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