Bericht vom 28. Prozesstag (04.03.09)

Beweisantrag der Verteidigung
Zu Beginn des Verhandlungstages verlas RA Schrage einen Beweisantrag (hier einsehbar). Es wurde beantragt die Zeugen KHK Kröger und KHK Nolte zu laden, weitere Akten des Generalbundesanwaltes beizuziehen und die Auswertungsberichte der Geodaten eines überwachten Taxis und Handys eines weiteren Beschuldigten offenzulegen. Die BAW wollte sich zu einem späteren Zeitpunkt dazu äußern. Richter Hoch stellte die Entscheidung darüber zurück.

Zeugenvernehmung KHK Damm oder der Vorleser
Dann begann die Fortsetzung der Vernehmung vom 25. Prozesstag von KHK Oliver Damm, BKA. Gleich zu Beginn kritisierte RA Lindemann, dass der Zeuge wieder nur aus seinen Akten vorlas. Richter Hoch wies den Einwand zurück. Der Zeuge dürfe seine Notizen benutzen um sein Gedächtnis zu stützen. Der Zeuge habe bei seiner letzten Vernehmung aus dem Gedächtnis berichtet, deshalb sei das Ablesen nun zulässig. Es begannen drei sehr ermüdende Vorlesestunden des Zeugen. Diese Stunden waren zwar von Pausen unterbrochen, dem monotonen Ablesen wurde aber erst um 14.30 Uhr Einhalt geboten als der Zeuge zur Abwechslung mal befragt wurde.

Textvergleiche
KHK Damm stellte Textvergleiche an. Dabei unterteilte er die zuerst die allgemeinen Texte der mg in vier Bereiche: 1.Bereich 38 Selbstbezichtigungsschreiben (SBS), 2. Bereich Positionspapiere (Militanzdebatte) und Presseerklärungen der mg, 3. Bereich Brandsatzbau, 4. Bereich Pressedokumentation der Presse-Doku-Gruppe. Bei dem letzten Bereich, so der Zeuge, würde zwar nicht mg darunter stehen, er wird ihr aber zugerechnet.
Die Textauswertung selbst wurde nicht vom Zeugen durchgeführt, sondern durch ein Nachbarreferat. Er habe die Texte von der mg und zur mg chronologisch sortiert und stichwortartig zusammengefasst. Diese Auflistung enthält drei Gruppen:SBS, Positionspapiere und Beiträge zur mg die von anderen Gruppen verfasst wurden.
(Wir werden uns im Folgenden auf die Erwähnung der Texte beschränken, zu denen der Zeuge zusätzliche Bemerkungen gemacht hat:)
Der Zeuge verlas aus der Anlage 4 seines Sachstandsberichtes die ab dem 10.8.1995 bis zum 21.12.2007 aufgeführten Texte. Die Texte waren zum größten Teil Veröffentlichungen der Interim und der Radikal. Die Aufzählung beginnt mit dem SBS zu einem Brandanschlag am 10.08.1995 bei der Firma Chrysler in Berlin-Marzahn. Unterzeichnet war dieses SBS mit „antiimperialistische Gruppe Freiheit für Mumia Abu-Jamal".
Ab Ausgabe 539 Interim wurde das „no-name-Prinzip“, also wechselnde Gruppennamen, aufgegeben und der Name mg benutzt.
Zum Brandanschlag vom 07.04.2003 auf das Arbeitsamt Berlin Südwest. (veröffentlichtes SBS in der Interim 572, 15.03.03) bekannte sich die "Militante Antiimperialistische Gruppe - Aktionszelle Pierre Overney". Hier ergänzte der Zeuge, dass es sich nach Ansicht des BKA um die mg gehandelt habe.
Anhand der Interim 580 vom 02.10.03 behauptete der Zeuge, dass es Hinweise gegeben habe, dass es sich bei der Presse-Doku-Gruppe um einen Personenkreis handle, der zum Teil mit mg-Mitgliedern identisch sei. Denn Anstelle eines SBS zu Brandanschlägen am 18.09.03 auf das OLG Naumburg und ein Fahrzeug der Außenstelle der Staatsanwaltschaft Halle das in Naumburg abgestellt war, erschien dazu die Pressedokumentation in der Interim.

Durchsuchung des falschen Objektes
Im Sommer 2005 sei bei einer Durchsuchung, bei der eigentlich das falsche Objekt durchsucht worden sei, der „Uniprojekt-Text“ gefunden worden. Uniprojekt sei das Codewort für Radikal. In der Ausgabe 158 der Radikal sei dann später ein Text erschienen, der mit Textstellen des Uniprojekt-Textes übereinstimme.
Die Radikal habe mit der mg ein schriftliches Interview mit 12 Fragen geführt. Dieses wurde in der Radikal 158 veröffentlicht. Das Interview enthielt Fragen zur Aufgabe des no-name-Konzeptes hin zur Namenskontinuität, dem Mittel der Patronenverschickung, Tipps zu militanten Aktionen, klandestinem Verhalten, Abbruch von Aktionen und Abschied von Gruppen und Gruppenmitgliedern, zur Militanzdebatte, zur Parteifrage, zur Kritik an der Schreibweise der mg-Texte, Militanzkonzept der mg im Vergleich mit dem Militanzkonzept der Autonomen, zum Miliz-Konzept, zu Interventionsfeldern der mg.
Einen Einwand von RA Hoffmann, ob in der Auflistung auch aufgeführt sei, welche Gruppen nicht mehr aktiv seien. Konnte der Zeuge so nicht beantworten. Manche Gruppen haben sich nur mit einen oder zwei Texten an Diskussionen beteiligt, dann aber nicht mehr., meinte der Zeuge. RA Hoffmann ergänzte, dass gerade die Gruppe Pierre Overney als nicht mehr aktive Gruppe aufgeführt sei. Dies musste der Zeuge zugeben.
Der Zeuge ergänzte, das in der Radikal 158 außerdem eine Anleitung zum Nobelkarrosentod-Bausatz zu finden sei der ursprünglich von der Gruppe „Klasse gegen Klasse“ stamme.
Im Juli 2005 wurde ein Schreiben der mg an das Sozialforum in Erfurt versandt, mit der Ankündigung an diesem teilzunehmen. Laut BKA war dies aber eine reine Behauptung der mg. Denn eine Teilnahme der mg konnte nicht festgestellt werden.
In der Interim 631 (23.02.06) wurde ein SBS zu einem Anschlag auf das Amtsgericht in Berlin-Wedding abgedruckt. Bekannt hat sich hierzu ein „militantes Bündnis“. Nach Einschätzung des Bundesamtes für Verfassungsschutz (BfV) ist dieser Anschlag aufgrund von Textvergleichen der mg zu zurechnen.
Interim 646 (07.12.06) enthielt den Artikel: Ist die Militanzdebatte noch zu retten? von „einigen KommunistInnen“. Laut dem Zeugen wird dieser Text aufgrund von sprachlichen Übereinstimmungen und der Verwendung von gleichen Parolen der mg zugeordnet.

Minihandbuch für Militante
Der Zeuge beendete seine Verlesung zu einem Text aus der Interim 666 (21.12.07). Dieser ist ein Diskussionsbeitrag zum sogenannten Minihandbuch für Militante. Teile dieses Minihandbuches seien bei der Wohnungsdurchsuchung (31.07.07) eines Beschuldigten in diesem Verfahren gefunden worden. Zum Text in der Interim sagte der Zeuge, hier solle nur der Eindruck erweckt werden, dass das Minihandbuch bereits veröffentlicht worden sei. Es werde in diesem Text nicht auf eine Veröffentlichung eingegangen und es würde sich auch nicht inhaltlich mit Text auseinander gesetzt.
Der Zeuge erklärte weiter, weitere Texte der mg seien ihm nicht bekannt.
Richter Hoch befragte KHK Damm noch zu einem Aktenvermerk der aufgrund von Erkenntnissen des BfV und des BKA Texte der mg zuordnet. Damm antwortete diese Auflistung basiert auf Textvergleichen aufgrund von Form, Inhalt und verwendeten Begrifflichkeiten der Texte. Ab 2001 sei bei der mg das gleiche Layout verwendet worden. Bei der Gruppe Pierre Overney ergebe sich aus Textvergleichen, dass es um Gruppenteile der mg handele. Zudem verwendeten sie dasselbe Internet-Café wie die mg. Außerdem habe die Gruppe Erwiderungen auf noch unveröffentlichte Texte und Anschläge der mg abgegeben. Daneben hatte die Gruppe die gleichen Objekte für ihre Anschläge.

Festplatten-Auswertung
Der Vorsitzende befragte den Zeugen noch zur Auswertung der beschlagnahmten Festplatten. Der Zeuge antwortete, er habe einen zusammenfassenden Vermerk zur Auswertung von Festplatten, PCs und sämtlichen Dateien verfasst. Man habe mit einer Software: inhaltliche Datenträger-Auswertung (IDA), die Auswertung vorgenommen. Aus den Texten der mg sei eine Stichwortliste mit Suchbegriffen erstellt worden. Beim Verlesen der Liste hörten die ZuschauerInnen gefährliche Worte wie z. B. Marx, Bakunin und Mozart. Diese Stichwortsuche habe keine relevanten Ergebnisse erbracht. Mit einer weiteren Software: Forensik Toolkid, seien gelöschte Dateien wiederhergestellt und ausgewertet worden. Die Hoffnung, so der der Zeuge sei gewesen, das Texte oder Textfragmente der mg auf den PCs gefunden werden. Dies hat sich nicht ergeben.
Damit endete der 28. Verhandlungstag. Die Vernehmung des Zeugen Damm wird am Mittwoch den 11.03.09 um 9 Uhr fortgesetzt.

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